Pfaffenhofen
Retro-Traum in Quietschgelb

Aus der Telefonzelle im Pfaffenhofener Freibad sollen Kinder bald wieder ihre Eltern anrufen können

10.05.2019 | Stand 23.09.2023, 6:56 Uhr
Kommunikation mit Stil: Die verwaiste Telefonzelle am Pfaffenhofener Freibadeingang wird wiederbelebt. Schon bald kann von dort kostenlos in den Vorwahlbereich 08 telefoniert werden - damit sich Kinder von ihren Eltern abholen lassen können, ohne ein Handy mit zum Baden nehmen zu müssen. −Foto: Ermert

Pfaffenhofen (PK) Seit fast 50 Jahren steht sie da, die Telefonzelle im Pfaffenhofener Freibad. Standhaft. Altehrwürdig. Ein Retro-Traum in Quietschgelb als Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Ein Blick auf die Zelle weckt viele Erinnerungen - an jene Vergangenheit, als das Telefonieren im öffentlichen Raum noch mindestens 30 Pfennig kostete und das Handy noch eine Zukunftsvision war.

Wenn das Freibad ab diesem Samstag wieder seine Pforten öffnet, werden viele Kinder achtlos an ihr vorbeilaufen. Aber manche Erwachsene werden sich erinnern, an alte Geschichten und längst vergangene Erlebnisse in einem Zeitalter, das weit weniger hektisch, manchmal komplizierter, aber vermutlich nicht schlechter war als das heutige.

Wer sich jene "Welt", die direkt hinter dem Freibadeingang beginnt, etwas genauer anschaut, der kommt ins Sinnieren. "Ballspielen ist auf der Liegewiese nicht erlaubt", steht auf dem weißen, verrosteten Schild. Heute wie früher fragt sich der Betrachter vor allem eines: Für was ist die Wiese denn sonst da? Eine sinnige Antwort gab es damals nicht - und heute auch nicht. In alle vier Himmelsrichtungen deuten die "angestaubten" Lautsprecher, die es so heutzutage eigentlich auch nicht mehr gibt. Aber wenn die kleine Laura tränenüberströmt ihre Mama sucht, kommen sie zum Einsatz - und werden funktionieren. Kurz darauf schließen sich Tochter und Mutter dann wieder in die Arme, vielleicht direkt neben dem plumpen Blumentopf aus Waschbeton, der sicher noch nie einen Designerpreis gewonnen hat - aber vermutlich auch noch die nächsten 50 Jahre unbeschadet überleben wird.

Inmitten all dieser Raritäten thront die gelbe Zelle. 1971 wurde das Freibad an der Ingolstädter Straße eingeweiht. Bis dahin hatten sich die Pfaffenhofener noch dort vergnügt, wo heute das Gymnasium steht. Altbürgermeister Hans Prechter erinnert sich, dass es damals noch die Deutsche Post war, die am Eingang die Telefonzelle errichtete und diese über Jahrzehnte hinweg betrieb. Bis zur Jahrtausendwende funktionierte der Münzapparat tadellos. "Damals gab es noch nicht so viele Handys", erinnert sich Prechter. "Die Kinder konnten ihre Eltern anrufen, um sich abholen zu lassen. Und mit Sicherheit haben viele Nutzer da drin auch noch über ganz andere Dinge mit Freundinnen oder Freunden gesprochen."

