Geisenfeld
Die Umgehung als "einzige Chance "

Das Geisenfelder Verkehrskonzept ist fertig - und wird im Stadtrat kontrovers diskutiert

18.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:49 Uhr

Geisenfeld (GZ) Die Umgehungsstraße ist das beherrschende Thema der Geisenfelder Lokalpolitik schlechthin. So war es auch wenig verwunderlich, dass die finale Präsentation des Verkehrskonzepts im Stadtrat wieder einmal in eine Grundsatzdebatte ausgeartet ist - in einem teilweise durchaus scharfen Ton.

Es waren klare Worte, die Robert Ulzhöfer als verantwortlicher Planer vom Büro Stadt-Land-Verkehr am Donnerstagabend gefunden hat. "Die Zahlen sind wenig erfreulich", fasste er die Untersuchung zusammen, die er im Rahmen des Isek-Konzepts vornehmen sollte. Mitte Mai vergangenen Jahres wurden die Fahrzeuge in Geisenfeld gezählt, die Autofahrer befragt, eine Haushaltsbefragung vorgenommen. Was dabei herausgekommen ist, verwundert sicher niemanden, treibt einem mit Blick auf die Zukunft aber trotzdem die Sorgenfalten auf die Stirn. "Die Bevölkerung wird bis 2030 um weitere zehn bis zwölf Prozent wachsen, der Binnenverkehr zunehmen und der Durchgangsverkehr um bis zu 50 Prozent steigen", sagte Ulzhöfer. Für die Maximilianstraße werde das ein Aufkommen von bis zu 18000 Fahrzeugen täglich bedeuten. Aktuell sind es 13000. Und der gesamte Innenstadtbereich mit der Augsburger Straße, der Münchener Straße, der Nöttinger Straße und der Regensburger Straße werde ähnlich stark belastet sein. "Eine Umfahrung von der Münchener über die Augsburger bis zur Nöttinger Straße ist unumgänglich", lautete das Fazit des Verkehrsexperten. Diese Umfahrung habe das Potenzial, etwa 5000 Fahrzeuge abzufangen. Der Rest bleibe im Geisenfelder Straßennetz. "Das würde aber zumindest den Zuwachs kompensieren", meinte der Planer.

Eines sei sicher: Eine noch vergleichsweise gute Verkehrssituation wie um das Jahr 2000 herum könne Geisenfeld nie wieder erreichen. "An der Augsburger Straße mit offenem Fenster schlafen - das wird nie wieder gehen." Dennoch könne die Umgehung eine Entlastung bringen. "Und zwar was den Schwerlastverkehr betrifft. Denn der ist schon erheblich - und er wird es immer mehr." Ein Anteil von großen Lastern im Stadtverkehr von vier bis fünf Prozent sei normal. "Geisenfeld hat aber das Dreifache davon", berichtete Ulzhöfer. Träfen die Prognosen ein und geschehe beim Straßenbau nichts, würde der Verkehr auf der Augsburger und der Regensburger Straße zusammenbrechen. An der Steinbräu-Ampel und der Stadtplatzkreuzung sei Geisenfeld mit seinem Latein am Ende. "Nimmt das Aufkommen zu, ist ständig minutenlanges Warten angesagt - noch weit schlimmer als jetzt."

