Strahlende Kinderaugen fehlen
Seit zwei Jahren kein Christkindlmarkt in Pfaffenhofen: Wie Schausteller und Fieranten das Aus erleben

28.11.2021 | Stand 25.10.2023, 10:21 Uhr
Lachende Gäste beim Christkindlmarkt wird es in diesem Advent auf dem Pfaffenhofener Hauptplatz nicht geben. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - Es ist wohl die letzte Chance nach fast zwei Jahren Zwangspause gewesen, dass Simon Schwenold seine XXL-Bratwürste auf den Grill hätte legen können, um sie dann im Baguette mit Senf oder Ketchup seiner adventlich gestimmten Kundschaft über den Tresen zu reichen. Vorbei. Der Christkindlmarkt auf dem Pfaffenhofener Hauptplatz ist abgesagt. So wie alle anderen in ganz Bayern. "Jetzt geht's darum, den Winter zu überstehen", seufzt der 30-Jährige. "Aber so wie's aussieht, werde ich wohl im Februar Insolvenz anmelden müssen."

Das von der Staatskanzlei verkündete Aus für die Weihnachtsmärkte im Freistaat hat die 34 Standbetreiber kalt erwischt. Die Vorbereitungen waren alle abgeschlossen, die Buden aufgebaut - dann fiel das Fallbeil. Philipp Schleef, der Veranstalter, hat es kommen sehen. "Wir haben schon drei Tage zuvor die Reißleine gezogen", sagt er. "Das kann schiefgehen", habe er den Fieranten und Schaustellern erklärt. Die hätten Verständnis gezeigt, aber die Enttäuschung war dennoch groß. Auch bei Schleef, der die Entscheidung nicht ganz nachvollziehen kann. "Wir waren auf alle Risiko-Szenarien vorbereitet, auf 2G, 3G plus. Es hätte Einlasskontrollen gegeben mit Begrenzung der Besucherzahlen sowie getrennte Zu- und Ausgänge. Schade."

Die Überbrückungshilfebezuschusst nur Fixkosten

Was ihn ärgert: "Die Absage kam zu spät." Jetzt bleibt Schleef wahrscheinlich auf seinen Kosten sitzen, die er für die Planung, Deko-Material, Beleuchtung, eine neue Lautsprecher-Anlage und den Budenaufbau ausgelegt hat. "Ich hab' schon viel reingesteckt", gesteht er.

Den Buden-Betreibern geht's nicht anders. Aber greift da nicht die Überbrückungshilfe? Die sei, sagt Schleef, für viele nicht sinnvoll. Denn sie bezuschusst nur die Fixkosten für einen stationären Laden, also etwa die Miete. Das Dilemma: "Von den Unternehmer-Löhnen redet niemand." Dafür gebe es keinen Topf. Wer nichts auf der hohen Kante hat, für den sieht es finster aus.

Auch bei Thorsten Klose aus Niederscheyern, der seine Geschenk-Artikel 2019 das erste Mal auf dem Christkindlmarkt anbot, hält sich das Verständnis in engen Grenzen. "Wir können das nicht nachvollziehen", erklärt er. Das Hygiene-Konzept sei das beste gewesen, das er kenne, "und es wäre jederzeit sofort umsetzbar gewesen. Wir waren auf alles vorbereitet - aber nicht auf eine Pauschalabsage." Für Klose ist der Betrieb ein Nebenerwerb. Aber auf seinen Kosten für den Ausbau seines Standls bleibt er sitzen: Tischeinbauten, eine Bodenheizung, Heizstrahler. "Das hatten wir schon vorfinanziert", sagt er.

Simon Schwenold aus Augsburg ist mit seiner Würstlbraterei seit 2017 auf dem Christkindlmarkt vertreten, seine Mutter und seine Schwester mit Süßigkeiten-Buden schon zehn Jahren. Dem Metzger habe er absagen müssen, und auch dem Bäcker. Kosten seien da noch keine entstanden - allerdings habe keiner auch nur einen Cent verdient. "Wenn vom Staat jetzt keine Unterstützung kommt", sagt Schwenold, "dann brechen Existenzen zusammen. Aber was bringt es schon, zu klagen", meint der 30-Jährige deprimiert, "wenn der Staat entscheidet, sind wir doch nur kleine Ameisen."

Wer Schwenold vor zwei Jahren mit seinen halbmeterlangen XXL-Würstln in seiner Bude erlebt hat, mit welcher Begeisterung und Freude er seine Kunden bedient hat, der versteht, was ihm am meisten fehlt: "Das ganze Miteinander, das Herzliche, das alles ist weg." Darauf hatte er sich am meisten gefreut.

Das Zwischenmenschlichewäre wegen Corona wichtig

Was da außer den wirtschaftlichen Einbußen unter das Corona-Fallbeil geraten ist, das kann Ursula Böhner sehr gut beschreiben. Sie betreibt in Engelthal bei Nürnberg eine Krippenwerkstatt und wäre in diesem Jahr auf sechs Christkindlmärkten vertreten gewesen. Auch in Pfaffenhofen, wo sie seit zehn Jahren Maria und Josef samt Ochs und Esel aus allen möglichen Materialen anbietet. Dazu Krippenzubehör, kleine Laternen, Brunnen, Lagerfeuer - was halt eine Krippe, wenn man so will, wohnlich macht. "Die Kunden sind hier ganz anders drauf", sagt die 62-Jährige. Keine Hektik, keine Rempeleien wie in den Supermärkten, jeder habe Zeit und genieße die friedliche Atmosphäre. "Das Miteinander, die zufälligen Begegnungen wildfremder Menschen, die am Glühweinstand miteinander ins Gespräch kommen oder gemeinsam über eine lustige Nikolausmütze lachen, die sich jemand über den Kopf zieht - das fehlt", erklärt sie. Dieses Zwischenmenschliche, das sie besonders auf bayerischen Christkindlmärkten beobachtet hat, das wäre doch gerade jetzt in der Coronazeit so enorm wichtig.

Ware aus vergangenenLockdown nicht ausgepackt

Für sie ein Glück: Ihre Ware ist zeitlos und nicht verderblich. Was sie in diesem Jahr angeboten hätte, das war die Ware vom Vorjahr, die sie wegen des Lockdowns im vergangenen Advent erst gar nicht ausgepackt hatte.

Auf ihren Strickwaren - Mützen, Schals, Socken, gestrickte Handpuppen - bleibt vorerst auch Elisabeth Fenzl sitzen. Die 66-jährige Reichershausenerin ist seit rund 20 Jahren auf dem Pfaffenhofener Christkindlmarkt, auch als der noch auf dem Sparkassenplatz war. Mit ihren handgefertigten Stricksachen bessert sie ihre Rente auf. "Extras", sagt sie, "kann ich mir jetzt nicht mehr gönnen." Sie hofft, dass sich der ein oder andere Kunde an sie erinnert und bei ihr daheim vorbeischaut.

Seit gut 25 Jahren kommt Uwe Kaufmann aus dem schwäbischen Bopfingen nach Pfaffenhofen, um hier sein Kinderkarussell aufzubauen. Damit und mit einem Schießwagen bestreiten er und seine Frau ihren Lebensunterhalt. "Jetzt geht's an die Substanz", klagt der 58-Jährige. "Seit 2019 haben wir keine nennenswerten Einnahmen. Wir Schausteller sind die ersten, die dichtgemacht werden, und die letzten, die öffnen dürfen." Was ihn besonders bewegt: "Wir kommen nicht mehr unter die Leute, die Gespräche, vor allem die strahlenden Kinderaugen - das fehlt uns alles sehr."

PK

Albert Herchenbach