Pfaffenhofen
Wirkung statt oberflächlicher Schönheit

Interview zum Leben und Wirken des Malers Michael P. Weingartner

18.06.2021 | Stand 23.06.2021, 3:34 Uhr
Ein Motiv, das sich durch die Jahrzehnte zieht: "Zur Erinnerung + Dank an die Zeit des Rückzugs aus Russland" von Michael P. Weingartner, 1969. −Foto: Kraus

Pfaffenhofen - Die Kunsthistorikerin Karin Probst erzählt vom Leben, Wirken und aus heutiger Sicht manchmal befremdlichen Stil des bekannten Pfaffenhofener Malers Michael P. Weingartner. Fast sechs Jahrzehnte des künstlerischen Schaffens werden in der aktuellen Jubiläumsausstellung nachgezeichnet, die noch bis 8. August, seinem 25. Todestag, in der Kunsthalle zu sehen ist.

Michael P. Weingartner zählt zu den renommiertesten Malern Pfaffenhofens. Was macht ihn so besonders?

Karin Probst: Er ist der bedeutendste Maler der Nachkriegszeit und der erste Künstler, der in Pfaffenhofen aus einer existenziellen Notwendigkeit heraus gemalt hat. Nicht nur, weil er es wollte und konnte. Sondern weil er sein Geld damit verdienen musste - und das ab 1945 zu einer Zeit, in der die Menschen andere Sorgen hatten, als Kunst kaufen zu wollen.

Wie hat er es denn geschafft, der erste Berufskünstler der Nachkriegszeit zu werden?

Probst: Weingartner hatte den großen Vorteil, dass er schon in der Vorkriegszeit eine fundierte Ausbildung beim Kunstmaler Schober genoss und außerdem 1946/47 an der Akademie der bildenden Künste in München studieren konnte. Damit brachte er beides mit: sowohl das handwerkliche Können, als auch die künstlerische Ausbildung.

Bekannt ist Weingartner aber doch vor allem als Kirchenmaler, der über die Grenzen Bayerns hinaus Spuren hinterlassen hat?

Probst: In den 50er- bis 70er-Jahren hat er seinen Unterhalt vor allem damit verdient, Kirchen auszumalen - vom Erarbeiten ikonographischer Programme hin zur Wand- und Deckenmalerei. Dafür ist er über die Region hinaus bekannt geworden - und dafür hat er später auch das Bundesverdienstkreuz bekommen. Parallel dazu hat Weingartner aber immer Tafelmalerei betrieben. Da gibt es eine Anekdote: Bei Ausstellungen soll oftmals über ihn gesagt worden sein: "Und in seiner Freizeit malt er auch noch."

Auch an profanen Gebäuden hat er Fassadenmalereien und Mosaike geschaffen und so das Stadtbild geprägt. Aber diese oft heimattümelnden Motive verschwinden durch Abrisse.

Probst: Fassadenmalereien in dieser Form waren damals in den 50er- und 60er-Jahren "in". Das Heimattümelnde kommt sicher daher, dass die Bauherrn damals solche klassischen Motive bevorzugt haben. Wenn man seine Tafelmalerei vergleicht, merkt man aber, dass Weingartner durch seine akademische Bildung eigentlich eine andere Kunstauffassung hatte. Er hatte beispielsweise den Expressionismus kennengelernt und sich daran orientiert.

Spielen dabei auch seine Kriegserfahrungen eine Rolle?

Probst: Die kommen immer wieder vor. Er hat ein Motiv, das er 1942/43 an der Ostfront gemalt hat, als er in den Pripjet-Sümpfen zwischen der heutigen Ukraine und Weißrussland stationiert war. Er wiederholt es auch später immer wieder bis in die 70er- und 80er-Jahre. Es ist eine Mischung aus Prozessions- und Flüchtlingszug. Ein religiöser Aspekt verbunden mit der Aufarbeitung von Kriegserlebnissen. Ich würde aber nicht sagen, dass diese Malerei eine therapeutische Maßnahme war. Ganz im Gegenteil: Weingartner hat sich sehr ernsthaft mit der Kunstgeschichte auseinandergesetzt. Im Gegensatz zur anderen Malerei nach 1945 in Deutschland, die sofort abstrakt wurde oder in ganz andere Richtungen ging, hat Weingartner wieder nahtlos an die klassische Moderne angeknüpft - an den Expressionismus, manchmal den Impressionismus oder die Neue Sachlichkeit.

Trotz dieses Spektrums ist seine Malerei so charakteristisch, dass man seine Arbeiten insbesondere in Kirchen oft gleich erkennt?

Probst: So unterschiedlich seine Bildthemen auch sind: Letztlich erkennt man einen Weingartner immer - seine Malerei wirkt immer etwas flirrend, etwas unstet. Er hatte seinen ganz eigenen Stil. Wobei es aber nicht so ist, dass er stilbildend für die Kunstgeschichte gewesen wäre. Er hat rückgegriffen auf ältere Formen der Kunst. Also auf Max Beckmann oder Emil Nolde statt auf Malewitsch oder Kandinsky.

