Pfaffenhofen
Wegen fehlender Maske vor Gericht

51-Jähriger reist mit Anwältin aus Berlin an, weil er 250 Euro Bußgeld nicht zahlen will

13.11.2021 | Stand 25.10.2023, 10:37 Uhr
  −Foto: DK-Archiv

Pfaffenhofen - Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Streitwert: Weil er eine Strafe von 250 Euro nicht zahlen will, ist ein 51-Jähriger mit seiner Anwältin 600 Kilometer von Berlin zum Amtsgericht nach Pfaffenhofen angereist. Er hat Einspruch eingelegt gegen einen Bußgeldbescheid. Den hat er bekommen, weil er den Kassenraum der Shell-Tankstelle in Schweitenkirchen ohne Mund-Nasenschutz betreten hat. Was der Beschuldigte auch nicht bestreitet. Allerdings habe er gerade einen Schritt in den Shop gemacht und sei dann gleich wieder zurückgegangen. Eine Bagatelle, sagt seine Anwältin, 250 Euro seien da völlig überzogen.

 

Für ihren Mandanten geht es um mehr als ums Geld: Er sieht die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt und fühlt sein Gerechtigkeitsempfinden verletzt. Mit Querdenkern habe er nichts zu tun, erklärt er am Rande der Verhandlung, er und seine Freundin hätten sich schon sehr früh infiziert, noch vor dem ersten Lockdown im Frühjahr. Insofern sei er ein Genesener.

Vor gut einem Jahr im Oktober war Niklas P. (Name geändert) mit seiner Freundin unterwegs von Berlin nach Slowenien. Erster Tankstopp war in Schweitenkirchen. Als er zum Bezahlen den Shop betreten wollte, sei er von der Kassiererin gleich angeraunzt worden: Ohne Maske kein Zutritt! Was dann geschah, das demonstriert der Beschuldigte dem Richter. Er erhebt sich, macht einen Schritt nach vorn und dann gleich wieder zurück. "Einen Meter weit", sagt Niklas P., "war ich drin, weiter nicht." Seine Maske sei ihm in den Schmutz gefallen, erklärte er der Kassiererin, er könne sich ja sein T-Shirt vor die Nase halten. Das wurde abgelehnt. Genauso wie der Vorschlag, er könne ja auch die Luft anhalten, bis er bezahlt habe. Keine Chance, die Tankstellen-Mitarbeiterin bestand auf einer ordentlichen Atemmaske. Dazu hätte Niklas P. in seinem Gepäck kramen müssen, und dann wäre seine Freundin aufgewacht, die im Auto schlief. "Ich habe es auch nicht ganz nachvollziehen können", sagt Niklas P. Außer ihm seien keine weiteren Kunden im Shop gewesen, die er möglicherweise hätte infizieren können, und die Kassiererin sowie eine weitere Mitarbeiterin hätten hinter einer Plexiglasscheibe gestanden. Völlig unverständlich wurde für ihn die Situation, als die Kassiererin ihm angeboten habe, er könne ja eine Packung Masken hier im Shop kaufen, eine überstreifen und dann zur Kasse kommen. "Das habe ich abgelehnt, ich hatte ja genügend Masken im Auto." Das Wortgefecht eskalierte, als die Mitarbeiterin ihm vorgehalten habe, Typen wie er seien schuld daran, dass eine ihrer Verwandten an Corona gestorben sei.

Die ganze Zeit über, sagt Niklas P., habe er in der Tür gestanden und den Laden nicht betreten. Sein Geld sei er nicht losgeworden. Schließlich habe die Kassiererin die Polizei gerufen. "Ich habe 20 Minuten gewartet", sagt der 51-Jährige. Nachdem seine Freundin schließlich die Rechnung bezahlt hatte, "sind wir gefahren".

Die Argumente überzeugen den Richter nicht. "Ich verstehe den ganzen Zauber nicht." Die Verordnung nach dem Infektionsschutzgesetz sei eindeutig. Und ob noch andere Kunden im Verkaufsraum waren, spiele keine Rolle, weil sich ohne Maske Aerosole im Raum ausbreiten. Aber er habe doch den Shop gerade mal mit nur einem Bein betreten, sagt der Beschuldigte. Die Fotos einer Video-Aufzeichnung stützen allerdings nur bedingt seine Aussage: Sie zeigen ihn im Shop. Auch die Kassiererin ist als Belastungszeugin keine große Hilfe. Das alles sei ja schon ein Jahr her, an Details könne sie sich nicht mehr erinnern, aber sie lasse niemanden ohne Maske herein, auch ein Attest, das von dieser Pflicht befreit, akzeptiere sie nicht. In jener Nacht sei sie allein gewesen, und in dem Shop hätten sich durchaus noch andere Kunden aufgehalten. Die allerdings sind auf den Fotos nicht zu sehen.

Die Anwältin beantragt, das Verfahren einzustellen. Weil der Richter ihr nicht folgt, stellt sie einen Beweisantrag: Sie möchte das Gutachten eines Wissenschaftlers einholen, der erklären könne, dass die "Alltagsmasken" zur Virenabwehr ungeeignet seien. Was nicht ganz von der Hand zu weisen ist, denn andernfalls würde ja die FFP2-Maskenpflicht, wie sie jetzt vorgeschrieben ist, keinen Sinn machen. Außerdem möchte sie die komplette Video-Aufzeichnung einsehen.

Der Richter setzt das Verfahren aus. Niklas P. wird mit seiner Anwältin in vier Wochen erneut zu einem weiteren Verhandlungstermin aus Berlin anreisen. Das ist es ihm wert, sagt er, auch wenn er mit einem Netto-Monatsgehalt von gerade mal 1700 Euro nicht gerade auf Rosen gebettet ist.

PK

 

Albert Herchenbach