Pfaffenhofen
Rechtsradikale Propaganda oder Satire?

47-Jähriger verbreitet im Internet Nazi-Bild samt Hakenkreuzen - Er wertet das als Beitrag zur Freiheit der Kunst

21.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:42 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Ein 47-Jähriger muss sich vor Gericht verantworten: Er hatte in einem sozialen Netzwerk unter anderem ein Foto eines Nazi-Aufmarsches samt Hakenkreuzfahnen geteilt - daher war er nun wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen angeklagt.

Das Pfaffenhofener Amtsgericht unter Richter Michael Herbert hatte darüber zu urteilen, ob das Zeigen von verbotenen Symbolen der Hitler-Diktatur in diesem Fall nun Satire sei oder nicht.

Angeklagt war der Rentner Thomas K. (Name geändert) aus dem nördlichen Landkreis. Er hatte im September letzten Jahres auf Facebook einen Nazi-Aufmarsch mit Hakenkreuzfahnen aus der Hitlerzeit unter dem Hashtag "#wir sind mehr" gepostet und geteilt - und darunter ein Bild der Widerstandskämpfer "Weiße Rose" um Sophie Scholl mit dem Hashtag "#wir sind weniger". Staatsanwalt Frank Nießen warf dem Angeklagten die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor.

Der Angeklagte sah seinen Post aber als Satire auf das Konzert in Chemnitz, das in Folge der Aufmärsche nach dem Tod eines aus Kuba stammenden Deutschen stattfinden sollte, das unter dem Titel "Wir sind mehr" lief. Der Angeklagte erklärte, er habe sich den entsprechenden Paragraphen (86a StGB) vorher angeschaut. "Ich bin doch nicht blöd, aber muss ich mir für jede Äußerung einen Anwalt suchen? ", sagte er.

Der Angeklagte betrachte seinen Facebook-Beitrag als Beitrag zur Freiheit der Kunst. Dabei sah er die Musikveranstaltung als vom Staat gelenkt und verglich deshalb die Musiker und Teilnehmer mit den Nazis aus der Hitlerzeit, die damals als verbrecherische Partei auch behauptet hätten, sie seien die Mehrheit. Diejenigen, die sich aber gegen diese Veranstaltung wenden würden, seien dagegen die Widerständler - so wie damals die Gruppe "Weiße Rose" um Sophie Scholl, die gegen den Staat gekämpft hätte, weil sie sahen, dass dieser "in die falsche Richtung geht". Selbst bei der Anti-AfD-Demonstration in Pfaffenhofen hätten die Demonstranten unter dem Titel "Wir sind mehr" auf dem Hauptplatz den Kritikern Schilder vor die Nase gehalten und diese in ihrer Meinungsäußerung eingeschränkt.

Der Staatsanwalt hielt dem Angeklagten vor, dass das Zurschaustellen von Nazi-Symbolen verboten sei. Der recht großspurig auftretende Angeklagte sagte darauf zum Staatsanwalt: "Das ist ja lächerlich; wissen Sie, was Satire ist? - Den Leuten den Spiegel vorhalten, zu überspitzen. " Der Angeklagte selbst sah sich nicht als Nazi. Für ihn sei "rechts" nicht gleichzusetzen mit "Nazi", schließlich habe er früher auch schon Plakate für die CSU geklebt.

Der Verteidiger Frank Miksch aus Ingolstadt unterstrich mit seinen Worten die Haltung des Angeklagten, schließlich seien früher viele Menschen den Nazis nachgelaufen unter der Rubrik "Wir sind mehr" - und jetzt liefen viele Bürger den Gruppen hinterher, die behaupten, sie seien die Mehrheit.

Für Richter Herbert war dieser Prozess um "Kunst und Satire oder nicht" noch nicht ausgestanden, so dass das Urteil erst fallen wird, wenn er sich mit der Materie weiter vertraut gemacht habe. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

Wolfgang Kollmeyer