Pfaffenhofen
Schwarztee mit sozialer Note

Pfaffenhofener unterstützt mit Tee-Importen Schulprojekt gegen Kinderarbeit

19.12.2018 | Stand 25.10.2023, 10:23 Uhr
Guten Tee füllt der Pfaffenhofener Thomas Zimmermann in seiner Garage ab. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Manchmal lässt sich auch eine gute Idee noch toppen. Thomas Zimmermann importiert feinsten Assam-Tee aus ökologischem Anbau ohne Zwischenhändler von einer indischen Plantage, die ihre Arbeiter fair behandelt. Gut. Besser: Mit einem Teil des Erlöses unterstützt der Pfaffenhofener ein Schulprojekt in Kalkutta, um die Kinderarbeit zu bekämpfen.

Der 67-Jährige steht in seiner Garage an der Glogauer Straße 52 und füllt aus 20-Kilo-Säcken Teeportionen von 250 und 500 Gramm in kleine Papiertüten. Die schweren Säcke stapeln sich bis zur Decke. Als zuletzt eine frische Lieferung aus Indien ankam, lagern da zwei Tonnen Tee. Das heißt für Zimmermann: 8000 mal eine Papiertüte vom Stapel nehmen, sie öffnen, auf eine Waage stellen, Tee einfüllen, das Gewicht kontrollieren, die Öffnung falten, verschließen und die Päckchen in Kartons packen. Wer ihm zuschaut, hat den Eindruck, dass er mit jeder Packung fröhlicher wird. Vermutlich, weil er weiß, dass mit jeder Tüte auch Kinder im elf Flugstunden entfernten Kalkutta ein klein wenig glücklicher werden.

Aber der Reihe nach. Ehe Zimmermann vor acht Jahren auf die Idee zu seiner "teealternative.de" kam, hatte er schon einige Erfahrungen im Vertrieb und Verkauf gesammelt. Der gebürtige Berliner hat in München eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann bei einer großen Textil-Kaufhauskette hinter sich gebracht, um dann festzustellen, dass er niemals als Angestellter weisungsgebunden arbeiten könnte. In die Wiege gelegt ist es ihm nicht, sein eigener Chef sein zu wollen, sein Vater war Finanzbeamter. Eher wohl hat's mit der Generation der 68er zu tun. Zwar sattelte Zimmermann auf seine Lehre ein BWL-Studium, aber bis heute kann er nicht plausibel erklären, warum es eigentlich Betriebswirtschaft sein musste. Viel lieber setzte er sich in die Vorlesungen der theologischen Fakultät, arbeitete sich durch die kommentierte "Jerusalem-Bibel" und den Wälzer "Christ sein" des Kirchenkritikers Hans Küng, engagierte sich in der katholischen Hochschulgemeinde und trug sich mit dem Gedanken, eine kommunistisch-christliche Wohngemeinschaft ähnlich dem Modell der frühchristlichen Gemeinden zu gründen. Wer so tickt, ist für die 40-Stunden-Woche mit Urlaubsanspruch und Weihnachtsgeld nur bedingt tauglich.

Sein erstes Geld verdiente Zimmermann mit dem Verkauf von Lammfell-Klamotten, die er aus Südamerika und der Türkei bezog. "Ich hab mich ins Flugzeug gesetzt, bin hin und hab die Sachen quasi aus der Kiste gekauft." In einer Garageneinfahrt an der Leopoldstraße und später vor dem Café Guglhupf hinterm Kaufhof am Marienplatz hat er sie dann verkauft.

2010 lernte er den Hamburger Arzt Helgo Meyer-Hamme kennen, der als Internist ehrenamtlich für die "German Doctors" in Kalkutta arbeitete und dort mit seiner Hilfsorganisation Helgo ein Schulprojekt mit Nachhaltigkeitseffekt gegründet hatte: Weil viele indische Eltern aus purer finanzieller Not ihre Kinder zur Arbeit schicken und Schulen Geld kosten, gab der Arzt ihnen in Naturalien den Gegenwert dessen, was die Kinder zum Lebensunterhalt beigesteuert hätten. Jetzt konnten sie die Schule besuchen, die der Arzt gleich neben einer gigantischen Müllkippe errichtet hatte.

