Pfaffenhofen
Wohnen birgt sozialen Sprengstoff

Die Hälfte des Einkommens für die Miete - deshalb appelliert der Eigentümerverein an Familien: Baut jetzt!

21.11.2018 | Stand 25.10.2023, 10:33 Uhr
Referenten und HWG-Vorstand: Christian Spratter (von links) Armin Fischer, Gabi Wess, Georg Schaipp, Franz Hartl, Andreas Höckmayr, Elke von Behm, Dirk Möller und Hans Prechter. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) "Habt den Mut, eine Immobilie zu kaufen! Und zwar jetzt!" Mit diesem dringenden Appell wandte sich Vorstandsmitglied Franz Hartl auf der Jahreshauptversammlung des Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümervereins (HWG) vor allem an junge Familien.

Der Verein hatte Referenten gebeten, zu aktuellen Themen zu sprechen. Die trafen offensichtlich den Nerv, denn der große Saal des Moosburger Hofs war voll. Hartl, im Hauptberuf Geschäftsführer des Pfaffenhofener Bauträgers Hawo-Immobilien, ging der Frage nach, woran es wohl liegen könne, dass Deutschland beim selbstgenutzten Wohneigentum im europäischen Vergleich vor der Schweiz Schlusslicht ist: Nur 45 Prozent aller Wohnungen werden hier vom Eigentümer genutzt. Zum Vergleich: In Norwegen, Polen, Spanien oder Italien sind das um die 80 Prozent. Ein Grund, glaubt der HWG-Vorsitzende Georg Schaipp, ist sicher der Wunsch vieler jungen Leute, möglichst ungebunden zu sein. "Die eigene Immobile hat heute nicht mehr eine so große Bedeutung", vermutet er. Junge Leute wollten sich alle Optionen offen halten.

Das ist sicher ein Grund. Der sehr viel wichtigere: Wer nicht genug Eigenkapital auf der hohen Kante hat, für den ist eine Eigentumswohnung fast unerschwinglich geworden. Hartl rechnete vor, wie weit eine junge Familie mit 100000 Euro Eigenkapital kommt, wenn sie sich in Pfaffenhofen eine Drei-Zimmer-Eigentumswohnung mit 83 Quadratmetern im Wert von gut 400 000 Euro kaufen will - ein derzeit üblicher Preis. Mit Garagenplatz, Nebenkosten, Küche, Umzug kommen schließlich rund 500 000 Euro zusammen - bei einer Beleihungsgrenze der Bank von 300000 Euro. Wer, so Hartl, mit so wenig Eigenkapital bei der Bank wegen eines Hypothekendarlehens nachfragt, müsse sich auch die Frage gefallen lassen, wie alt denn sein Auto sei. Die Differenz könne möglicherweise ausgeglichen werden durch staatliche Zuschüsse. Bei einem Finanzierungsplan, der derart auf Kante genäht ist, darf nicht passieren: Der Job muss sicher sein, die Konjunktur muss laufen; in einer Region, die von zwei großen Autokonzernen abhängig ist, ein Wagnis. Und dennoch ermuntert Hartl zum Immobilienkauf, auch, wenn's erst mal eine alte Hütte sei. Wer erst noch weiter Eigenkapital ansparen will, mache bei Zinsen um die null Prozent und steigenden Preisen ein Minusgeschäft.

Schaipp fasste das Referat seines Vorstandskollegen so zusammen: "Die Reichen werden immer reicher, und wer nichts hat, der hat kaum Chancen." Er habe, erzählte er, bei der Bank einen Kredit aufnehmen wollen, damit seine Kinder bauen können. Keine Chance: Einem 60-Jährigen pumpen Banken so ohne Weiteres keine hohen Summen mehr. Schaipp plädiert deshalb für ein öffentliches Kreditprogramm, bei dem nicht die finanzielle Bonität des Bauherrn ausschlaggebend ist, sondern dessen soziale Bonität, ähnlich wie beim Einheimischen-Modell.

Wer Eigentum besitzt und es vermietet, ist auch nicht immer glücklich. "Wer von Ihnen hat den idealen Mieter", fragte Rechtsanwalt und Geschäftsführer des HWG Andreas Höckmayr in den Saal und löste damit ein breites Gelächter aus. "Eben. Der ideale Mieter kauft selber." Fast jeder siebte Mieter, schätzt man beim HWG, ist unzuverlässig. Selbst bei Zahlungsverzug sei zwar eine Kündigung möglich, "aber der Mieter bleibt in der Wohnung, zahlt nicht und verursacht eventuell noch Schäden". Durchschnittlich, weiß man beim HWG, dauert es zwei Jahre, bis eine Räumungsklage vollstreckt ist. Der Schaden, den der Mieter in dieser Zeit angerichtet hat, liegt durchschnittlich bei 20 000 Euro. Wenig verwunderlich, dass sich die Bereitschaft, privat Mietshäuser zu bauen, in engsten Grenzen hält. Schaipp macht dafür den Gesetzgeber verantwortlich, der zu restriktiv die Rechte der Vermieter einschränkt. Und nicht ganz von der Hand zu weisen ist das Argument, dass der Staat fast alles tut, damit selbst vandalisierende Mieter nicht so ohne weiteres auf die Straße gesetzt werden können - denn dann müsste er diesen Menschen ein Dach über dem Kopf bieten. Was er meist nicht kann, weil es viel zu wenige Sozialwohnungen gibt.

Höckmayrs Rat an die Versammlung: Im Vorfeld möglichst viele umfassende und aussagekräftige Informationen über den Mietbewerber einholen. Und kein Vertragsformular aus dem Internet runterladen oder im Schreibwarengeschäft kaufen, die seien oft veraltet. Juristisch aktuelle gibt's beim HWG, bei denen auch das oft strittige Thema Schönheitsreparaturen eindeutig definiert ist. Sei dieser Passus schwammig formuliert, müsse in 70 bis 80 Prozent aller strittigen Fälle der Vermieter zahlen.

Das Thema Bauen und Wohnen, davon ist Schaipp überzeugt, birgt sozialen Sprengstoff. Wenn mittlerweile 50 Prozent des Nettoeinkommens fürs Wohnen ausgegeben wird (bei derzeit niedrigen Energiekosten) und die Miete so hoch ist, dass davon auch, hätte man Eigenkapital, eine Hypothek abbezahlt werden könnte - dann wird bei vielen das Gefühl für soziale Gerechtigkeit überstrapaziert.

Albert Herchenbach