Fürholzen
Wertschätzung für das Tier

Anton Niedermeier züchtet seit 15 Jahren seltene Waldschafe – deren Fleisch Feinschmecker schätzen

17.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:11 Uhr

Foto: Stefanie Grindinger

Fürholzen (PK) In ganz Deutschland gibt es schätzungsweise nur rund 1000 Waldschafe. Eine Herde mit 30 Mutterschafen und zwei Böcken lebt in Fürholzen bei Pfaffenhofen. Mit viel Liebe und Leidenschaft züchtet Anton Niedermeier seit 15 Jahren die seltenen Nutztiere und lässt dabei der Natur ihren Lauf.

Die Waldschafe fühlen sich wohl bei den Niedermeiers. Beim Blick auf die vier Hektar große Weide mit sattem, grünem Gras kann man es den Tieren nicht verdenken. Am Lauseckerhof in Fürholzen werden sie so gehalten, wie es ihrer Natur entspricht, nämlich ganzjährig auf der Weide. Das können sie auch, denn Waldschafe stammen ursprünglich aus den Mittelgebirgsregionen und sind durch ihr langwolliges Fell perfekt gegen Nässe und Kälte gewappnet. Die Lämmer bekommen kein Kraftfutter, wie es bei der Mästung im Stall meist der Fall ist, sondern ausschließlich Muttermilch. „Unsere Tiere haben vom Anfang bis zum Ende ein schönes Leben“, betont Züchter Anton Niedermeier, dessen Betrieb nach Demeter- und Bio-Standard zertifiziert ist.

Jedes der 30 Mutterschafe hat einen eigenen Namen, inspiriert durch Pippi Langstrumpf. Da wären zum Beispiel eine Lotte, eine Rollgardina und eine Effi. Eines der Lieblingsschafe der jungen Landwirte ist jedoch Pippi. „Da Pippi mit der Flasche groß gezogen wurde, ist sie besonders zutraulich“, erzählt Bernadette Niedermeier. Außerdem hat Pippi schon einen Preis gewonnen: Auf der Schafausstellung in Hochmutting (Oberschleißheim) vor ein paar Jahren hat das Waldschaf den dritten Platz gemacht. Die Liebe zu den Waldschafen geht sogar so weit, dass die Niedermeiers nachts aufstehen, um nach kranken Tieren zu sehen oder lebensschwachen Lämmern die Flasche zu geben. „Alle drei bis vier Stunden müssen die Lämmer trinken“, berichtet Anton Niedermeier, der hauptberuflich als Agraringenieur und Umweltgutachter arbeitet. „Wenn andere abends fernsehen, kümmern wir uns um die Schafe“, fügt seine Frau Bernadette an.

Zur artgerechten Haltung gehört es auch, dass die Züchter auf den natürlichen Rhythmus der Schafe Rücksicht nehmen. Daher darf der Bock, der übrigens auf den Namen Nathan, der Weiße (nicht „der Weise“) hört, seine Damen nur ein Mal im Jahr besuchen. „Sonst wären die Schafe laufend trächtig“, sagt Anton Niedermeier. Das wäre sicherlich gewinnbringend, jedoch nicht gut für die Schafe. Das Wohl der Tiere ist für die Niedermeiers oberstes Gebot. Brunftzeit ist im Oktober. „Dann geht es rund“, erzählt Anton Niedermeier lachend. In Fürholzen lebt noch ein zweiter Bock. Roberto Blanco – mit schwarzem Fell – ist aufgrund seines Alters für die Zucht nicht mehr geeignet. Es gehört zum Selbstverständnis der Niedermeiers, dass Roberto Blanco auf dem Lauseckerhof sein Gnadenbrot genießt.

