Eine Kundgebung alleine reicht nicht

25.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:36 Uhr
Pfaffenhofen ist bunt - eine Kundgebung allein reicht allerdings nach Ansicht von Bernd Duschner nicht aus, um das Abdriften nach rechts in Deutschland zu verhindern. Für Duschner ist eine grundlegende Wende hin zu einer Politik, die sich an den Interessen der breiten Mehrheit der Bürger orientiert, längst überfällig. −Foto: Straßer

Zur Kundgebung "Pfaffenhofen ist bunt" :Wie die Umfragen zeigen, erleben wir einen massiven Vertrauensverlust der Regierung.

Viele Bürger haben das Gefühl, ihre Interessen und Bedürfnisse spielten bei den Entscheidungen in Berlin keine Rolle, gemacht werde nur, was Konzernen, Banken, Versicherungen und einer kleinen ständig reicher werdenden Oberschicht dient.

Liegen sie falsch? Greifen wir als Beispiele Mieten und Renten heraus: 1987 gab es in der alten Bundesrepublik 3,9 Millionen Sozialwohnungen, heute sind es in ganz Deutschland nur noch 1,5 Millionen! 100000 Wohnungen fallen jedes Jahr aus der Mietpreisbindung. Trotzdem hat die Regierung den sozialen Wohnungsbau nahezu eingestellt. Gleichzeitig haben die Landesregierungen - von Union, SPD, FDP wie Grünen - in den vergangenen Jahren Hunderttausende von Wohnungen an private Wohnungskonzerne verschleudert, deren einziges Ziel Höchstrenditen für ihre Kapitalanleger ist. Diese Politik ermöglicht es Konzernen wie etwa Vonovia, in den Ballungszentren den Wohnungsmarkt zunehmend zu beherrschen. Kein Wunder, wenn die Mieten explodieren und immer mehr Menschen zu Obdachlosen werden.

Werfen wir einen Blick auf die Renten. Hier haben die in Berlin regierenden Parteien seit Schröder das Rentenniveau mit diversen "Reformen" vorsätzlich abgesenkt, um privaten Versicherungskonzernen einen Absatzmarkt für deren "Produkte" ("Riesterrente") zu verschaffen. Mit der Teil-Privatisierung der Altersversorgung werden Hunderte von Milliarden Euro statt in die Kassen der gesetzlichen Rentenversicherung zur Anlage auf die Kapitalmärkten umgeleitet. Banken, Versicherungen und "Berater" a la Maschmeyer können dank dieser Politik kräftige Provisionen einstreichen. Österreich ist einen anderen Weg gegangen. Seine Erwerbstätigen-Versicherung wurde auf breite Füße gestellt, neben den Arbeitnehmern zahlen alle Selbstständigen, Politiker, Landwirte und fast alle Beamten ein. Die Teil-Privatisierung der Altersversorgung hat das Land nicht mitgemacht. Deshalb gibt es dort keinen Einkommensabsturz im Rentenalter. Langjährig versicherten Männern wurde 2013 eine durchschnittliche Neu-Rente (Netto vor Steuer) von 1820 Euro ausbezahlt, bei uns nur von 1050 Euro. Die Nettoersatzquote der Rente lag bei Durchschnittsverdienern laut OECD 2015 bei über 90 Prozent, bei uns nur bei 50 Prozent.
Rechte Parteien haben schon immer berechtigten Ärger aufgegriffen, die Mächtigen aus der Schusslinie genommen und versucht, die Wut der Bevölkerung gegen die Schwächsten zu kanalisieren. Das waren gestern Roma und Juden und sind heute die Flüchtlinge. Es ist erfreulich, dass Hunderte unserer Bürger, darunter viele Jugendliche, mit der Kundgebung "Pfaffenhofen ist bunt" deutlich gemacht haben, dass sie Ausgrenzung und Diskriminierung ausländischer Mitbürger nicht hinnehmen. Eine Kundgebung allein reicht allerdings nicht aus, um die Entwicklung nach Rechts in unserem Lande zu verhindern. Überfällig ist eine grundlegende Wende hin zu einer Politik, die sich an den Interessen der breiten Mehrheit unserer Bürger orientiert.
Mit Propagierung der Kasernierung in Massenunterkünften ("Ankerzentren"), der Ausweitung der Abschiebehaft und den geplanten drastischen Leistungskürzungen für Flüchtlinge haben die Regierungsparteien selbst ganz erheblich zur rechten Stimmungsmache beigetragen. Dabei möchten sie vergessen machen, dass es die Militärinterventionen in Afghanistan, Irak, Libyen und die militärische und finanzielle Unterstützung aufständischer Islamisten in Syrien waren, die Millionen Menschen zur Flucht getrieben haben.
Ich würde mir wünschen, dass viel mehr von uns auf die Straße gehen gegen die ständige Erhöhung des Rüstungsetats (2018: +1,5 Milliarden, 2019 plus drei Milliarden Euro), die Waffenexporte an Staaten wie Saudi-Arabien, das im Jemen einen Vernichtungskrieg gegen die dortige Bevölkerung führt, und gegen die Wirtschaftssanktionen wie im Falle Syriens. Seit 2011 verhindern sie, dass das Land Wasserpumpen für seine Wasserversorgung, Energieerzeugungsanlagen für seine Stromversorgung, medizinische Geräte und Medikamente für die Behandlung seiner Verwundeten und Kranken importieren kann. Auch in der Außenpolitik ist eine entschiedene Wende notwendig, hin zu einer konsequenten Friedenspolitik. Wir alle sind gefordert, diese Wende durchzusetzen.

Bernd Duschner

Pfaffenhofen