Pfaffenhofen
Zimbrisch: Einer vergessenen Sprache auf der Spur

Auch bairische Elemente sind enthalten: Früherer Pfaffenhofener Gebhard Rott ist als Hobbyforscher begeistert

07.02.2022 | Stand 22.09.2023, 23:38 Uhr
Gebhard Rott aus Aufham plant dieser Tage seine nächste Reise nach Oberitalien und studiert dafür schon mal die Landkarte. −Foto: Maria Horn

Anger/Pfaffenhofen - Im Ruhestand einfach in den Tag hineinzuleben, das ist nichts für Gebhard Rott. Der gelernte Industriekaufmann befasst sich als Hobby mit den Zimbern und deren Sprache. Die Cimbern oder Zimbern sind die Nachfahren deutscher Siedler, die sich in der Zeit zwischen 1050 und 1350 in Oberitalien angesiedelt haben - überwiegend in den heutigen Provinzen Trient, Verona und Vicenza. Und das Besondere dabei ist: Bis heute sind dort die urtümlichen bairischen Dialekte erhalten.

Gebhard Rott ist in Pfaffenhofen aufgewachsen, lebt aber seit Jahrzehnten in Aufham, einem Ortsteil der Gemeinde Anger im Berchtesgadener Land. Und seit rund einem halben Jahr ist er nun Mitglied im Verein "Cimbern-Kuratorium Bayern" und hat sich mittlerweile ausführlich mit der Thematik befasst. Dazu hat er sich innerhalb weniger Monate eine Sammlung an Nachschlagewerken und Quellen rund um die Zimbern angeschafft.

Im Jahr 1836 ist der renommierte deutsche Sprachforscher Johann Andreas Schmeller, der aus Rinnberg in der heutigen Gemeinde Rohrbach stammt, auf die Spur der Zimbern gestoßen und hat sich unter anderem mit ihrer Sprache befasst. Er hat schnell erkannt, dass das Zimbrische ein Mittelhochdeutsch bairisch-tirolerischer Ausprägung ist, das seit dem Hochmittelalter gesprochen wird. "Der Forscher räumte schon 1838 mit der sich seit dem 14. Jahrhundert auch unter vielen italienischen Nachbarn hartnäckig haltenden Theorie auf, die Cimbern seien ein versprengter Rest des gleichnamigen Germanenstamms der Zimbern, die vor 2000 Jahren in Oberitalien die Legionen des Konsuls Catulus geschlagen hatten, aber nur ein Jahr später durch den Feldherrn Marius bei Vercellae nahe dem heutigen Turin wieder aufgerieben wurden", so Rotts Erkenntnisse. Nach Schmellers Recherchen sei es belegt, dass in den Jahren 1053 und 1063 Untertanen der Bayerischen Benediktinerabtei Benediktbeuern auf der Flucht vor einer Hungersnot nach Oberitalien ausgewandert sind. Im Gepäck hatten sie nur wenige Habseligkeiten, doch trugen sie einen ganz besonderen Schatz mit: die älteste bekannte bairische Sprache, das Urbairisch.

Gebhard Rott ist selbst Heimatvertriebener, er kam als Bub aus dem Egerland zunächst nach Pfaffenhofen und hat dort auch erlebt, wie es ist, als Flüchtling neu anfangen zu müssen. Nach beruflichen Stationen in Memmingen, München und Salzburg verschlug es ihn schließlich in den Rupertiwinkel. Er kann nachfühlen, wie es für die damaligen Auswanderer war, in einem fremden Land Fuß zu fassen - so wie die Zimbern im Laufe der Geschichte mehrfach mit Verfolgung konfrontiert waren.

"Die ?Sieben Gemeinden' liegen auf dem Hochplateau nordwestlich von Vicenza in der Region Venetien. 13 Gemeinden weit südwestlich von den Sieben Gemeinden und Lusern und gehören zur Provinz Verona (Region Venetien). Auf derselben Hochebene wie die Sieben Gemeinden, jedoch etwa 30 Kilometer nordwestlich, südlich der oberen Valsugana und des Caldonazzosees in der Provinz Trient, Region Trentino-Südtirol, liegen weitere Gemeinden", erzählt Gebhard Rott. "Hier wird Lusern aufgrund der besonders isolierten Lage besondere Bedeutung beigemessen." Denn hier ist das Zimbrische am besten erhalten und wird von fast allen Einwohnern gesprochen.

Im Ort gibt es ein Kulturinstitut, das 2005 gegründet wurde. Mit dessen Präsidenten, Luigi Nicolussi Castellan, der auch stellvertretender Bürgermeister in Lusern ist, verbindet Gebhard Rott mittlerweile eine innige Freundschaft. Lusern besitzt neben einem Dokumentationszentrum mit regelmäßigen Ausstellungen auch einen zimbrischen Chor und bereits am Ortseingang werden Besucher mit einem Schild auf Italienisch, Zimbrisch und Hochdeutsch begrüßt. Und so verbringt der Aufhamer Ruheständler gerne mehrere Wochen im Jahr in Norditalien, um die Vorzüge dieser Region zu genießen: schöne Wanderungen, schmackhaftes Essen und guten Wein. Diese Genüsse werden gekoppelt an kulturelle Unternehmungen auf den Spuren der Zimbern: "Sie haben über 800 Jahre diese schöne Sprache behütet und sind es einfach wert, dass man ihnen deshalb große Achtung entgegenbringt."

PK

Maria Horn