In den Monaten April und Mai werden die Lämmer geboren, meist Zwillinge oder Drillinge, sodass die Niedermeiers jährlich 40 bis 50 Jungtiere haben. Zehn Prozent werden für die Nachzucht behalten, die restlichen Tiere geschlachtet. Nach 15 Jahren Zuchterfahrung bringt Anton Niedermeier die Tiere immer noch „schweren Herzens“ zum Metzger. Doch dies sei eben der Lauf der Dinge und: „Wenn es keine Nachfrage nach Lammfleisch gäbe, wäre diese seltene Rasse wohl ausgestorben.“ In den 1980er Jahren waren die Waldschafe beinahe ausgerottet. Heute gibt es deutschlandweit rund 1000 Exemplare. In der Region halten die Niedermeiers die einzigen Waldschafe. Die nächsten Zuchtbetriebe sind laut Anton Niedermeier in Moosburg und Erding.

Warum ausgerechnet Waldschafe? Fruchtbar und robust sei die Rasse, so der 40-Jährige. In den Waldschafen sieht der Züchter die zeitgemäße Antwort auf die Medikamenten-Problematik in der Tierzucht. Denn Waldschafe sind resistent gegen Krankheiten und insbesondere die Moderhinke, eine häufige Erkrankung der Klauen. „Der Tierarzt ist bei uns sehr selten zu Besuch.“ Außerdem sei das Waldschaf-Fleisch sehr mager und schmackhaft. In der Zucht möchte Anton Niedermeier vor allem die ursprünglichen Eigenschaften der Waldschafe hervorbringen, so zum Beispiel gute Muttereigenschaften.

Die artgerechte Haltung macht sich schließlich in Qualität und Geschmack bemerkbar. Die Niedermeiers haben rund 50 treue Stammkunden, die immer wieder zum Hof kommen. Sie kennen allesamt persönlich. Der Großteil stammt aus der Region, doch mancher Liebhaber von Lammfleisch kommt sogar bis aus München. „Viele sagen, dass unser Fleisch nicht den typischen, unangenehmen Lammgeschmack hat“, berichtet Anton Niedermeier. Außerdem beliefert er die Tafernwirtschaft Hörger in Hohenbercha bei Allershausen, die sich auf gehobene Bio-Küche spezialisiert hat. Da der Landwirt nicht selbst schlachtet, kann er das Fleisch jedoch nur in gewissen Portionsgrößen verkaufen, das heißt halbe oder ganze Lämmer. Das stellt so manchen Hobbykoch vor Probleme, der vielleicht nur Kotellets haben möchte. „Ich verkaufe das Fleisch jedoch nur an Leute, die es komplett verarbeiten“, so Anton Niedermeier.

Aus Respekt vor den Tieren versucht der Züchter, die Lämmer so vollständig wie möglich zu verwerten. Von einem Metzger lässt er sich Pfefferbeißer, Salami und gekochten Schinken machen – primär zum Eigenverzehr. Auf Nachfrage gibt er die besonderen Delikatessen auch schon einmal einem guten Kunden mit.

Ein weiteres Produkt sind Lammfelle. Diese lassen die Pfaffenhofener ausschließlich in Deutschland gerben, was sich natürlich auf den Preis niederschlägt. Der Vorteil: Die Felle werden ohne den Einsatz von Schwermetallen medizinisch gegerbt. „Das gibt es im Ausland nicht“, weiß Anton Niedermeier. Neben braunen und weißen Fellen gibt es weiße Felle mit dunklen Tupfen. Auf diesen Zuchterfolg ist er besonders stolz.

Mit den Waldschafen haben Anton und Bernadette schon viel erlebt. Eines Nachts ist die kleine Herde ausgebrochen und hat sich auf Wanderschaft ins Dorf begeben, erzählen die beiden. Nach anfänglicher Neugierde haben die Ausreißer bald Angst bekommen. Ein Nachbar hat das Paar schließlich informiert. Als Anton Niedermeier kam, um die Schafe abzuholen, sind sie ihm bereitwillig und dankbar nach Hause gefolgt. „Welch’ schöneres Kompliment kann es geben“