Pfaffenhofen
Wie aus Obazda Adzabo wird

Wirte ärgern sich über EU-Regel: Wer den Käse herstellt und nicht umbenennt, muss für Kontrollen zahlen

22.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr
Gehört für ihn dazu: Den Obazdn stellt Christian Reichart vom Gasthof Fröhlich in Langenbruck gerne selbst her. Von den anstehenden Kontrollen hält er allerdings gar nichts. Womöglich wird er den Traditionskäse demnächst auf seiner Karte umbenennen, um die EU-Regel zu umgehen. −Foto: Brenner

Pfaffenhofen (PK) Viele Wirte im Landkreis Pfaffenhofen stellen den Obazdn traditionell selbst her – um so größer ist bei einigen nun der Ärger über eine neue EU-Regel. Da der Begriff „Obazda“ geschützt wurde, muss jeder, der ihn nutzt, künftig für Kontrollen bezahlen.

Die Europäische Kommission hat bereits im Juni 2015 die Bezeichnungen „Obazda“ oder „Obatzter“ in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben aufgenommen – und zwar auf Antrag der Schutzgemeinschaft Obazda, hinter der wiederum die Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft steht. Und dort organisieren sich vor allem größere Hersteller, sagt Monika Simon, Mitarbeiterin bei der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), die bei der Käse-Frage als Kotrolleinrichtung im Sinne der EU agiert. Mittlerweile gebe es in Bayern mehr als 30 solcher geschützter Bezeichnungen, wie etwa den Schrobenhausener Spargel. Während das bisher vor allem Landwirte betroffen hat, sind nun erstmals die Gaststätten im Visier der EU.

Denn natürlich muss kontrolliert werden, dass der Obazde auch nach den festgelegten Kriterien (siehe Kasten) zubereitet wurde. „An den Kontrollen müssen sich alle beteiligen, die den Käse unter dem geschützten Namen anbieten“, erklärt Simon. Bei den größeren Herstellern hätten die Kontrollen längst begonnen. Die übernehme nicht die Landesanstalt, sondern eine private Kontrollstelle. Bisher wurden bei den größeren Herstellern jedes Jahr 200 bis 300 Euro fällig – zum Ärger vieler Gastwirte.

„Das ist der totale Wahnsinn“, sagt etwa der Pfaffenhofener Wirt Sven Tweer, der auch Kreisvorsitzender vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband ist. Die Milchwirtschaft agiere hier auf Kosten der regionalen Vielfalt und Kreativität. Damit spielt er auf die genauen EU-Vorgaben zu den Komponenten des Obazdn an. „Schließlich ist es doch gerade gut, dass die Kunden sich je nach Geschmack aussuchen können, wo sie den Obazdn am liebsten essen.“ Er wird seinen Käse künftig umbenennen: „Vielleicht füge ich die Buchstaben einfach rückwärts zusammen und nenne ihn Adzabo – das ist ja noch erlaubt, oder?“ Tweer kann ganz grundsätzlich nicht nachvollziehen, wieso die EU überhaupt regionale Speisen regeln müsse: „Man muss hier doch wirklich mal die Kirche im Dorf lassen“, sagt er. Die Gebühren sind für ihn reine „Geldschneiderei“.

Über die soll im September auch noch mal geredet werden, dann trifft sich nämlich Dehoga mit der LfL. „Wir machen dann aus, wie kontrolliert werden soll – zum Beispiel stichprobenartig.“ Simon geht davon aus, dass die Kontrollen, die voraussichtlich im kommenden Jahr starten, die Gastwirte dann nur noch einen zweistelligen Betrag kosten dürfte. Im Detail könnten sich die Wirte dann im wechselnden Modus zur Kontrolle anmelden. Wer es nicht tut und weiter selbst hergestellten Obazdn anbietet, kann belangt werden: Bei Stichprobenkontrollen durch die amtliche Lebensmittelüberwachung, schreibt der Dehoga. Einen Schlupfwinkel gibt es aber: „Man muss den Namen natürlich nicht nutzen“, so Simon. Am Tegernsee soll ein Wirt seinen Käse laut einer Lokalzeitung schon in „Bräubazi“ umbenannt haben. Das hat auch der Langenbrucker Wirt Christian Reichart vom Gasthof Fröhlich womöglich vor. „Leicht frustriert“ beschreibt er seine Gefühle im Bezug auf die neue Regelung. Seine Familie biete bereits seit 1955 besonders zur Starkbierzeit gern selbst gemachten Obazdn an. Ob er das nun so weitermacht, weiß er noch nicht. „Mir stinkt das schon ziemlich“, sagt er. Nach den Verhandlungen will er ausrechnen, ob sich das für ihn überhaupt noch lohnt. „Sollte ich ihn umbenennen, werde ich jedenfalls meinen Gästen auf der Karte erklären, warum ich es tue“, so der Wirt.