Für keine gute Idee hält der Planer den Vorschlag, die Grabengasse aufzuweiten, weil es die Situation an der Augsburger Straße noch prekärer gestalte und für die Maximilianstraße keine spürbare Entlastung bringe. Ein Durchfahrverbot für den Schwerlastverkehr hält Ulzhöfer zudem für nicht umsetzbar. "Eine Tonnagebegrenzung ist so gut wie unmöglich und soll künftig gar nicht mehr machbar sein", erzählte er. Und auch die unterschiedliche Höhe der Maut auf Bundesstraßen und Autobahnen werde nicht ausreichen, um die Lastwagen zurück auf die Autobahn zu bewegen. "Die einzige Hoffnung ist die Umgehung", wurde er deutlich. Womöglich könne die Augsburger Straße dann zu einer städtischen Straße umgewidmet und für Lastwagen unattraktiv gestaltet werden. Für den Ziel-Quell-Verkehr müsse man auf einen parallelen Ausbau des Busnetzes setzen. "Und für den Binnenverkehr kann ich nur ein Umdenken und Umerziehen anraten", so Ulzhöfer weiter. Die Menschen sollten in die Innenstadt mehr zu Fuß gehen und häufiger mit dem Rad fahren. "Das ist mühsam und man braucht dazu einen langen Atem - aber es ist zumindest eine Chance."

Den meisten Stadträten gefielen diese Erkenntnisse natürlich nicht besonders. Und die folgende Debatte wurde hitzig geführt. Wolfgang Hollweck von den Unabhängigen Sozialen Bürgern (USB) forderte, bei Toll Collect vorstellig zu werden, um die Mautunterschiede deutlicher zu gestalten. "Wir sollten da mal vorfühlen, damit vielleicht doch mehr Laster auf die Autobahn ausweichen." Sebastian Zimmermann von der Initiative Lebendiges Miteinander (ILM) schlug vor, die Umgehung gleich ganz um die Stadt herum bis zur Regensburger Straße zu führen, um eine wirkliche Entlastung vom Schwerverkehr zu erwirken. Und eine zusätzliche Straße vom Aldi-Kreisel ins neue Wohngebiet an der Hallertauer Straße brachte Zimmermann auch noch ins Spiel, um dem Binnenverkehr zumindest eine alternative Ausweichstrecke zu ermöglichen.

Dann ergriff Hans Schranner (CSU) das Wort - und damit der oberste Gegner der geplanten Umfahrung. Er stellte zunächst die gesamte Verkehrszählung in Frage, weil am 15. Mai 2017 die B16 gesperrt gewesen und damit die Erhebung verfälscht worden sei. Trotz Ulzhöfers Bedenken erwartet sich Schranner einen enormen Effekt durch die Mauterhebung auf Bundesstraßen, was die Situation in seinen Augen ganz von alleine verbessere. Und dann brachte der CSU-Fraktionssprecher noch eigene Überlegungen ins Spiel, wie sich die Situation beispielsweise durch einen Umbau der Autobahnauffahrt bei Langenbruck und weitere Maßnahmen verändern ließe. Wolfgang Hollweck fiel ihm daraufhin ins Wort. "Ja, Herr Bundesverkehrsminister", sagte er mit sarkastischem Unterton. "Nur Träumereien."

Schranners Ausführungen brachten die anderen Fraktionen in Rage. Paul Weber (USB) sah in der Umgehungsstraße "Geisenfelds einzige Chance". Auch Christian Alter (FW) sagte klar, dass seine Fraktion daran festhalte. "Wir brauchen die Umgehung", meinte er. Allerdings missfalle ihm, dass er seit vier Jahren immer nur höre, dass dieses Planfeststellungsverfahren laufe - und sonst nichts. "Mir fehlt da der Nachdruck, wir sollten mehr Gas geben."

Erich Erl (FW), der als Dritter Bürgermeister die Sitzung leitete, fasste das Gehörte zusammen. "Wir nehmen das Konzept als Grundlage, auch wenn da viel Arbeit drinsteckt", sagte er. "Nichts zu machen und nur zu warten ist sicher der falsche Weg. Denn wir ersticken an der Prognose - und an der Realität." Angesichts einer derart massiven Verkehrssituation sei jede städtebauliche Aufwertung sowieso vergebens. Am Ende der Sitzung nahm Edith Schultz (CSU), die zuvor Hollwecks Zwischenrufe hart kritisiert hatte, Stellung. "Ich will nur hinweisen, dass sich auch Teile der CSU klar hinter das Planfeststellungsverfahren gestellt haben."

Patrick Ermert