Mehr Respekt vor dem Leben

Zum Artikel "Geteilte Meinungen über Abholzaktion" (GZ vom 2./3. Juni):

05.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:18 Uhr

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Das Wasserwirtschaftsamt führt ein Alterslimit für Bäume an. Ich kenne das fragwürdige Mindesthaltbarkeitsdatum bisher nur beim Joghurt und appelliere an den gesunden Menschenverstand, einen 70 Jahre jungen Baum nicht leichtfertig wegzuschmeißen. Einzelfallprüfung durch Experten bitte! Von einer anderen Pappelbegutachtung weiß ich, dass diese Bäume im Schnitt 120 Jahre alt werden, unsere Ilmbäume sind also in den besten Jahren. Außerdem, so lernte ich, sei der Totholzabwurf bei ihnen kein eindeutiges Krankheitszeichen, sondern auch eine raffinierte Fortpflanzungsform: Wo der Ast sich in den Auwaldboden spießt, sprießt schon bald ein neuer Baum. Die Verkehrssicherungspflicht wird gern als bequemes Totschlagargument verwendet. In dem Fall spricht der bereits von Umweltreferent Bachmair angeführte Westwind dagegen. Ein Baumexperte kann auch die Statik zuverlässiger prüfen als die vielseitig eingesetzten Mitarbeiter vom Wasserwirtschaftsamt. Aus ihrem Kreis hörte ich übrigens, man sei es leid, jedes Jahr eine einzelne kranke Pappel am Ilmufer herauszufällen, das sei so aufwändig, dann doch endlich alle 15 in einem Aufwasch. Meine Antwort war damals und ist bis heute: Wenn ein Bauer zehn Kühe hat und zwei sind krank, lässt er dann die acht gesunden auch gleich schlachten, nur weil der Metzger gerade im Haus ist? Pragmatische Lösungen in allen Ehren, aber was ist denn das für eine Haltung? Etwas mehr Respekt vor dem Leben darf schon sein, auch wenn man beruflich mit Bäumen zu tun hat. Sie sind unser aller Kapital und zwar je älter, desto leistungsfähiger und wertvoller, nicht nur für Vögel und die Schönheit der Natur. Eine Baumkrone dieser Größenordnung produziert pro Stunde Sauerstoff für 50 Menschen und reinigt Tausende Kubikmeter Luft. In Zeiten von Feinstaubbelastung und Stickoxiden lohnt sich doch der kleine Extra-Aufwand mit einem Baumexperten.
Annette Hartmann, Geisenfeld