Seit rund 24 Jahren mischt man im Traditionsgasthof zur Post in Wolnzach den Obazdn selbst, sagt Geschäftsführer Manfred Siegmund. Leider entspricht sein Rezept nicht ganz den EU-Vorschriften, denn er verwendet zu je einem Drittel Frischkäse, Camembert und Schmelzkäse – doch das sind genau 6,7 Prozent Camembert zu wenig, weil dessen Anteil nämlich mindestens 40 Prozent betragen muss (siehe Infokasten). „Ich könnte mir schon vorstellen, das Rezept zu ändern“, sagt Siegmund, „allerdings sagen meine Gäste mir immer wieder, wie gut es ihnen schmeckt.“ Jedes Jahr eine Gebühr zu bezahlen, das kann er sich jedenfalls nicht vorstellen. „Sind die verrückt?“ Auch er denkt über einen neuen Namen nach.

Wirt Harald Hoyer von der Klosterschenke Scheyern hat sich bereits entschieden. Für die neue Regelung findet er schnell Worte: „So ein Schmarrn!“ Bald stehe bei ihm nicht mehr „Obazda“ auf der Karte: „Ich weiß noch nicht, wie ich ihn nenne, aber die Kontrollen mache ich nicht mit.“

Der aus der Schweiz stammende Pfaffenhofener Pfaffelbräu-Wirt Tollari Vitaliano will sich dagegen voraussichtlich schon den Kontrollen unterziehen. „Hausgemachten Obazdn anzubieten, das hat etwas mit meiner Ehre als Koch zu tun“, sagt er. Womöglich sei es auch gar nicht so schlecht, wenn der Begriff geschützt sei. „In der Schweiz hat man es verpasst, den Emmentaler schützen zu lassen, das war ein Fehler.“

Christian Bogenrieder von der gleichnamigen Metzgerei in Pörnbach verkauft pro Woche einige Kilogramm Obazdn. „Wir wollen ihn auf jeden Fall weiter selbst herstellen“, sagt der Geschäftsführer, „die eigene Herstellung ist schließlich unser Aushängeschild.“ Aber ob der Name unter diesen Umständen bleibt? „Eher nicht“, so Bogenrieder, der zurzeit auch noch mit einer weiteren EU-Vorschrift hadert: „Der Kalbskäse darf neuerdings nicht mehr Kalbskäse heißen, wenn nicht über 50 Prozent Kalbsfleisch drin ist“, berichtet er. Deshalb wird er nun bei Bogenrieder als „weißer Fleischkäse“ deklariert. „Die Kunden nennen ihn natürlich weiterhin Kalbskäse.“

DER  EINZIG  WAHRE  OBAZDE – EIN REZEPT DER EU

Seit 150 Jahren gehört er zur bayerischen Wirtshausgeschichte wie kein anderer. Auch wenn die Entstehung des Obazdn wohl eher praktischer Natur war. Im Sommer reifte Camembert und Brie sehr schnell und es gab wenig Kühllager. Also vermischten findige Wirte die beiden Sorten mit anderem Käse und verkauften ihn als schmackhafte Delikatesse in ihren Biergärten. Und da wird er heute noch verkauft – allerdings hat nun die Europäische Kommission ein Auge darauf, wie genau er eigentlich aussehen oder schmecken soll. Auch die Zutaten sind klar festgelegt: Zwingend muss der Obazda aus mindestens 40 Prozent Camembert und/oder Brie „aus cremig-weicher Konsistenz“ bestehen. Der Camembert darf zwischen 30 und 85 Prozent Fettgehalt in der Trockenmasse aufweisen, der Brie immerhin zwischen 45 und 85 Prozent. Außerdem müssen in dem Gemisch zwingend Butter, rotfarbiges Paprikapulver oder Paprikaextrakt – „da dies der Geschmacksabrundung dient“ – und Salz enthalten sein.

Selbstredend ist für Kreativität auch noch Raum, mit den „freigestellten Zutaten“ nämlich: Zwiebel, Kümmel, Gewürze, Kräuter, Rahm, Milch, Molkeneiweiß und Bier dürfen beigemischt werden. Zu welchen Bestandteilen, ist allerdings nicht ganz der Fantasie überlassen: So muss der Anteil von Käse im Endprodukt mindestens 50 Prozent betragen.

Und falls der Wirt nicht weiß, was er nun mit all den Zutaten anfangen soll, gibt es auch dafür eine EU-Vorschrift: „Die beschriebenen Grundstoffe werden zu einer homogenen Masse gemischt.“ Natürlich nicht einfach irgendwie, denn: Der Obazde muss „erkennbare Stücke von Käse“ enthalten, eine hellorange Farbe aufweisen, „Geruch und Geschmack sind würzig-aromatisch“. | dbr