Pfaffenhofen
Straffreiheit für rücksichtslosen Drängler?

Taxifahrer wegen Nötigung angezeigt - Pfaffenhofener Gericht kann nicht nachweisen, wer gefahren ist: er oder sein Vater

04.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:14 Uhr
Drängler auf der Autobahn können schlimme Unfälle verursachen. In Pfaffenhofen steht nun ein mutmaßlicher Drängler vor Gericht. Allerdings konnte das Gericht bisher nicht zweifelsfrei klären, wer das Auto gefahren ist. −Foto: Symbolfoto/dpa-Archiv

Pfaffenhofen - Geht ein rücksichtslos drängelnder Taxifahrer straffrei aus, weil ihm das Pfaffenhofener Amtsgericht nicht nachweisen kann, dass er es war, der am Steuer saß? Ihm wird vorgeworfen, vergangenen Oktober auf der A9 Richtung Ingolstadt einen anderen Fahrer massiv bedrängt zu haben.

 

"Ich habe niemanden bedrängt", beteuert der Angeklagte, der sich das Taxi mit seinem Vater teilt. Also war's der Vater? Der ist nicht verdächtigt und auch nicht angeklagt worden. Aber einer der beiden muss ja das Taxi zum fraglichen Zeitpunkt gelenkt haben. Wer - das muss jetzt das Amtsgericht Pfaffenhofen herausfinden, denn eine Verurteilung beider Fahrer, die sich dann die Strafe teilen können, sieht das Strafrecht nicht vor.

"Plötzlich Lichthupe und Blinker"

Donnerstagabend im vergangenen Oktober abends gegen halb acht auf der A 9 Richtung Ingolstadt. Dichter Feierabendverkehr auf allen drei Fahrspuren. Sebastian P. (alle Namen geändert) ist mit seiner Frau auf dem Heimweg nach Ingolstadt. "Mit 130, vielleicht 140 km/h", erklärt er als Zeuge vor Gericht, sei er auf der linken Spur gefahren. "Plötzlich betätigt der Fahrer hinter mir immer wieder die Lichthupe und setzt den Blinker." Aber der 42-Jährige kann wegen des dichten Verkehrs nicht nach rechts auf die mittlere Spur, "da hätte ich abbremsen müssen, und das war mir zu gefährlich", und schneller fahren kann er auch nicht wegen der vorausfahrenden Fahrzeuge. Den Fahrer hinter ihm schert das überhaupt nicht. Er blinkt, betätigt die Lichthupe und fährt so dicht auf, "dass ich nicht mehr seine Scheinwerfer im Rückspiegel sehen konnte", sagt Sebastian P. "Der klebte mir am Kofferraum." Seine Frau sitzt neben ihm. "Ich hatte Angst", erklärt sie, "wenn wir hätten bremsen müssen, wäre es unweigerlich zu einem Unfall gekommen."

Schließlich kann der 42-Jährige nach rechts in die mittlere Fahrspur einschwenken. Der Fahrer hinter ihnen zieht links vorbei und schert dann so dicht auf die rechte Fahrbahn vor ihm ein, dass Sebastian P. fürchtete, "er würde meinen Wagen touchieren". Jetzt erkennt er, wer ihn so bedrängt hat: Ein Taxi mit Ingolstädter Kennzeichen, den Fahrer allerdings können er und seine Frau wegen der Dunkelheit nicht erkennen. Er zeigt den Fahrer wegen Nötigung an, "weil drei Tage zuvor an der selben Stelle ebenfalls wegen Drängelei ein 22-Jähriger bei einem Auffahrunfall ums Leben gekommen ist".

"Niemanden bedrängt"

Zwei Stunden später klingelt bei dem Taxifahrer das Telefon, "ein Polizist", erklärt Fabian A., der jetzt auf der Anklagebank sitzt, "erkundigte sich, ob ich an diesem Abend gefahren sei. Ich habe ihn gefragt, warum er das wissen wolle, aber er hat mir den Grund nicht genannt." Er sei dann "ein wenig emotional" geworden, gesteht der Angeklagte, der einräumt, an diesem Abend gefahren zu sein. Die Staatsanwaltschaft schickte ihm daraufhin einen Strafbefehl, gegen den der Taxifahrer Einspruch einlegte. Er habe niemanden bedrängt, auch nicht die Lichthupe betätigt, und er wisse nicht mehr, wer zu dem fraglichen Zeitpunkt hinterm Lenkrad saß, weil er sich mit seinem Vater abwechselte. Die beiden hatten einen Shuttle-Service zwischen Wolnzach und Ingolstadt eingerichtet für Firmenangehörige, die zu einer Feier eingeladen waren.

Amtsrichterin Katharina Laudien hält ihm seine Aussage vor der Polizei vor: Da habe er angegeben, dass er um halb acht das Taxi gefahren habe. Nein, beharrt der Angeklagte, er habe lediglich ausgesagt, an diesem Abend gefahren zu sein; ob zum fraglichen Zeitpunkt, wisse er nicht.

Staatsanwältin Julia Eser schaltet sich ein. Ob er ein Fahrtenbuch führe? Nein, sagt der Angeklagte. "Haben Sie Ihrem Vater von dem Telefonat mit der Polizei erzählt?" - "Ja." - "Und, was hat Ihr Vater dazu gesagt?" - Fabian A. fixiert die Staatsanwältin und hält ihrem Blick stand: "Das will ich nicht sagen."

Die Richterin vertagt die Verhandlung: Für den nächsten Termin in zwei Wochen lädt sie den Polizeibeamten vor und Fabians Vater. Ob der Licht ins Dunkel bringt ist fraglich: Als Angehöriger des Angeklagten kann er die Aussage verweigern; und sich selbst zu beschuldigen, dazu ist nach deutschem Strafrecht niemand verpflichtet.