Reichertshausen
Angst vor Knebelverträgen

Freihandelsabkommen TTIP: Die Grünen sind entschieden dagegen

30.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:37 Uhr

TTIP und die Folgen: Für eine Diskussion sorgten Grünen-Kreisvorsitzende Kerstin Schnapp (von links), Landtagsabgeordnete Gisela Sengl und Kreisvorsitzender Norbert Ettenhuber - Foto: Steininger

Reichertshausen (PK) Zu einem Diskussionsabend zum Thema „TTIP“ hatte der Reichertshausener Ortsverband der Grünen eingeladen. Rund 35 Bürger fanden sich am Donnerstag im Gasthof Fuchs ein, um von der Landtagsabgeordneten Gisela Sengl informiert zu werden. Die Grünen lehnen TTIP ab.

TTIP ist die englische Abkürzung für „Transatlantic Trade and Investment Partnership”, einem derzeit verhandelten Freihandels- und Investitionsschutzabkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union (EU) und den USA. Und das steht zunehmend im Kreuzfeuer der Kritik der Öffentlichkeit. Vor allem die Grünen befürchten einen schlechteren Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitnehmerschutz wie auch den Abbau von Sozial- und Umweltstandards. Der Abbau von Handelshemmnissen wäre zwar im Maschinenbau „eine super Sache“, in der Landwirtschaft seien die Dinge anders gelagert, betonte Kerstin Schnapp, Kreisvorsitzende der Grünen.

Gisela Sengl, Biobäuerin aus dem Chiemgau und agrarpolitische Sprecherin der Grünen, berichtete hauptsächlich über die Auswirkungen von TTIP auf die Landwirtschaft und damit verbunden auf die Ernährung. Zwar seien die Agrarflächen der EU mit denen der USA vergleichbar, die Strukturen aber völlig unterschiedlich. In den USA sei die Landwirtschaft rationalisiert und technisiert, der Gewinn heilige die Mittel. Ein Chip hinter dem Ohr der Kälber regele die Hormongaben, um Rinder mit mehr Fleisch zu züchten, „ein ganz normaler Vorgang drüben“, so Sengl. Überdies sei „Amerika ein komplettes Gentechnikland, das beginnt bei Futtermitteln und endet bei Nahrungsmitteln ohne entsprechende Kennzeichnung. Die Amerikaner wissen überhaupt nicht, was sie essen“, berichtete Sengl von einem Besuch in den USA. Der wirtschaftliche Erfolg habe dort Vorrang. In der EU dagegen orientiere man sich am Dreiklang aus ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien, den gelte es zu erhalten, um unsere Zukunft zu sichern.

Abzulehnen ist laut Sengl auch der geplante Investitionsschutz. Der ermögliche Konzernen, gegen einen Staat zu klagen, wenn dessen Gesetze zum Schutz der Umwelt oder der Bürger dessen Gewinne schmälern. Die bedienten sich dann privater Schiedsgerichte, gegen deren Entscheidungen keine Rechtsmittel möglich sind. Das entspräche einer Parallel-Justiz im Sinne der Konzerne. In Europa aber seien „die Rechtssysteme hoch entwickelt“, Argumente, dass deren Entscheidungen zu lange dauerten, könne man auch gegen die privaten Schiedsgerichte anwenden, wie Beispiele zeigen, so Sengl.

„Wir müssen die regionale Qualität unserer Landwirtschaft erhalten, dürfen unsere Lebensqualität nicht von der Übermacht großer Konzerne bestimmen lassen“, lautete Sengls Appell an die Zuhörer. Die zeigten sich sehr informiert über TTIP und auch über CETA („Comprehensive Economic and Trade Agreement“), dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada.

Unter den Gästen war auch Roland Dörfler (Die Grünen), Pfaffenhofens Dritter Bürgermeister und Stadtrat, der mit TTIP einen Rückschritt von 30 Jahren sieht, was zum Beispiel den Arbeitsschutz anbelangt. Ein Teilnehmer wies darauf hin, dass es sich bei TTIP um einen völkerrechtlichen Vertrag handele, der 30 Jahre lang nicht kündbar sei. Der Zweite Ortsvorsitzende der Grünen, Peter Schmitz-Valckenberg, befürchtete, dass der Mittelstand durch TTIP „platt gemacht wird“.

In ihrem Unverständnis über die mangelnde Transparenz der Verhandlungen waren sich die Zuhörer einig. Ebenso auch in ihrer Befürchtung, dass der Lobbyismus der großen Konzerne zu großen Einfluss auf die Politiker nehme, die Interessen der Bürger blieben dabei auf der Strecke. Das betonte auch der Reichertshausener Grünen-Ortsvorsitzende Helmut Schnapp in seiner Einleitung zur Veranstaltung, der gesundheitsbelastende Auswirkungen durch ein TTIP-Abkommen ebenso wenig ausschließen wollte wie einen Ruin der bäuerlichen Landwirtschaft: „Wir wollen unsere Standards behalten, verbessern und nicht schwächen. Einem freien Handelsvertrag kann man nur dann zustimmen, wenn er nicht durch Knebelverträge zustande kommt“, betonte er ausdrücklich.