Abholzaktion wegen kranker, schiefer und gebrochener Bäume nötig

28.02.2020 | Stand 02.12.2020, 11:51 Uhr
Zur Verkehrssicherung sind in der Oberstimmer Schacht Bäume gefällt worden, so Rudi Engelhard. −Foto: Engelhard

Zu den Leserbriefen zur Oberstimmer Schacht und der umstrittenen Abholzungsaktion:Der Landkreis Pfaffenhofen hat in den letzten Jahren rund 150 Hektar Naturschutzflächen erworben.

 

Ich durfte beim Erwerb der meisten Flächen mitwirken. Bei fast allen Standorten handelt es sich um durch massive menschliche Eingriffe entstandene seltene Biotope, die wieder untergehen würden, wenn der Mensch nicht ständig weiterhin in die natürliche Entwicklung eingreift. Das ist in der Nöttinger Viehweide so und ebenfalls an den Windsberger Hängen. Die seltenen und bedrohten Pflanzen- und Tierarten würden verloren gehen.

Diese Eingriffe werden von einigen engagierten Naturschützern leider nicht so gesehen, weil sie unterstellen, dass Naturschutz bedeute, die Flächen der Eigenentwicklung zu überlassen. Die Oberstimmer Schacht war früher so ein "Paradies aus Menschenhand", das wegen der nur sehr eingeschränkten Pflege mit ihren Ausnahmestandorten unterzugehen drohte. Die Pflege war deshalb eingeschränkt, da die "Schacht" bis zu meinem persönlichen Eingreifen überwiegend im Privatbesitz war. Insbesondere wollte ein Kieswerksbesitzer dort Kies abbauen. Zu meiner Amtszeit als Landrat gelang es mir in schwierigen Verhandlungen, weite Teile des Gebietes für den Landkreis zu erwerben. Trotzdem war die Pflege weiter schwierig, da die übrigen Grundstücke in einander "verschachtelt" waren und weite Teile keine Zuwegung hatten.

In der letzten Zeit wollte dann die DB-Liegenschaften weitere elf Hektar öffentlich zum Verkauf anbieten. Die Grundstücksverhandlungen scheiterten zunächst. Da habe ich mich im Einvernehmen mit dem Kreistag eingeschaltet und die Verhandlungen zu einem positiven Abschluss gebracht. Wie so häufig muss bei solchen Kompromissen auch eine "Kröte" geschluckt werden. Mit dem Ankauf musste die Verkehrssicherungspflicht entlang der ICE-Strecke durch den Landkreis übernommen werden. Diese war von der Bahn ganz offensichtlich seit geraumer Zeit hintenangestellt worden.

Die Besichtigung ergab, dass ein akuter Handlungsbedarf gegeben war und teilweise noch ist. Die Bestockung bestand überwiegend aus Sturmbruch- und -wurf, gefährdeten Baumarten wie Roterle, Pappeln, Weiden sowie einigen Kiefern und Eichen auf einem labilen Sumpfstandort. Bäume waren bis zu 45 Grad in Richtung der Eisenbahnlinie angeschoben, Wurzelstöcke angehoben. Auf ganzer "Front" waren die bis an die Unterkannte des Bahndammes stockenden Bäume mit langen Ästen und gebogenen Wipfeln in das Lichtraumprofil des Bahnkörpers eingewachsen. Dies gilt auch für die Eiche, die ihre Kronen in Richtung der Bahnstrecke ausgerichtet hatte. Eine deutliche Schwerpunktverlagerung der Bäume hin zur ICE-Strecke war festzustellen.

Dies hatte bei den deutlich zunehmenden Stürmen oder bei einem Nassschneefall eine akute und erkennbare Gefährdung der Bahnstrecke zu Folge.

Ich habe zu meiner Absicherung diese Situation mit einem gerichtserfahrenen Juristen diskutiert. Das Ergebnis: Ein Nichthandeln bei der auch für einen Laien erkennbaren Gefahrenlage stellt eine grobe Fahrlässigkeit bis hin zu einem bedingten Vorsatz dar. Die Folge ist ein deutlich strafbares Verhalten und die volle Haftung für Schäden mit dem gesamten Privatbesitz der Verantwortlichen. Auf Grund der Erkenntnisse haben wir angeordnet, in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde den Waldsaum um etwa 15 Meter zurück zu nehmen. Das ist weniger als die Baumhöhe. Alle gefährdenden Stämme, die weiter weg stehen, können später individuell entfernt werden. Die Maßnahme konnte nur mit einem Prozessor durchgeführt werden, da zunächst in dem unwegsamen Gelände eine Arbeitslinie entlang der Bahn geschaffen werden musste. Die Fällung entlang der Bahnlinie bei laufenden Zugverkehr war ebenfalls nur mit dieser Fälltechnik möglich, da dieses Gerät mit seinem Greifarm die in Richtung Bahnlinie hängenden Bäume gesichert von der Oberleitung wegbringen konnte.

Im Zuge dieser Maßnahme wurde auch die im FFH-Managementplan geforderte Zusammenführung der Offenlandflächen wie bei der Ortsbesichtigung 2017 bereits mit den Vertretern von Behörden und Naturschutzverbänden bespro- chen, durchgeführt. Allerdings nicht, wie damals vorgesehen, durch die Abholzung einer Schneise in mitten durch den Waldbestand der Schacht, sondern unter Mitbenutzung der Sicherheitszone entlang der Bahn. Diese Linie kann auch künftig als Basis für die Pflege der Schacht dienen ohne den wertvollen Innenbereich zu beeinträchtigen.

Die Maßnahmen mögen für Naturliebhaber zunächst heftig erscheinen, sie geben aber die Chance, die Sonderstandorte der Schacht zu erhalten und die weiteren Pflegemaßnahmen gezielt und sanft durch zu führen. Die Kritiker bitte ich um Fairness. Ich betreue den Waldbesitz des Landkreises seit Jahren unentgeltlich und ohne jeden Aufwandsersatz. Und sind Sie ehrlich, würden sie persönlich mit ihrem gesamten Eigentum haften und ggf. auch eine Gefängnisstrafe in Kauf nehmen wenn trotz besseren Wissen ein Baum auf die ICE-Strecke fällt und Menschen zu Schaden kommen? Dann muten Sie das doch nicht anderen zu.

Rudi Engelhard, Altlandrat