Pfaffenhofen
"Da tun sich Welten auf"

Diskussion um Privatsphäre im Internet lockt 100 Besucher ins Rathaus – und Tausende vor die Monitore

08.12.2011 | Stand 03.12.2020, 2:04 Uhr

Nur in Schutzkleidung dürfen die Produktionsräume bei Daiichi-Sankyo betreten werden: Werkleiter Frank Knefeli (links) zeigte der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) einen Teil der Produktionsanlagen. Rechts FDP-Kreischef Josef Postel - Foto: Asbeck

Pfaffenhofen (PK) Da prallen Welten aufeinander, wenn ein Pirat, eine Liberale, ein Verleger und ein IT-Profi über Urheberrecht und Privatsphäre im Netz debattieren. Die Podiumsdiskussion gestern Abend lockte nicht nur rund 100 Besucher in den Rathaussaal, sondern auch Tausende vor die Computermonitore.

Auf der Bühne diskutierten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Wirtschaftswissenschaftler Andreas Popp von der Piratenpartei, DONAUKURIER-Herausgeber Georg Schäff und Bürgernetzvereinsvorsitzender Andreas Neumair das Thema „Urheberrecht und Privatsphäre im Internet – ist das heute noch zeitgemäß“.

Oft lagen die Teilnehmer auf der gleichen Wellenlänge, zumindest was das Thema Datenschutz betrifft: alle gegen Vorratsdatenspeicherung und Datensammelwut, jeder für mehr Privatsphäre und Selbstbestimmung im Internet. Statt Positionen zu widersprechen, wurde lediglich schärfer formuliert.

Ein verbissener Schlagabtausch blieb also aus. Nur beim Thema Urheberrecht gerieten die Bundesjustizministerin und der Zeitungsverleger härter mit Pirat Popp aneinander und verliehen dem Gedankenaustausch Würze. Rund 100 Landkreisbürger waren der Einladung des Bürgernetzvereins und des Pfaffenhofener Kurier gefolgt. Passend zum Thema saß der weitaus größere Interessentenkreis vorm heimischen Computermonitor: Über 5800 Zugriffe auf die Liveübertragung zählte allein die Internetplattform Pafnet. Daneben sendete auch der piratennahe Internet-Fernsehsender Piratorama live, angeblich verfolgte auch der Bundesvorstand der Piratenpartei die Diskussion.

Und als Pirat bot Popp eine freimütige Innenansicht der Internetgeneration, indem er etwa mit dem Widerstand gegen den derzeit umstrittenen Spiele-Onlinedienst Origin Problemfelder anriss, die sich für Außenstehende kaum mehr nachvollziehen lassen. „Da tun sich Welten auf, von denen der Mensch nichts geahnt hat“, kommentierte Moderator Adrian Dunskus trocken.

Fragen aus dem wirklichen Leben stellten einige Besucher an die Podiumsrunde, etwa eine Pfaffenhofener Videothekenbetreiberin, die ihre Existenzängste durch Internetraubkopien thematisierte. Ein Schweitenkirchener, dem einmal im Internet die Identität gestohlen wurde, brach eine Lanze für zeitlich begrenzte Verbindungsspeicherung auf Providerseite.

Wie viel Privatsphäre die Podiumsteilnehmer selbst schon aufgegeben haben, wurde parallel live im Internet recherchiert – von der exzentrischen Wohnungsdekoration Popps bis hin zum aus den Tiefen des Netzes gefischten Privatfoto von Franzi, dem Hund der Ministerin.

Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker (SPD) wandte sich als Hausherr auch in eigener Sache an Leutheusser-Schnarrenberger: Auf Drängen der FDP sei die Verpflichtung der Konzerne zur flächendeckenden DSL-Versorgung bei der Überarbeitung des Telekommunikationsgesetzes gestrichen worden, sodass die Kommunen weiterhin mit „homöopathischen Fördermitteln“ den Breitbandausbau selbst schultern müssen. „Haben Sie ein Herz für die ländlichen Regionen“, appellierte Herker. „Vielleicht kann man da noch etwas drehen.“ Danach ging’s doch noch zum obligatorischen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Herker: „Wir haben öfter die Justiz in Pfaffenhofen, aber selten eine Bundesjustizministerin.“

Schon vor dem Auftritt im Rathaussaal hatte sich Leutheusser-Schnarrenberger beim Pfaffenhofener Sitz des internationalen Pharmaunternehmens Daiichi-Sankyo informiert. In puncto Pünktlichkeit stach sie dabei sogar einige ihrer Parteikollegen von der FDP aus, die sie nach Pfaffenhofen eingeladen hatten. Bereits eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit fuhr die schwarze Limousine der Ministerin vor das blaue Werktor – und die Führung durch den Pfaffenhofener Werkleiter von Daiichi-Sankyo, Frank Knefeli, begann umgehend, gerade noch, dass FDP-Kreischef Josef Postel die Ministerin begrüßen konnte.

Vom japanischen Pharmakonzern ebenfalls mit dabei war Ralf Göddertz, Geschäftsführer der Daiichi-Sankyo Deutschland GmbH, und der Leiter des Berliner Hauptstadtbüros des drittgrößten japanischen Pharmakonzerns, Joachim Haes.

Im Mai dieses Jahres ist nach Angaben von Knefeli die zehnmilliardste Tablette mit dem Wirkstoff Olmesartan in Pfaffenhofen produziert worden – ein Meilenstein für das Unternehmen. Als die Rede auf den Weltmarkt kam, bat Göddertz im Hinblick auf Schwierigkeiten durch die Kursveränderungen: „Bitte retten Sie den Euro!“ Und die Ministerin scherzte gut gelaunt: „Heute Abend noch.“