Pfaffenhofen
Zwei Jahrzehnte Freundschaft mit Valjevo

Vereinschef Bernd Duschner berichtet vom jüngsten Hilfstransport aus Pfaffenhofen

04.12.2019 | Stand 02.12.2020, 12:28 Uhr
Grundschüler mit den Tischen und Stühlen aus Pfaffenhofen: In Valjevo bleiben die Schüler in den ersten acht Jahren zusammen in einer Klasse. −Foto: Duschner

Pfaffenhofen - Es ist der Beginn einer langen Freundschaft: Am 4. Oktober 1999 brachten 24 Bürger aus Pfaffenhofen mit einem Bus und einem großen Sattelzug Kleidung, Lebensmittel, medizinische Geräte, Medikamente und Geschenke für Kinder in die serbische Stadt Valjevo. "Mit dieser humanitären Hilfe wenige Wochen nach den Bombardierungen durch die Nato begann die Freundschaft zwischen unseren Städten", sagt Bernd Duschner, der Vorsitzende des Hilfsvereins Freundschaft mit Valjevo. Beim Zustandekommen dieses Hilfstransportes hatten viele Bürger mitgeholfen, wie beispielsweise Kindergartenleiterin Helga Wagner und die damalige Stadträtin Erika Thalmeier mit ihrem Mann Klaus.

20 Jahre später, Anfang November, brachte jetzt ein Sattelzug 95 Schulbänke und 190 Stühle des Pfaffenhofener Gymnasiums in die serbische Stadt. Die Kosten des Transports hat der Landkreis übernommen. Duschner hat den Sattelzug begleitet, an der Verteilung der Schulmöbel an mehrere Grundschulen in Valjevo mitgewirkt und berichtet hier von den Hintergründen. Bei seinem Besuch habe er eine Vielzahl von Gesprächen mit Bürgern und politisch Verantwortlichen über die aktuelle Situation in Serbien und speziell in der Stadt Valjevo geführt..

In Serbien ist es laut Duschner heute ein wichtiges Thema: Im Krieg 1999 wurde von der Nato Uranmunition eingesetzt, so auch bei den Angriffen auf die Fabrik Krusik in Valjevo. Bei ihrer Explosion wird radioaktiver Staub frei. Der stellvertretende Bürgermeister und Arzt im örtlichen Krankenhaus Zoran Zivkovic macht wie viele Wissenschaftler des Landes diese Uranmunition für den deutlichen Anstieg von Krebserkrankungen gerade bei jungen Menschen in den betroffenen Regionen des Landes verantwortlich. Er bat um die Entsendung eines deutschen Onkologen in das örtliche Krankenhaus, damit sich dieser ein Bild mache könne.

Ein weiteres Problem in Valjevo sei speziell im Winter die starke Luftverschmutzung. 40000 Pkw, so Zivkovic, gibt es in der in einem Kessel gelegenen Stadt. Die Hälfte der Pkw seien Dieselfahrzeuge, ihr Durchschnittsalter 21 Jahre. Dazu kommt, dass ein Großteil er Bürger sich aus Kostengründen nicht an das städtische Heizkraftwerk anschließen ließ, sondern nach wie vor mit dem viel billigeren Holz und Kohle heizt. 460 Euro netto beträgt laut Duschner heute das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen in Serbien. Die meisten Beschäftigten verdienen deutlich weniger. Gerade unter der Jugend herrscht hohe Arbeitslosigkeit.

"Kein Wunder, dass die Zahl der Auswanderer in Serbien dramatischen Umfang angenommen hat", sagt Duschner. Betrug ihre Zahl in der Periode 2005 bis 2014 im Jahresdurchschnitt noch 31000, so hat sie sich mittlerweile auf über 60000 verdoppelt. Übertragen auf unser Land mit seinen 83 Millionen Einwohnern entspricht das einen jährlichen Aderlass von 700000 Menschen. Es sind vor allem gut ausgebildete junge Facharbeiter, Handwerker, Ingenieure, Techniker und Ärzte, die mit dem Wunsch nach höheren Einkommen, besseren Lebensbedingungen und Berufsperspektiven das Land verlassen.

Jörg Heeskens, persönlicher Wirtschaftsberater des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic hatte Duschner zu einem Gespräch nach Belgrad eingeladen. Nach dem politischen Umbruch 2000 hatte Serbien ausländischen Firmen den Zugang zu seinen Märkten voll geöffnet. Dieser Konkurrenz waren viele einheimischen Betriebe nach den langen Jahren von Sanktionen und Krieg nicht gewachsen. Sie mussten schließen oder wurden im Rahmen von Privatisierungen von ausländischen Investoren übernommen, so wie die Öl- und Gasindustrie von Gazprom, das Autowerk in Kragujevac von Fiat, das Stahlwerk in Smederevo und die Kupferminen in Bor von einem chinesischen Unternehmen. Tausende Hektar fruchtbares Landes in der Vojvodina haben Investoren aus den Arabischen Emiraten aufgekauft. Die serbische Regierung setzt bei der Modernisierung ihrer Wirtschaft, dem forciert betriebenen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der angesichts der Auswanderungswelle dringend erforderlichen Schaffung neuer Arbeitsplätze in erster Linie auf ausländische Investoren.

Wie die hohen Auslandsinvestitionen belegen, ist ihr Angebot hoher staatlicher Subventionen (bis 7000 Euro je neuem Arbeitsplatz), niedriger Unternehmensteuern (15 Prozent) und gut ausgebildeter Fachkräfte bei niedrigen Lohnkosten für viele Unternehmen, auch deutsche Firmen attraktiv. 60000 Arbeitsplätze, so Heeskens, haben sie mittlerweile in Serbien geschaffen. Über eine Investition in Valjevo verhandelt er aktuell mit einem großen bayerischen Unternehmen.

Rund 500 Schüler, Künstler und Musiker aus dieser Stadt haben in den vergangenen Jahren Pfaffenhofen besucht und lieben gelernt. Auch für das kommende Jahr ist bereits einiges in Vorbereitung: Das dortige Gymnasium, an dem es bilingualen Unterricht gibt, feiert sein 150-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass möchte Direktor Pedrag Jevtic im November 2020 mit seinen Abschlussklassen Pfaffenhofen besuchen. Der Mathematiklehrer wurde, wie in Serbien üblich, von seinem Lehrerkollektiv in dieses Amt gewählt.

Gerne angenommen wurde in Valjevo das Angebot von Michael Herrmann, mit seiner Band Ginphonic bei den dortigen Kulturtagen Anfang August 2020 ein Konzert zu geben. Die große Gemäldeausstellung von Nikolaus Hipp in Valjevo liegt bereits einige Jahre zurück. Für Juni/Juli ist jetzt in der Halle des Neuen Pfaffenhofener Kulturvereins eine Ausstellung mit Werken eines der bedeutendsten Maler Serbiens geplant, des 2016 verstorbenen Surrealisten Ljuba Popovic.

Bis heute wird die Zusammenarbeit mit Valjevo vor allem von Vereinen und der Initiative einzelner Bürger getragen. Eine offizielle Städtepartnerschaft, wie von Stadtrat Manfred "Mensch" Maier jetzt vorgeschlagen, würde sie nach 20 Jahren auf eine breitere Basis stellen. "Sie wäre ein wichtiger Beitrag zur Einbeziehung Osteuropas in das gemeinsamen Europa. In Valjevo ist man gespannt, wie sich unser Stadtrat entscheidet", sagt Duschner.