Pfaffenhofen
Polit-Monopoly ohne Bereicherung

DGB-Kreisverband lädt Bundestagskandidaten zu einer "etwas anderen Podiumsdiskussion" ein <?ZE>

25.07.2021 | Stand 25.10.2023, 10:35 Uhr
Auf dem Podium würfelten und diskutierten Erich Irlstorfer (CSU, von links), Andreas Mehltretter (SPD), Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) und Nicolas Graßy (Die Linke). −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - Niemand musste ins Gefängnis, allerdings konnte sich auch niemand mit Mieteinnahmen von der Schloßallee oder dem Elektrizitätswerk bereichern: Die vier Bundestags-Kandidaten, die die beiden DGB-Kreisvorsitzenden Roland Dörfler (Pfaffenhofen) und Bernhard Dausend (Neuburg-Schrobenhausen) zum Monopoly-Spielen in den Hofbergsaal eingeladen hatten, landeten beim Würfeln eher auf so anstrengenden Themenfeldern wie "Arbeit", "Wohnen" oder "Infrastruktur". Sie waren eingeladen worden, dazu ihre politischen Positionen zu vertreten.

Die FDP-Wahlkreiskandidatin Eva-Maria Schmidt hatte aus Termingründen abgesagt, Johannes Huber von der AfD war, wie auch schon vor zwei Jahren, erst gar nicht eingeladen worden. "Wer Hand in Hand mit Rechtsradikalen demonstriert", erklärte DGB-Regionssekretär Christian Delapuente, "hat auf unserem Podium nichts zu suchen." Diese aus seiner Sicht undemokratische Entscheidung hatte Huber schriftlich kritisiert. Dörfler konterte und verwies auf einen Beschluss des DGB-Bundesvorstands, der AfD keine Plattform zu bieten.

Weil der Hofbergsaal in Coronazeiten zu klein ist, wurde die Veranstaltung per interaktivem Livestream übertragen. Die Zuschauer daheim hatten die Möglichkeit, den vier Kandidaten Fragen zu stellen. Etwa dem CSU-Bundestagsabgeordneten Erich Irlsdorfer, 51, der sein Mandat gegen die deutlich jüngeren Mitbewerber verteidigen will: den Freisinger SPD-Stadtrat und Kreisvorsitzender Andreas Mehltretter, 29; Leon Eckert, 26, Dritter Bürgermeister von Eching und Freisinger Grüne-Kreisrat; und Nicolas Graßy, 31, Freisinger Kreisvorsitzender der Linke.

"Eine andere Form der Podiumsdiskussion" hatte Delapuente angekündigt - und sie erwies sich für die Zuschauer als äußerst kurzweilig, weil die Redezeit begrenzt war und die Themen durch Würfeln dem Zufall überlassen wurden. Mehltretter landete mit einer schwungvoll gewürfelten 6 auf dem Feld "Transformation" und sollte die Frage beantworten, wie denn der ökologische Umstieg sozial gerecht vorangetrieben werden kann, wo doch schon jetzt in der Autobranche Arbeitsplätze verloren gingen. Zum Umstieg auf die E-Mobilität sah der SPD-Kandidat keine Alternative ("wenn wir international wettbewerbsfähig bleiben wollen"), sprach sich aber für ein Recht auf Weiterbildung der Beschäftigten aus, deren Job durch den Wandel bedroht ist.

Um den anderen Kandidaten die Möglichkeit zu geben, dazu ihre Meinung zu sagen, gab es Veto-Karten, deren Zahl allerdings begrenzt war. Der Vorteil: So wurden Endlos-Wortgefechte unterbunden. Irlsdorfer zückte seine Veto-Karte. Nur auf Elektro-Mobilität zu setzen sei der falsche Weg. Es gebe zukünftig noch andere Möglichkeiten. Pfaffenhofen werde zur Wasserstoff-Region ausgebaut. Er ist davon überzeugt, dass es in Zukunft nicht weniger Verkehr geben wird, "aber er muss leiser werden".

Der Grüne Leon Eckert erwürfelte sich mit einer 1 ein Statement zum Thema bezahlbarer Wohnraum. Er möchte ein Gesetz, das es den Bundesländern erlaubt, den Mietenanstieg zu deckeln.

Beim Thema soziale Gerechtigkeit waren sich die Kandidaten in den Grundzügen einig: Die Schere zwischen Arm und Reich gehe weiter auseinander, die Zahl der Millionäre sei in den anderthalb Corona-Jahren gestiegen, gleichzeitig aber auch die Zahl der Menschen, die im Niedriglohn-Sektor arbeiten. Graßy möchte deshalb die Vermögenssteuer "mit einem hohen Freibetrag" erhöhen. Irlsdorfer will Steuern nicht erhöhen und Unternehmenssteuern sogar senken, "damit die Menschen Geld in der Hand haben". Nach dem Motto: sozial ist, was Arbeit schafft. Mehltretter will den Mindestlohn auf zwölf Euro anheben, was auch Auswirkungen auf das Lohnniveau insgesamt habe. Das sei ein Instrument gegen die Altersarmut. Deshalb will Graßy das Rentensystem nach österreichischem Vorbild umbauen: Alle, Selbstständige, Beamte, sollen in einen gemeinsamen Topf einzahlen. In der Alpenrepublik liege dadurch das Rentenniveau um 800 Euro über dem bundesdeutschen, die Kasse sei sogar in der Lage, Rentnern ein Weihnachtsgeld auszuzahlen.

Abschließende Frage von Roland Dörfler an die Kandidatenrunde: "Mit wem möchten Sie nach Berlin fahren?" Irlsdorfer will sich nicht festlegen: "Politik ist kein Wunschkonzert." Das werde der Wähler entscheiden. Mehltretter schaut nach den beiden Kandidaten links von ihm und legt sich fest: "Mit Leon und Nico. Wir verstehen uns sehr gut." Was er wohl auch jenseits seiner persönlichen Ambitionen verstanden wissen will. Der Grüne Eckert schließt sich an, auch, weil er sich eine "progressive Veränderung" in der Bundespolitik wünscht. Graßy sagt, es gehe ihm jetzt nicht um Koalitionen, aber "mit dem Erich" würde er gern mal ein Bier trinken gehen. Weil er bei Irlsdorfer politische Schnittmengen festgestellt hat? "Nein, aber mit ihm kann man gut diskutieren."

PK

Albert Herchenbach