Pfaffenhofen
Moderne Kunst und ein alter Laster

Lukas Pusch nutzt die Pfaffenhofener Kulturhalle ganzheitlich für seine Ausstellung

22.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:38 Uhr

Lukas Pusch (rechts) und der Pfaffenhofener Kulturreferent Steffen Kopetzky vor dem russischen Lastwagen der Marke ZIL-130, mit dem der Wiener Künstler sich auf nach Sibirien machte - Foto: Paul Ehrenreich

Pfaffenhofen (PK) „White Cube“, weißer Würfel, steht auf dem denkwürdigen Aufbau des alten Lastwagens. Beleuchtet ist dieses Schild mit bunten Glühlampen, wie man sie früher bei Gartenpartys an die Laube gehängt hat und sie heute noch gerne bei fliegenden Bauten verwendet.

Der „Cube“ selbst ist gar kein Würfel. Und auch nicht weiß, jedenfalls außen nicht, sondern ziemlich verrostet. Der Würfel, der keiner ist, sondern eher an ein winziges Häuschen erinnert, steht auf der Ladefläche eines alten, erkennbar mitgenommenen Geländewagens. Das ist kein Vehikel der Kategorie mit dem merkwürdigen Namen SUV. Jener blitzenden „Geländewagen“ also, deren gewaltigste Herausforderung darin besteht, täglich den gut asphaltierten Weg von der heimischen Garage zum Kindergarten und retour zu bewältigen. Nein, diesem Lastwagen sieht man an, dass er für härtesten Gebrauch nicht nur geplant, sondern auch dafür genutzt wurde. Die Karre hat erkennbar einiges hinter sich. Das massige Gefährt steht derzeit als augenfälligstes Stück der Ausstellung „Kunstdiskurs mit einer sibirischen Kuh“ von Lukas Pusch in der Kulturhalle in Pfaffenhofen. In altbackenem Hellblau lackiert, an der Stoßstange zwei dicke Abschlepp-Haken, die bestimmt nicht nur zur Dekoration angebracht worden sind.

„Gar nicht so einfach, Ausstellungsräume zu finden, in denen man ihn zeigen kann“, sagt Pusch. Er stammt aus Wien, hat in Moskau Monumentalmalerei studiert. 2008, mit 38 Jahren, beschließt er zusammen mit einem Kollegen: Wir machen eine Galerie. In Novosibirsk entsteht die „White Cube Gallery“. „Das war jetzt unser Zentrum für Moderne Kunst! Das erste in ganz Sibirien.“

Das klingt nach erheblich mehr, als es war. Tatsächlich war es eine Blechgarage. „Überlegen Sie“, sagt Pusch im singenden Wiener Dialekt: „Ein Privatmann, irgendein Künstler kommt aus Wien, kauft sechs Quadratmeter Blech, stellt es neben dem Operngebäude in Novosibirsk auf einen Sockel und macht dort Ausstellungen. Novosibirsk ist immerhin die drittgrößte Stadt Russlands, eine Millionenstadt.“

Die Sache kommt an. So gut, dass binnen nur zwei Jahren sogar zwei weitere Institute für Gegenwartskunst gegründet werden, diesmal von staatlicher Hand. „Man muss das vergleichen“, sagt er, „in Wien haben wir 20 Jahre diskutiert, ob wir eine Kunsthalle brauchen oder nicht. 20 Jahre!“

Aber er will nicht in der Großstadt Novosibirsk bleiben. Raus aufs Land, in kleinen und kleinsten Dörfern will er die Leute mit Moderner Kunst vertraut machen. Nicht als Selbstzweck und Urlaubsfahrt – da ließen sich gefälligere Ziele darstellen – sondern um auch Menschen in kleinen Dörfern Kunst näherzubringen. Und um in Sibirien zu malen. Er kauft den damals bereits alten russischen Wagen vom Typ ZIL-130. „Ich hatte damals nicht mal den Lkw-Führerschein“, sagt er. Das holt er nach. Dann schraubt er seine Blechgarage hinten auf die Ladefläche, lädt Kunstwerke hinein und fährt eine Woche später los: in Richtung sibirisch-mongolische Grenze. „Wenn man aus diesem Gefährt aussteigt, erntet man übrigens auch in Russland eine Welle aus Bewunderung und Mitleid“, lacht er. Aber die Mini-Wanderausstellung kommt an, das russische Fernsehen berichtet, in vielen Dörfern werden Pusch und seine Kunst-Garage bei ihrer Ankunft bereits erwartet.

Rund ein Jahr dauert seine Rundreise durch Sibirien, Tausende von Kilometern. Jetzt zeigt er in seiner Pfaffenhofener Ausstellung „Kunstdiskurs mit einer sibirischen Kuh“ viele dieser Werke aus der Zeit seines Aufenthalts in Sibirien. Darunter so manche, die zum Teil zum ersten Mal öffentlich zu sehen sind.

Die Kulturhalle wird für diese Ausstellung ganzheitlich genutzt. Ganze Wände beschriftet Pusch großflächig mit Ergänzungen, Kommentaren, Anmerkungen; verbindet verschiedene Werke mit Pfeilen und Skizzen. Der alte Laster, er gehört mittlerweile einem Sammler, wird übrigens nach Puschs Rückkehr selbst zum Kunstwerk: 2012 steht er samt Garage am Eingang zur Art Cologne.

Die Ausstellung in der Kulturhalle Pfaffenhofen (siehe auch Seite 14) ist noch bis 20. Oktober zu sehen: mittwoch bis freitags jeweils von 16 bis 19 Uhr sowie samstags, sonntags und am 3. Oktober von 15 bis 18 Uhr.