Mit der großen Freibadrenovierung, die im Jahr 2001 abgeschlossen wurde, änderte sich vieles. Die Telekom wollte die altgediente Zelle abbauen und fortschaffen. "Der Betrieb hat sich da wegen der Handys schon nicht mehr rentiert", meint Prechter. Aber das wollte sich die Stadt Pfaffenhofen nicht bieten lassen. "Wir haben die Zelle damals gekauft", fährt Prechter fort. Etwas später, dann schon unter Bürgermeister Thomas Herker, wurde sie außerdem optisch gepimpt. "Wir haben sie ganz in Rot gestrichen, nach dem Vorbild der alten Telefonzellen in England. Weil die so hübsch sind", erinnert sich der langjährige Stadtkämmerer Rudi Koppold. Elisabeth Steinbüchler von der städtischen Pressestelle kann sich an die rote Zelle auch noch gut erinnern. "Die hatte so einen Marienkäferlook - und sah wirklich sehr süß aus." Inzwischen hat die Zelle allerdings wieder einen gelben Anstrich erhalten. Etwa fünf Jahre sei das her, vermutet mit Thomas Roth der Betriebsleiter der Bäder GmbH, also jener Stadtwerke-Tochterfirma, die mittlerweile für das Freibad zuständig ist. "Die Farbe ist nicht mehr ganz original, aber sie ist wieder ganz nah dran an jener der alten, gelben Zellen", sagt Steinbüchler.Wer die quietschende Tür der Telefonzelle heute öffnet, tritt ein in eine vergangene Welt. Der Lack blättert ab, das Metall ist löchrig - alles ganz wie früher. Nur der Apparat ist keineswegs antik, sondern fast schon ein wenig modern. Einen Münzeinwurf hat er zwar noch. Allerdings schluckt das Gerät keine Centmünzen nicht, sondern spuckt sie umgehend wieder aus. Auf dem Display steht "Clubtelefon 1" - und das ist nicht der einzige Hinweis, der suggeriert, dass dieses Telefon noch funktionieren könnte. "Telefon anwählbar unter 08441/4073032" steht auf einem Schild. Aber wer das ausprobiert, wird enttäuscht. Kein Freizeichen, kein Klingeln - da passiert gar nichts. Die gelbe Zelle im Freibad ist tot. Schade eigentlich.

Und genau das findet auch Stefan Satzger. Der Geschäftsführer der Bäder GmbH ist gelernter Fernmeldeelektroniker. Und als er noch jünger war, hat er zusammen mit einem Kumpel "sogar mal einen Handel mit Münztelefonen für Kneipen betrieben", wie er selbst sagt. Reich sei er davon nicht geworden. "Aber das eine oder andere Bierchen sprang schon bei raus", meint er. Was ihm aus dieser Zeit geblieben ist: ein Faible für Telefonzellen. Und so empfindet es Satzger als sehr bedauerlich, dass die Zelle, die sich mittlerweile im Besitz der Stadtwerke befindet, lediglich intern anwählbar ist - aber für die Kinder und Freibadnutzer keine Funktion mehr hat.

Also ist Satzger tätig geworden. Er hat bei der Telekom nachgefragt, seine Verbindungen spielen lassen - und sich überlegt, welche Lösung einfach und sinnvoll sein könnte. So hat er einen Weg gefunden die gelbe Zelle wieder in Betrieb zu nehmen. "Es ist möglich, den Anschluss für Ortsgespräche freizugeben", sagt er - und hat dazu auch schon alles Notwendige in die Wege geleitet. Die Bäder GmbH muss jetzt zwar noch ein paar technische Details klären, was ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen wird. Aber dann sollte es soweit sein - und die Kinder können wieder vom Freibad aus bei ihren Eltern anrufen. Um sich abholen zu lassen - ohne dass sie mit dem Handy zum Baden gehen müssen. "Das wäre schon besser. Weil so ein Handy kann halt auch verloren gehen oder geklaut werden", meint Satzger.

Von dem öffentlichen Apparat, dessen Münzeinwurf komplett außer Betrieb genommen wird, kann künftig ohne jegliche Kosten ins Ortsnetz des Vorwahlbereichs 08 - also nach Pfaffenhofen und in die nähere Umgebung - telefoniert werden. Deutschlandweit wird das Telefon nicht funktionieren. Über die Landesgrenzen hinaus schon gleich gar nicht. Das Einwählen in Handynetze wird unterbunden. In all diesen Fällen wären die Kosten zu hoch, als dass die Bäder GmbH sie einfach so schultern möchte. "Wir hoffen, dass kein Missbrauch betrieben wird", sagt Satzger. Spaßanrufe oder Leute veräppeln, das sollten sich die Jugendlichen also besser sparen, damit sich alle Badegäste noch möglichst lange an der altehrwürdigen, quietschgelben Rarität erfreuen können.

Patrick Ermert