Viele seiner Arbeiten hängen heute in privaten Wohnzimmern oder Privatsammlungen.

Probst: Ja. Für unsere Ausstellung haben wir rund 100 private, aber auch öffentliche Leihgeber, etwa die Sparkasse, das Landratsamt oder die Stadt. Hinzu kommen größere Privatsammlungen, etwa aus München und Stuttgart. Weingartner profitierte von einer Art des Mäzenatentums. Seine Bilder wurden gern gekauft, er hat aber auch nebenbei die Immobilien der Sammler mit Lüftlmalereien gestaltet.

Wie kommt es dann, dass Weingartner in Vergessenheit zu geraten droht, wo er doch in Städten, Kirchen und Sammlung so vielfach vertreten ist?

Probst: Das liegt einfach daran, dass seine Arbeiten nicht mehr zeitgenössisch genug wirken. Das Auge der Menschen ist heute ästhetisch vollkommen anders geschult - die Bilder, die wir überall wahrnehmen, sind geglättet und geklärt. Weingartner hingegen baut nicht auf oberflächliche Schönheit.

Das Grobe, das ohne Detailverliebtheit seine Wirkung erzielt, wirkt heute eher befremdlich - das gilt auch für Kirchen wie Maria Schutz in Pasing. Wie kann man heute einen Zugang zu Weingartner finden?

Probst: Das Befremdliche kommt auch daher, dass die Menschen nicht mehr die gleiche religiöse Grundbildung haben wie bis zu den 70ern. Bayern war geprägt vom Kirchenjahr, jeder kannte seine Heiligen, der Namenstag war wichtiger als der Geburtstag. Daher kannten die Leute auch die religiösen Bildprogramme Weingartners. Heute ist das schwieriger, weil die Kunst Vermittlung braucht: Woher kommt sie, was ist die Idee hinter dem Motiv? Warum hat er gemalt, wie er gemalt hat?

In der Ausstellung sind rund 270 Arbeiten zu sehen. Wie finde ich hier diese Vermittlung?

Probst: Es gibt einen Rundweg, auch aufgrund der speziellen Auflagen. Die Besucher werden chronologisch durch die Ausstellung geführt. Die Kunsthalle ist so in vier große Bereiche aufgeteilt ist: Beginnend bei den frühen Werken begibt man sich über die religiöse Malerei zu den Blumen und Landschaften der 70er- und 80er-Jahre - und endet in den späten Jahren, unter anderem mit den ausdrucksstarken Selbstporträts. Den Zugang liefern dabei die Texttafeln mit Einführungen zum künstlerischen Werk und zur Biografie.

Das Gespräch führte Michael Kraus. Die Ausstellung in der Kunsthalle, Ambergerweg 2, ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Pfaffenhofen und des Neuen Pfaffenhofener Kunstvereins. Öffnungszeiten: donnerstags bis sonntags von 15 bis 18 Uhr. Der Katalog (25 Euro) ist ab 19. Juni erhältlich.

Zur Person

Karin Probst (48) ist studierte Kunsthistorikerin, lebt in Pfaffenhofen und ist Gründungsmitglied sowie stellvertretende Vorsitzende des Neuen Pfaffenhofener Kunstvereins. Sie ist Kuratorin der Ausstellung und hat, unterstützt von Hannah-Luisa Willibald, durch Gespräche mit Freunden und Verwandten des Künstlers das Wirken, Leben und Wesen Michael P. Weingartners aufgearbeitet und in einem 170-seitigen Katalog aufbereitet.

Über Michael P. Weingartner

Der Kirchen- und Kunstmaler Michael P. Weingartner (1917-1996), der zeitlebens in seiner Heimatstadt Pfaffenhofen wohnte und arbeitete, ist vor allem wegen seiner sakralen Wand- und Deckengemälde eine prägende Figur der Region. Etwa 250 Kirchen, Klöster und Profanbauten, die der Künstler mit Fresken, Gemälden und Mosaiken ausstattete, belegen sein beinahe unermüdliches Schaffen. Seine Ausmalungen finden sich beispielsweise in der Seminarkirche des Klosters Scheyern, der Stadtpfarrkirche Maria Schutz in Pasing und in der Sebastianskapelle in Allersberg. Überregional reicht sein Wirkungsradius bis nach Aachen, Freiburg und ins oberösterreichische Lambach. Neben seinen sakralen Arbeiten baute sich Weingartner als Maler und Zeichner von Blumenstillleben, Interieurs, Stadtansichten und Landschaften mit viel Geschick zur Selbstvermarktung einen florierenden Kunsthandel auf.

Vielen Pfaffenhofenern bleibt Michael P. Weingartner bis heute als bärtiger Mann im Gedächtnis, stets mit Zigarillo im Mundwinkel. Das "P" im Namen ist eine Hommage an seine geliebte Ehefrau Paula, die er mit 22 Jahren geheiratet hatte und die bis zu seinem Tod an seiner Seite blieb.

PK