Pfaffenhofen
Von den Virologen zu "Wirrologen"

Premiere für Stachelbär-Trio: Erster Online-Auftritt vor bis zu 1000 Zuschauern

28.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:41 Uhr
Vollblutkabarettisten voll in Fahrt: Claus Drexler (von links), Roland Andre und Michael Eberle meisterten ihren ersten Online-Auftritt mit Bravour. Bis zu 1000 User verfolgten den Kabarettabend an den heimischen PCs. Gut geschützt vor Corona-Infektionen "dank des Virenscanners im Computer", wie Roland Andre witzelte. −Foto: Steininger

Pfaffenhofen - "In die Jahre gekommen" sind nach eigener Behauptung zumindest drei der fünf Stachelbären, aber Satire altert nicht. Einen gelungenen Nachweis dafür lieferten Roland Andre, Michael Eberle und Claus Drexler per Livestream auf der Bühne des "intakt Musikinstituts".

 

Rund 500 Endgeräte waren im Laufe des Auftritts zugeschaltet, mit bis zu tausend Usern, vermutet Michael Herrmann, verantwortlich für Ton und Gesamtleitung. Also doch ein großes Auditorium, auch wenn die Protagonisten ohne ein physisch anwesendes Publikum auf der Bühne agierten.

Aber das Trio 3/5 Stachelbär, diesmal ohne Brigitte Moser und Volker Bergmeister, besteht aus ausgekochten Bühnenprofis, die auch vor drei Kameras ein Kabarett vom Feinsten boten: Bissig, pointiert und dem Volk aufs Maul geschaut. Das saß zuhause vor dem PC, geschützt vor Corona-Infektionen, "dank des Virenscanners im Computer", meinte Roland Andre. Claus Drexler allerdings vermisste den Applaus, aber den habe der ohnehin noch nie gekriegt, stellte Andre lapidar fest.

 

Auf ein Jahr voller Veränderungen blickte Claus Drexler voll Ironie zurück, mit den ganzen Auswüchsen während des ersten Lockdowns, vom Horten des Klopapiers bis zur Hefe zum Selberbacken. Irritiert war Drexler von dem Hinweis "Bitte 1,50 Meter Abstand halten" über dem Pissoir der Herrentoilette. Über seine Jugendjahre sinnierte Michael Eberle: "Früher hatten wir Angst vorm Russ', heute vorm Virus". "Früher Bundeswehr, heute Bundesvirologen", spann er den Faden fort. Die gebe es in Überzahl, sie würden ständig ihre Meinung ändern und daher oft schon als "Wirrologen" bezeichnet. Auch an den Ministerpräsidenten und -innen ließ er kein gutes Haar: die lieferten sich einen Wettstreit um die Spitze der "Umfallstatistik" mit ihrem ständigen Hin und Her zwischen Lockdown und Lockerung. "Mit Ausnahme vom Söder, dem Ministranten der Merkel". Söder habe jahrelang gegen Gesichtsverschleierung gewettert, "aber heute trägt er sie selber". Früher galt ein Vermummungsverbot, heute müsse man sich vermummen, um demonstrieren zu dürfen. Und Eberle, der "seit Jahrzehnten die CSU gefressen hat", war plötzlich der Meinung, "der Söder macht einen guten Job". Und Bayern mache sowieso alles anders nach der Devise "Pandemir san mir". Das Impfen aber hätte man komplett an Aldi vergeben sollen. "Die können Kampagnen, haben die Logistik und hätten für genügend Impfstoffe zum Schnäppchenpreis gesorgt".

Ernste Töne waren angesagt, als Eberle von seinen Diskussionen mit Anti-Corona-Demonstranten berichtete, die sich ihre Meinungen aus obskuren Internetquellen bilden. "So ein Virus kann zwar die ganze Welt in den Ruin treiben, aber die menschliche Dummheit leider nie ausrotten".

 

Aber auch die "Zuagroasten" bekamen von Andre und Drexler ihr Fett ab: Die hätten oft Doppelnamen, machten sich im Beirat des Kindergartens breit und ernährten sich von homöopathischen Globoli, wer die auch immer "den Zuagrosten odraht", meinte Drexler mit Seitenblick auf Apotheker Roland Andre.

Mitten aus dem Leben gegriffen war der Sketch zwischen Drexler und Andre, als Roland Andre sich verzweifelt bemüht, sich an den Namen eines gemeinsamen Bekannten zu erinnern. "Der Dings da, der von da unten, der in der oana Firma arbat, die so Sachan macha" versucht Andre, dem Drexler auf die Sprünge zu helfen. Das alles kennt man vom eigenen Erleben, wie auch Andres pandemiebedingte Erfahrungen vom Einkaufen bei Amazon. Da wird der Kauf eines Schwingschleifers zum Liefer-Marathon und endet in einem Do-it-yourself-Desaster. Aber auch der Umgang mit Schutzmasken ist ein Thema für Drexler, der die Masken so oft wechsle wie seine Unterhose: "Jeden Mittwoch, dann vergisst man's nicht".

 

Völlig skurril der Sketch mit Drexler und Eberle, der einen ängstlichen Hypochonder spielt, mit bemitleidenswerter Mimik und Gestik. Grund dafür ist Drexler, der genüsslich und in sadistischer Weise mit Hygiene-Horrorgeschichten den Eberle schier in den Wahnsinn treibt.

Ein Programm, das ein Live-Publikum und die bierselige Atmosphäre des Stockerhofs wie die Jahre zuvor absolut verdient hätte. Aber man muss Michael Herrmann als Chef des intakt Musikinstituts danken, dass er mit seinem Engagement die Kultur am Leben erhält. Herrmann sorgte für den guten Ton, für Kamera, Schnitt und Regie gekonnt wie ein Profi Maren Tyll (16), die Livemusik mit Thomas Lechleuthner am E-Piano schaffte einen schwungvollen, rhythmischen Kontrast zu den Wortbeiträgen. Kurzum: Die Stachelbären, wie man sie kennt und liebt.

"Gar nicht so schlimm" lautete das Resümee von Michael Eberle über das Gefühl beim ersten Online-Auftritt der Stachelbären. Roland Andre bemerkte, er habe "im Vorfeld größte Sorgen gehabt. Aber nach der ersten Szene hat man vergessen, dass da kein Publikum vor einem sitzt". "Wir waren ein Jahr aus dem Kabarett so richtig raus", sagte Claus Drexler. "Der Aufwand aber würde eine Wiederholung eventuell im Kultursommer oder im Herbst durchaus rechtfertigen".

PK

Hans Steininger