Pfaffenhofen
"Polnische Familien schützen"

Tarnówer Landrat Roman Lucarz verteidigt in Brief an Albert Gürtner umstrittene Resolution und appelliert, die Partnerschaft fortzusetzen

03.07.2020 | Stand 02.12.2020, 11:03 Uhr
Eine Delegation aus Tarnów besuchte vergangenes Jahr den Landkreis Pfaffenhofen. Die Partnerschaft ist am 3.Juli offiziell ausgelaufen. Im September soll der Pfaffenhofener Kreistag entscheiden, ob sie erneuert wird. −Foto: PK/Archiv

Pfaffenhofen/Tarnów - Der Tarnówer Landrat Roman Lucarz von der nationalkonservativen Kaczynski-Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hat sich mit einem Appell für die Fortsetzung der Partnerschaft zwischen den Landkreisen Pfaffenhofen und Tarnów an den Pfaffenhofener Landrat Albert Gürtner (FW) gewandt.

In dem Brief verteidigt Lucarz auch die in seinem Landkreis beschlossene "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" sowie die beschlossene "Charta der Rechte der Familien".

Man sei "dankbar und angenehm überrascht", dass sich die Behörden und die Gesellschaft des Landkreises Pfaffenhofen für die Angelegenheiten des Landkreises Tarnów "auf dem Gebiet der Zivilisation und der menschlichen Werte" interessiere.

Als Christen glaube man, dass jeder Mensch seine Würde habe und respektiert werden sollte. Geleitet von diesen Werten habe man die Selbstverwaltungscharta der Rechte der Familien verabschiedet. Darin gehe es unter anderem um das Recht des Kindes "auf Schutz vor Demoralisierung". Das Handeln der Behörde solle die Grundwerte der Familie unterstützen. "Gleichzeitig hat die Familie das Recht auf angemessenen Schutz, insbesondere auf Schutz ihrer jüngsten Mitglieder vor negativen Einflüssen und Missbräuchen durch Erwachsene, Institutionen und Medien. "

Zur "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" schreibt Lucarz: "Ich möchte Ihnen versichern, dass es unser Ziel ist, niemanden zu stigmatisieren, sondern polnische Familien und Kinder vor einer unserer Meinung nach schädlichen LGBT-Ideologie zu schützen. "

Die katholische Kirche lehre, Homosexuelle "mit Respekt, Mitgefühl und Sanftmut" zu behandeln, so Lucarz. "Wir kennen auch viele Menschen mit homosexuellen Neigungen, die keine homosexuelle Propaganda unterstützen. " Die meisten, so der gewählte polnische Landrat weiter, wollten ihre Sexualität "nicht zur Schau stellen". Welche Homosexuellen ihre Sexualität konkret im Landkreis Tarnów wie zur Schau gestellt haben, damit eine solche Resolution überhaupt nötig wurde, erklärt Lucarz nicht. Die Opposition jedenfalls sah keinerlei Veranlassung dafür, wie Oppositionsführer Zbigniew Karcinski gegenüber unserer Zeitung erklärte.

Die Notwendigkeit für die umstrittene Resolution war wohl auch eher theoretischer Art, denn der polnische Landrat Lucarz erklärt weiter in seinem Brief: "Wir sind mit den Axiomen der LGBT-Ideologie nicht einverstanden. " Theoretikerinnen dieser Ideologie proklamierten "in ihren Thesen von der Befreiung der menschlichen Sexualität aus ihren biologischen Fesseln, von der übergeordneten Funktion des kulturellen Geschlechts und seiner Schaffung durch Performativität, von der Revolution der Geschlechterklassen, von der Mutterschaft als einer Form der Sklaverei". Dem stimme man nicht zu, so Lucarz. In Klammern nennt der polnische Landrat ausschließlich weibliche Theoretikerinnen - und zwar neben Judith Butler, Margaret Sanger, Margaret Mead und Kate Millett auch die bekannte Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir (1908 bis 1986). Sie hatte in ihrem weltweit beachteten Werk "Das andere Geschlecht" aus dem Jahr 1949 unter anderem mit dem Satz "Mutterschaft ist heute eine wahre Sklaverei" verdeutlicht, wie die damalige Gesellschaft die Gebärfähigkeit der Frau ihrer Ansicht nach dazu missbrauchte, Frauen kulturell und sozial zu unterdrücken. Das war zu einer Zeit, in der beispielsweise Frauen in Deutschland ohne Erlaubnis ihres Ehemanns nicht arbeiten durften. De Beauvoir forderte schon damals, dass auch die Gesellschaft und die Väter Verantwortung bei der Kindererziehung übernehmen.

In seinem Brief an Landrat Gürtner jedenfalls vertraut Lucarz darauf, "dass Herr Landrat unsere Argumente teilt". Fragen der Weltanschauung seien "eine private Domäne von Einzelpersonen, Staaten und Nationen", in "keiner Weise" sollten sie die gegenseitigen Beziehungen beeinträchtigen. Schließlich sei deren Leitprinzip der Respekt vor dem Partner. Er schätze die Partnerschaft mit Pfaffenhofen sehr. "Ich zähle auf die weitere, fruchtbare Zusammenarbeit unserer kleinen Heimatländer. " Er lade Gürtner zu einem Besuch in Tarnów ein. "Ich würde auch gern via Videokonferenz mit Ihnen sprechen", so der polnische Landrat Lucarz an Gürtner.

PK