Pfaffenhofen
Volle Breitseiten

Drei Fünftel Stachelbären präsentieren satirisches Programm ganz ohne Lokalkolorit

12.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:08 Uhr

Kabarett der Extraklasse boten die Stachelbären Claus Drexler (von links), Roland Andre und Michael Eberle - Foto: Steininger

Pfaffenhofen (PK) Trotz nur drei Fünftel Stachelbären erlebten die Zuhörer am Samstag im Haus der Begegnung ein 100-prozentiges Programm oft bitterböser Realsatire, bei der einem manchmal das Lachen im Halse stecken blieb.

Ohne Brigitte Moser und Volker Bergmeister sind die Stachelbären nach eigener Aussage „nur zu drei Fünfteln besetzt“, was impliziert, dass im kommenden Frühjahr, wenn es wieder um Pfaffenhofen geht, die volle Besetzung auf den Brettern steht. Bis dahin aber agiert das Ensemble quasi als „Stachelbären light“ zu dritt und enthält sich bewusst jeglichen Lokalkolorits, was kein Schaden ist, denn der tägliche Wahnsinn unseres Daseins liefert kabarettistischen Stoff genug. Dabei sind sie nicht frei von Selbstzweifeln, wenn sie die Menschenschlangen sehen, die sich um Eintrittskarten für einen Auftritt von Monika Gruber bemühen: „Was hat die, was wir nicht haben“, fragen sich die Kabarettisten und finden gleich die Antwort: „Vielleicht, weil wir die Texte manchmal erst auf der Bühne erfinden.“

So schlägt das Trio einen großen Bogen über die Tücken des Alltags, den Umgang mit modernen Medien, das Leiden von Veganern, den Auswüchsen der Nobelgastronomie, gegen die CSU und über den Datenschutz: pointiert, spitzzüngig und tabulos. Das machen die drei professionell, mit solistischen Passagen, in permanent wechselnden Duos oder auch im Trio, je nach Thema und gebotener Situationskomik. Die besteht aus geschliffenen Texten, immer auf dem Punkt, mit entsprechender Mimik oder auch per nonverbaler Kommunikation, wenn es darum geht, dem Dritten die kalte Schulter zu zeigen. Situationskomik aber auch bei kleinen Bühnenpannen: So hat Eberle in einem Sketch über mediales „Multitasking“ in der einen Hand ein iPad, in der anderen ein Smartphone, in den Ohren je einen Ohrhörer. Er sei zeitsparend immer „online“, könne gleichzeitig eine Firmenpräsentation vorbereiten, Helene Fischer hören und „die News checken“. Als er beim Text einen „Hänger“ hat, fragt ihn Andre: „Steht der nicht im iPad“ – Gelächter auf der Bühne und im Publikum.

Köstlich auch das Duo Drexler/Eberle, wobei letzterer einen leidenden Veganer mimt, der mit gierigen Augen auf die Rollbratensemmel von Drexler schielt und blitzschnell die Schnur dessen Bratenstücks durch seine Zähne zieht. Als Veganer esse er kein Fleisch, meint Eberle, was bei Drexler schieres Entsetzen auslöst: „Kein Fleisch – immer nur Wurst“ Auch seien für Veganer Reisen nach Kassel oder Wien tabu, „weil die alles meiden, was mit Fleisch oder Tieren zu tun hat, das gilt auch für die Zebrastreifen auf der Fahrbahn“.

Auch bekommt die Gastronomie mit ihrem Hang, banale Gerichte mit großartigen Wortschöpfungen zu versehen, eine volle Breitseite ab: aus einem simplen Weißbier mache die „im Holzfass gereifter gehopfter Sud von fermentierten Weizenkörnern, serviert mit einer Krone aus dem eigenen Saft“. Ohne Grillseminar könne man heutzutage nicht mehr grillen, meint Drexler. Statt wie früher die Kohle mit Spiritus zu marinieren, benutze man heute einen „Anzündkamin“, grille „dry-aged“ Fleisch in einem „Smoker“ per handyüberwachter Kerntemperaturmessung. Das hinge wochenlang in temperierten Reifekammern, und stimmten deren Temperaturgrade nicht, wäre es dank der Bakterien nicht mehr an dem Platz, wo man es zuvor hingehängt habe.

Bitterböse Roland Andre als „Proll“ über die Dritte Welt und die Flüchtlinge, die sich ungeduldig in die Boote „neibatzen“ wie in der Münchener U-Bahn beim Oktoberfest, anstatt auf das nächste zu warten. Bitterböse Realsatire auch, wenn Eberle über die Produktion seiner „unter Fünf-Euro-Jeans“ bis hin zu EU-Subventionen schwadroniert und darüber eine wahnwitzige Kette an weltweiten Zusammenhängen knüpft, in der der Mensch auf der Strecke bleibt – Stoff zum Nachdenken.

Die drei gönnen den Zuhörern keine Pause, ein Gag oder tiefsinniger Denkanstoß jagt den anderen, am Ende immer wieder eine verblüffende Pointe. Witzige Wortspielereien beginnen beim Guglhupf und enden bei Google in all seinen Varianten und somit logischerweise beim Datenschutz, der schon längst den Kampf gegen einen transparenten Bürger verloren hat.

Unmöglich, das über zwei Stunden währende Kabarettprogramm ganz darzustellen. Am besten, man kauft sich Eintrittskarten, auch wenn man vielleicht nicht ganz so lange anstehen muss wie bei der Gruber.

Weitere Vorstellungen gibt es am Freitag und Samstag, jeweils um 20 Uhr im Haus der Begegnung in Pfaffenhofen.