Wolnzach
Sonderfall "Wolnzacher Straße"

Namensdoppelung in zwei Ortsteilen besteht bis heute - trotz Umbenennungsaktion vor 24 Jahren

19.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:42 Uhr
Eine Wolnzacher Straße gibt es in Gosseltshausen und in Niederlauterbach. Gleiche Adressen findet man deshalb in beiden Wolnzacher Ortsteilen, was - das monieren Anwohner in Niederlauterbach - zu häufigen Verwechslungen vor allem bei Post, Paketdiensten und Speditionen führt. −Foto: Trouboukis

Wolnzach (WZ) Wer die Wolnzacher Straße sucht, der ist in Gosseltshausen richtig - oder aber in Niederlauterbach. Damit ist diese Straße ein echter Sonderfall: Denn 1995 wurden gleich lautende Strecken im Gemeindebereich eigentlich umbenannt. "Handlungsbedarf" sieht Bürgermeister Jens Machold (CSU), nachdem das Thema in der Bürgerversammlung Niederlauterbach angesprochen wurde.

Dass es sich dabei um ein heißes Eisen handelt, ist ihm klar. Schließlich sei von einer Adressänderung keiner begeistert, wie er sagt. Verständlicherweise, denn damit komme auf die Betroffenen "ein Haufen Aufwand" zu. Man wolle auch nicht, dass sich eine Seite als Verlierer fühlt, deshalb müsse so etwas an einem Tisch besprochen und entschieden werden, das betonte Machold in der Bürgerversammlung (WZ berichtete). "Es ist auf jeden Fall Handlungsbedarf da", so der Bürgermeister gegenüber unserer Zeitung. Man werde sich deshalb verschiedene Entscheidungskriterien wie zum Beispiel Straßenlänge und Zahl der Anwohner anschauen. Wichtig ist in seinen Augen vor allem, dass es bei Rettungsdiensten, bei Polizei, Feuerwehr und Notärzten keine Missverständnisse gibt, die fatale Folgen haben könnten.

In den zwei Ortsteilen liegt die Wolnzacher Straße da, wo man sie auch vermutet: am Ortseingang von Wolnzach kommend. In Niederlauterbach lebt dort unter anderem die Familie Pauly, hat in der Straße nicht nur ihr Wohnhaus mit Raumausstatter-Werkstatt und Ladengeschäft, sondern daneben liegt auch das elterliche Anwesen, Tochter Martina betreibt - ebenfalls in der Wolnzacher Straße - ihr Friseurgeschäft. Mit den drei Hausnummern, die auch in Gosseltshausen existieren, gebe es schon jahrelang Verwechslungen. "Wir sind eigentlich fast täglich damit konfrontiert, es ist echt ein Drama", berichtet Brigitte Pauly. Deshalb hat die Familie das Thema auf der Bürgerversammlung vorgebracht.

Die Post sei dabei das geringere Problem, da die Zusteller in der Regel ortskundig sind. "Das Schlimmste sind die Paketdienste und Speditionen", so Pauly. "Im Zeitalter des Navi werden die fast alle nach Gosseltshausen geleitet", so ihre Erfahrung. Werden sie dort ihre Lieferung nicht los, nehmen sie diese häufig einfach wieder mit - wenn sie sie nicht schon an der falschen Adresse abgeladen haben. Aber auch umgekehrt kamen bei Paulys schon Sendungen an, die eigentlich in das andere Dorf gehörten - vor Kurzem wurde nicht nur ein Baucontainer abgestellt, sondern man wollte sogar einen Estrich liefern. Einmal bekam die Familie von einer Behörde Lagepläne zugeschickt, mit denen sie trotz allen Drehens und Wendens nichts anfangen konnte. Kein Wunder: Es handelte sich um die Grundstückspläne der entsprechenden Hausnummern in Gosseltshausen.

Um genau solche Verwechslungen zu vermeiden, erfolgte im Jahr 1995 eine größere Umbenennung von mehrfach vorkommenden Straßenbezeichnungen im Gemeindebereich Wolnzach. Damals waren gerade die neuen, fünfstelligen Postleitzahlen eingeführt worden. "Nachdem bei den postalischen Anschriften immer öfter nur noch der Hauptwohnort Wolnzach erwähnt wird, kommt es bei den Postzustellungen zu ständigen Problemen", heißt es in einem Gemeinderatsbeschluss vom Januar 1995. Zehn Straßen waren demnach betroffen, die es mehrfach gab und für die neue Bezeichnungen gefunden werden sollten. In den meisten Fällen folgte man dem Vorschlag der Verwaltung, nach dem der jeweils längere Straßenzug den angestammten Namen behalten durfte. In anderen Fällen ging es nicht so reibungslos wie gedacht über die Bühne, die geplante Umbenennung sorgte nämlich für einige Aufregung unter den Bürgern. So hieß es in der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom Februar 1995, dass es in mehreren Ortsteilen "noch keine klare Meinung" gebe.

Eine Wolnzacher Straße existierte bis dahin übrigens nicht nur zwei Mal, sondern gleich vier Mal im Postleitzahlenbereich 85283, der früher einmal die 8069 hatte: Neben Gosseltshausen und Niederlauterbach hatten auch Königsfeld und Oberlauterbach eine Straße mit diesem Namen. Relativ schnell war eine Lösung für Oberlauterbach gefunden, dort ging die Wolnzacher Straße in der Mainburger Straße auf. In Königsfeld einigte man sich auf eine Umtaufe in Starzhausener Straße.

Bleibt die Frage, warum es in Gosseltshausen und Niederlauterbach zu keiner Lösung kam. "Aus den Akten ist das nicht mehr nachvollziehbar", erklärt Bürgermeister Machold auf Anfrage. Das bestätigt gemeindlicher Geschäftsführer Markus Rieder. Laut Gemeinderatsbeschluss sollte es wohl noch Ortsversammlungen dazu geben, ob diese stattgefunden haben, sei ihm nicht bekannt. "Ich gehe davon aus, dass das irgendwann schlichtweg vergessen wurde", vermutet Machold. Ähnliches sagt Josef Aigner als Anwohner der Wolnzacher Straße - in Gosseltshausen: "Das Ganze ist wohl irgendwie eingeschlafen." Nach seinen Angaben hat die Gemeinde damals zwar die Zahl der betroffenen Anwohner in beiden Ortschaften ermittelt, demnach hätte laut Aigners Erinnerung Niederlauterbach den Kürzeren gezogen und die Straße umbenennen müssen - was aber letztlich nicht passiert ist. Es habe halt keiner gern nachgeben wollen. "Und dann ist es irgendwie liegen geblieben", sagt er.

Josef Aigner und seine Familie - auch sein Sohn wohnt in der Wolnzacher Straße - haben übrigens kein Problem damit, dass es "ihre" Straße auch in Niederlauterbach gibt. Schwierigkeiten mit verwechselten Adressen oder falschen Lieferungen hätten sie jedenfalls nicht oder kaum, sagt er. Er selbst schreibe bei seiner Adresse immer den Zusatz "Gosseltshausen" dazu, um Irrtümer auszuschließen. Wegen ihm könnte deshalb auch alles so bleiben wie es ist. Dafür hatte sich Aigner schon in der Diskussion vor fast 25 Jahren stark gemacht und in einem Leserbrief gefordert, "St. Bürokratius ruhen zu lassen und den Betroffenen einen Wechsel der Straßennamen nicht anzutun".

Katrin Rebl