Pfaffenhofen
Vierspännig auf Kräutersuche

Albert Wilhelm bietet zusammen mit dem Wildnispädagogen Christian Rachl ganz spezielle Kutschfahrten an

09.09.2020 | Stand 02.12.2020, 10:36 Uhr
Die Kräuter-Kutschfahrten stoßen auf großes Interesse. Vierspännig geht es in die Natur. −Foto: Bendisch

Pfaffenhofen - Schorsch, Bavaria, Dimitri und Bonita zeigen sich von ihrer besten Seite, die Hufe glänzen frisch gefettet: Vierspännig geht es an der Weiberrast auf zur Kräuter-Kutschfahrt Richtung Wolfsberg. Eine schöne Idee in Corona-Zeiten und ganz sicher mehr als eine "Notlösung für Daheimgebliebene".

Albert Wilhelm und seine süddeutschen Kaltblüter sind bei vielen Anlässen ein Hingucker; die Kutschfahrten werden gern gebucht: "Standesamt, Taufe oder Beerdigung, das haben wir alles schon gemacht". Seit 1996 gehört jede freie Minute seinen Pferden; auch das Heu für die Tiere macht er selbst. Wilhelm stammt aus einem landwirtschaftlichen Betrieb, arbeitete in der Medizintechnik und brauchte einen Ausgleich: "Körperlich und mental - und den hab ich gefunden".

Hallertau statt Hurghada: Das Coronavirus veranlasst die Menschen, auf weite Reisen zu verzichten und stattdessen die Schönheit der Heimat wieder zu entdecken. Und auch so manches fast schon in Vergessenheit geratene Pflänzchen, denn gemeinsam mit dem Wildnispädagogen Christian Rachl bietet Albert Wilhelm nun auch Kräuter-Kutschfahrten an: "Das stieß sofort auf Interesse".

Die Corona-Regeln müssen natürlich eingehalten werden, deshalb trennt nun eine Plexiglasscheibe den Kutscher von den Passagieren. Wenn ein Familienverbund einsteigt - wie bei der reinen Damenriege am vergangenen Samstagnachmittag - ist die Fahrt ins Grüne auch in schwierigen Zeiten ganz unbeschwert. Zwischendurch aussteigen muss niemand - außer Kräuterfachmann Rachl, der für jeden einzelnen Teilnehmer Anschauungsmaterial pflückt. Für Kinder hat der Natur- und Landschaftspfleger auch stets eine Becherlupe zum Krabbler-Gucken dabei und zeigt, was man aus Weidenrinde machen kann.

Rachl, der auch Wildnis- und Naturfreizeiten für Kinder organisiert, als geprüfter Imker nachhaltige Bienenhaltung betreibt und als Fledermausberater tätig ist, hatte nie mit Plastik was am Hut: "Ich bin in der Natur aufgewachsen; die Eidechsen waren meine Spielgefährten".

Er freut sich, wenn die Passagiere schon Vorwissen mitbringen: "Eigentlich sind es die meisten; die Resonanz ist wirklich gut". Rainfarn, Goldrute und die Beeren der Eberersche leuchten in prächtigen Spätsommerfarben, Albert Wilhelm - "fast hätte ich meinen Hut vergessen, das darf bei einem Kutscher nicht sein" - wirft noch einen Blick in den Rückspiegel und ab geht die Post. Das darf man bei einer Teilnehmerin ganz wörtlich nehmen: Karin Post hat sich schon sehr auf die Tour mit dem Vierspänner gefreut. Einmal hat sie eine Kutschfahrt gebucht, weil sie ein Abschiedsgeschenk brauchte - "Das hat den Beschenkten sehr gut gefallen" - die nächste spendierte sie den Gästen an ihrem Geburtstag: "Ich blieb daheim und habe mich um das Essen gekümmert". Jetzt kann sie selbst die Fahrt genießen.

Neue Pflanzen wie das indische Springkraut sind eingewandert und inzwischen aus der Landschaft nicht mehr weg zu denken; viele "Alteingesessene" blühen fast schon im Verborgenen. So könne man die echte Kamille nur noch an einigen Stellen antreffen, berichtet Christian Rachl und erklärt, wie man sie von der Falschen unterscheidet. Früher wuchs das Seifenkraut in jedem Bauerngarten, aber heute kann sich kaum jemand an seine Anwendung erinnern: Die Wurzel wurde ausgekocht und mit dem Sud die Wäsche gewaschen. Für eine aus Russland stammende Teilnehmerin wurde die Kräuterfahrt unlängst zum Aha-Erlebnis: "Meine Oma hat es im Garten und benutzt es!" Die Länge der Kräuter-Kutschfahrt ist überschaubar und daher auch für ältere Senioren gut geeignet; über die Treppe klappt das Einsteigen problemlos. Und beim Blick von oben über die Holledau geht allen das Herz auf.

PK