Bei Zimmermann, seit früher Jugend leidenschaftlicher Teetrinker, machte es klick. Aus Indien kommen die weltbesten Tees, Darjeeling und Assam. Wenn er die aus kontrolliertem Öko-Anbau bezieht von Plantagen, wo die Arbeiter fair entlohnt werden, wenn er auf Zwischenhändler und auf Shops verzichtet und nur online verkauft, dann kann er Tee deutlich preiswerter anbieten als Tee-Läden, und das in einer Qualität, die Supermärkte selten im Regal haben. Der Clou: Von einem Kilo Tee gehen 80 Cent an das Schulprojekt.

Wer Tee-Anbauer besuchen will, der fliegt von München über Abu Dhabi nach Kalkutta und steigt dort um in den Flieger, der ihn in den Bundesstaat Assam bringt. Zimmermann und seine Frau wollten es bei einem kurzen Zwischenstopp nicht belassen. Sie schauten sich das Elend in Kalkutta an, "Wir haben Kinder gesehen", berichtet Zimmermann, "die nackt auf der Straße schlafen, die auf Müllbergen leben und den Abfall nach Plastik durchwühlen, das sie in großen Tiegeln ohne irgendeinen Atemschutz schmelzen und für ein paar Cent verkaufen." Ihre Familien leben in Verschlägen aus Kartons und Plastikplanen, und wenn die Hütten ein wenig stabiler sind, aus Wellblech, dann müssen sie dafür auch noch Miete zahlen. Mit einem Tuk Tuk, der Motorrad-Rikscha, ließen sich die Pfaffenhofener vorbei an den Müllkippen zur Schule fahren. 200 Kinder werden hier unterrichtet, sie können dort auch wohnen. Ein Projekt, das ihrem Leben eine Perspektive gibt. Denn wer keine Schulausbildung hat, dessen Kindern droht zwangläufig ein Leben auf der Straße.

In Assam vergewissert sich Zimmermann dann bei einem Plantagenbesitzer über dessen soziale Einstellung: keine Kinderarbeit, dafür Kitas, die Arbeiter wohnen kostenfrei in den Teegärten, erhalten eine medizinische Versorgung, Mutterschutz ist garantiert. Chemische Düngemittel und Pestizide sind tabu. Dem Pfaffenhofener wurde die Top-Qualität angeboten, die sich "Two leaves and a bud" nennt - die Knospe und die zwei Blätter drunter. Zimmermann war begeistert, stürzte sich ins Tee-Abenteuer und orderte gleich zwei Tonnen.

Zurück in Pfaffenhofen setzte er noch eins drauf: Den Versand hat er der Pfennigparade überantwortet, die ihn von einer Behindertenwerkstatt erledigen lässt. Im Angebot sind ein schwarzer und ein grüner Assam sowie eine Ostfriesische Mischung und die "Bengalische Mischung", eine Eigen-Komposition "für Teetrinker, denen ein Darjeeling zu hell und ein Assam zu kräftig ist".

Bleibt die Frage an den Experten: Wie wird grüner Tee richtig zubereitet? Muss der erste Aufguss tatsächlich weggeschüttet werden? "Diese Frage", sagt Zimmermann, "habe ich auch in Indien gestellt. Der Tee-Anbauer hat nur die Augen verdreht und geächzt: You Germans." Die brauchen für alles eine feste Regel. Das könne doch jeder so halten wie er wolle. Vielleicht sei es ja ursprünglich mal ein religiöses Ritual gewesen, den ersten Aufguss den Göttern zu weihen.

 

Albert Herchenbach