Kinder nicht zu unselbstständigen Drückebergern erziehen

18.09.2019 | Stand 02.12.2020, 13:02 Uhr

Zum Bericht "Alle für Gretas Ziele" (PK vom 18. September): Carsten Kühnel hat einen offenen Brief an das Direktorat und das Lehrerkollegium des Schyren-Gymnasiums geschrieben - hier in Auszügen:Die freitäglichen Klimastreiks inklusive des provozierenden Schuleschwänzens halte ich für existentiell wichtig für eine lebenswerte Zukunft.

Und ich finde es befremdlich, dass daran teilnehmende Schüler in der ersten Hälfte dieses Jahres sofort mit der unkreativen Disziplinierungsmaßnahme eines Verweises bedacht wurden.

Unter diesen Schülern war auch zweimal eine unserer beiden Töchter, worauf ich sehr stolz bin. Meine Tochter ist ganz gewiss keine Rebellin. Sie macht sich bereits Sorgen, ein für alle Mal gebrandmarkt zu sein, worin ich ihr deutlich widersprach. Als Protestanten steht unsere Familie in der guten Tradition des selber Denkens. Genau wie seinerzeit Martin Luther tun wir uns dabei keineswegs leicht, wenn unser eigenes Gewissen gegen geltendes Recht verstößt, wie in diesem Fall gegen die Schulpflicht. Wir sind ganz gewiss keine Querulanten und wir hadern mit uns und zweifeln!

Aber die Konsequenz kann dabei nie und nimmer sein, dass unsere Kinder mit der Macht des Stärkeren zu braven, unselbstständigen Duckmäusern und systemtreuen Konsumenten erzogen werden! Wir brauchen mehr denn je mündige und selbstständige junge Menschen, die mehr können als Geld zu verdienen und wieder auszugeben.

Dem Schulsystem ist dabei kein Vorwurf zu machen. Jede Gesellschaft hat immer das Schulsystem, das sie benötigt. Zu Kaisers Zeiten wurden willige Soldaten gezüchtet, die ohne den Hauch eines Widerspruchs an die Front zogen. Diese Zeiten sind gottlob vorbei. Doch sind wir heute wirklich so viel weiter? Werden in unseren Schulen nicht heute genau die Menschen aufgezogen, die unser selbstzerstörerisches marktwirtschaftliches System für sein ständig gepredigtes permanentes Wachstum braucht? Die ohne viel nachzudenken viel mehr Geld verdienen, als für ein gutes Leben nötig wäre und viel mehr konsumieren als gut ist für uns alle?

Wir brauchen jetzt dringend Menschen, die friedlich aufbegehren! Die nicht einfach so weiter machen, nur weil es schon immer so war oder bequem ist oder weil es in einer Schulordnung steht! Sondern die kreative Ideen entwickeln, wie man Entscheidungsträger zu richtungsweisenden Taten bewegen kann. Das ist gelebte Demokratie! Und damit ganz im Sinne unseres großartigen Grundgesetzes, diesem Glücksfall für unser Land. Von einem souveränen Direktorat erwarte ich, dass es den Geist dieser Verfassung an die nächste Generation weitervermittelt und deshalb die Schuldordnung mit dem nötigen Fingerspitzengefühl kreativ umzusetzen versteht, ohne sie dabei außer Kraft zu setzen oder zu verdrehen. So wie es zahlreiche andere Schulleitungen in Europa eindrucksvoll vorgemacht haben, anstatt sofort mit Kanonen auf Spatzen zu schießen!

Ich bin mit diesen jungen Menschen der absoluten Überzeugung, dass wir jetzt schnell handeln müssen, ansonsten wird es keine Zukunft geben, für die es noch irgendeinen Sinn macht, in die Schule zu gehen.

Carsten Kühnel

Pfaffenhofen