Eine fachliche Klarstellung

02.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:08 Uhr

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In der aktuellen Diskussion um die Energiewende kochen alte Argumente hoch, die einer fachlichen Klarstellung bedürfen. Das fängt schon bei dem Wort Energiewende an. Mit dem Schlagwort Energiewende bezeichnet die Bundesregierung ihre Politik nach Fukushima. In Wirklichkeit war die Energiewende, also die Umstellung auf erneuerbare Energien, schon seit zehn Jahren durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz in vollem Gang. Die Energiewende wurde nach Fukushima nicht stärker gefördert, wie immer behauptet wird, sondern insgesamt mehr gebremst. Ein Teil des Atomstroms wurde durch Kohlestrom ersetzt. Die Förderung erneuerbarer Energien wurde aber insgesamt reduziert, außer in einem einzigen Bereich: Der Windkraft im Meer, die für die gleiche Strommenge einen erheblich höheren Preis bekommt als Sonnenenergie und Windkraft bei uns. Dabei führt die Verlagerung der Stromerzeugung in die verbrauchsschwachen Gebiete am Rand des Landes zu einem höheren Bedarf an Fernleitungen, was die Anwohner der Trassen verständlicherweise nicht freut.

Gegen die Nutzung von Sonne und Wind bei uns wird immer noch das alte Argument benutzt: was macht man, wenn Nacht ist und der Wind nicht weht? Richtig ausgedrückt, ist die Frage, wie der zeitliche Verlauf von Erzeugung und Verbrauch zusammenpassen, denn auf beiden Seiten gibt es große Schwankungen. Deshalb ist dieses Problem gar nicht neu. Auch in Zeiten hohen Atomstromanteils mussten die restlichen Kraftwerke und spezielle Regelenergie-Kraftwerke die tageszeitlichen Schwankungen des Stromverbrauchs ausgleichen, damit die Atomkraftwerke Tag und Nacht durchlaufen konnten. Zusätzlich machte man damals Werbung für elektrische Nachtspeicherheizungen, damit der Atomstrom nachts verramscht werden konnte. Man sieht, auch das Problem, für Überschüsse eine Verwendung zu finden, ist nicht neu.

Heute gilt: vor allem die Erzeugung von Sonnenstrom (die auch bei trübem Wetter höher ist als viele meinen) passt meistens gut zum Verbrauch, der mittags oft sehr hoch ist. Insgesamt sind im deutschen Netz etwas mehr Schwankungen auszugleichen als früher. Das ist, wie die bisherige Praxis zeigt, ohne allzu großen Aufwand von flexiblen Gaskraftwerken gut zu leisten. Gaskraftwerke werden momentan ungern gebaut, weil billigerer Kohlestrom den Börsenpreis bestimmt. Eigentlich sollte der EU-Emissionshandel den Kohlestrom verteuern (Kohlestrom verursacht pro erzeugter Energie die doppelte Menge an CO2 wie Gasstrom), doch das EU-System der Emissionszertifikate hat bisher nicht funktioniert und ein Reformvorhaben wurde von der alten Bundesregierung blockiert. Das will die neue Bundesregierung nun anpacken. Auch der Vorteil der Flexibilität von Kraftwerken wurde bisher nicht gefördert. Aktuell haben eine solche Änderung im Strommarktdesign („Kapazitätsmechanismus“) Horst Seehofer und der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann gemeinsam gefordert.

Man sieht, die Angstmacherei vor Stromausfällen, die man kürzlich wieder lesen konnte, ist übertrieben (auch vor Fukushima hatte man uns erzählt, dass man auf kein einziges Atomkraftwerk verzichten könne), aber die Politik hat noch einige Hausaufgaben, um die Energiewende endlich richtig zu fördern, statt wie in den letzten Jahren zu bremsen.

Zum Ausgleich der Schwankungen sowohl bei Stromerzeugung und Stromverbrauch hervorragend geeignet sind die schon vorhandenen Biogas-Anlagen. Dieser große Vorteil von Biogas wird aber bisher überhaupt nicht genutzt, weil er nicht richtig gefördert wird. Biogas-Anlagen laufen bisher meist einfach 24 Stunden durch. Biogas-Anlagen wären aber zusätzlich sehr günstige Energiespeicher, da das Biogas in den üblichen Auffangbehältern einfach gespeichert und nach Bedarf verstromt werden kann. Man könnte dies zum Beispiel so regeln: Acht Stunden einfache Leistung, acht Stunden doppelte Leistung und acht Stunden aus. Die Biogasanlage braucht dazu im Wesentlichen nur einen zweiten baugleichen Generator/Motor. Das macht nur einen kleinen Anteil der Investitionskosten aus und die Betriebskosten bleiben gleich. Die Technik der Fernsteuerung durch den Netzbetreiber wird bereits jetzt in Biogas-Anlagen eingebaut. So könnte der Netzbetreiber täglich flexibel Zeiten geringer Sonneneinstrahlung oder Windstärke und genauso auch Verbrauchsspitzen ausgleichen. Damit wird das Potenzial der bestehenden Biogas-Anlagen für die Energiewende erst richtig genutzt, ohne dass zusätzliche landwirtschaftliche Fläche gebraucht wird. Auch hierzu ergab sich aus dem Treffen der Ministerpräsidenten Kretschmann und Seehofer ein Verbesserungsvorschlag zur anstehenden Gesetzesreform.

Hannelore Kraft und Sigmar Gabriel setzen sich ungeniert für die Interessen ihrer heimatlichen „Kohleländer“ und Küstenländer ein, auch Angela Merkel startete die überhöhte Förderung der Küsten-Windkraft. Vielleicht setzt sich durch die Zusammenarbeit von Bayern und Baden-Württemberg auch in der Staatsregierung die Erkenntnis durch, dass die südlichen Bundesländer besonders vom Ausbau der Sonnenenergie, aber auch (an menschen-verträglichen Standorten) von Wind und Biomasse profitieren.

Hermann Schrag,

Firma Schrag Sonnenstrom, Reichertshausen