Pfaffenhofen
Die Hochzeitslader

Panasonic investiert drei Millionen Euro in ein automatisches Kleinteile-Lager bei Eberstetten

07.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:43 Uhr
Das 30 Meter hohe Hochregallager bietet Platz für 4500 Paletten mit Ware. Fotos: Herchenbach 6866 Lagerchef Michael Hauzenberger (r.) und Logistikleiter Gerhard Reiprich vor dem automatischen Kleinteilelager, das gerade aufgebaut wird. −Foto: Albert Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Eigentlich könnten im Pfaffenhofener Ortsteil Weihern ständig die Hochzeitglocken läuten, so oft, wie dort verheiratet wird. Nach Liebe wird bei Panasonic allerdings nicht gefragt. Eher werden dort Zwangsehen zwischen ziemlich ungleichen Beteiligten geschlossen.

Denn was hat ein Akkuschrauber mit einer Kamera zu tun oder ein kleiner Relais-Schalter mit einem Trockenrasierer? Michael Hauzenberger und Gerhard Reiprich sind - um im Bild zu bleiben - die Hochzeitslader: Der Lager- und der Logistikleiter tragen die Verantwortung im europäischen Zentrallager des Elektronik-Riesen Panasonic in Pfaffenhofen, dem "European Distribution Center". Hierher liefert der japanische Konzern meist per Luftfracht seine Produkte, die dann auf Paletten in Hochregalen und Boxen zwischengelagert und für Händler, Autokonzerne und deren Zulieferer zu Paketen neu zusammengestellt werden. "Verheiraten" nennen die beiden Logistikprofis den Vorgang, wenn die Maschinen aus dem Hochregallager etwa 20 Akku-Bohrschrauber gehoben haben und auf den Transportrollen mit Ladegeräten oder anderen Power-Tools zusammenbringen.

Täglich verlassen im Schnitt 230 Sendungen mit einem Gesamtgewicht von rund sieben Tonnen das Lager in Pfaffenhofen. Ziel sind europäische Länder, aber auch Nord- und Südafrika. In Pfaffenhofen geht auch im übertragenen Sinn die Post ab, das Geschäft boomt. Der Konzern baut den Standort aus und investiert gerade knapp drei Millionen Euro in ein automatisches Kleinteile-Lager, das derzeit aufgebaut und am 6. Juni in Betrieb genommen wird.

Um zu verstehen, was in Weihern passiert, muss man ein paar Fakten über den japanischen Konzern kennen. Panasonic, 1918 von Kõnosuke Matsushita in Japan gegründet, startete seine Firmengeschichte mit der Produktion von elektrischen Fahrradlampen und Bügeleisen. Nach Unternehmensfusionen ist der Konzern inzwischen mit einem Umsatz von über 60 Milliarden Euro und einer Viertelmillion Mitarbeitern der sechsgrößte Elektronik-Hersteller der Welt, der die Zeichen der Zeit erkannt hat und sich mehr und mehr als Zulieferer für die Autoindustrie von morgen aufstellt. Geschäftspartner ist unter anderem der Elektro-Autohersteller Tesla, für den Panasonic Batterien baut. "Industrial Automotive" heißt dieser Bereich, zu dem Produkte gehören wie kleine Relais, Kondensatoren, Widerstände - alles Dinge, die ein Auto ans Laufen bringen.

Viele dieser Kleinteile werden schon jetzt in Pfaffenhofen gelagert. Und zwar in Regalboxen, aus denen die Lagermitarbeiter anhand des Bestellzettels die nötigen Artikel entnehmen und sie versandfertig machen. Klingt normal und üblich, ist aber neben dem bestehenden automatischen Hochregallager für Paletten nicht mehr zeitgemäß. Denn da werden die eingehenden Lieferungen von Scannern erfasst. Die vergleichen den Wareneingang mit dem Lieferschein, die Paletten werden maschinell auf Rollbänder gehoben. Ein Wagen, der fast lautlos auf Schienen gleitet, nimmt diese Palette, fährt sie ins Hochregallager und hebt sie bis knapp 30 Meter hoch ins Regal. Der Clou: Die Maschine, die mit doppelter Schrittgeschwindigkeit nach oben saust, "weiß", an welche Stelle der 4500 Palettenplätze sie die neue Lieferung abzusetzen hat. Mit diesen Daten wurde sie schon beim Wareneingang gefüttert.

Neben diesem über 600 Quadratmeter großen Hochregallager entsteht jetzt auf über 1000 Quadratmetern ein automatisches Kleinteilelager, das im Prinzip genauso funktioniert wie der große Bruder in der Halle nebenan. Der Unterschied: Hier werden, wie der Name sagt, kleine Artikel gelagert wie zum Beispiel Relais, die zum Teil gerade mal vier Quadratzentimeter groß sind. Sie werden in 60 mal 40 Zentimeter großen Boxen gelagert. Und die können noch einmal in acht Fächer unterteilt werden. 14 000 Boxenplätze sind in diesem Kleinteilelager vorgesehen, das dann theoretisch 112 000 verschiedene Produkte aufnehmen kann. Wer soll da noch wissen, was in welcher Box steckt, die zudem auch noch hintereinander gestapelt sind? Logistikleiter Reiprich kann sich noch an Eisenwarenhandlungen erinnern, in denen vorn an den Schubladen die Schrauben, Muttern und Winkel befestigt waren, die innen verstaut sind. Ein Unding bei Zehntausenden Produkten, die sich mitunter bis auf winzige Unterschiede wie ein Ei dem anderen gleichen. Wer kann sich das schon merken? Ein Mensch kaum, der zudem noch daneben langen kann. Eine computergesteuerte Maschine schon, und die macht keine Fehler. Sie fährt jede neue Lieferung automatisch an die Regale, sortiert die Ware in die richtigen Boxen und greift dabei sogar in die hinteren Kisten. Schon wieder wurde eine Ehe geschlossen: Der Artikel wurde mit der Box "verheiratet". Genauso holt die Maschine die benötigten Produkte für den Warenausgang zielsicher heraus, legt sie auf das Förderband in bereitstehende Schalen, und die fahren dank eines Codes durch eine Öffnung in die Packhalle zu der passenden Sendung, für die eine andere Maschine die bestellte Ware aus dem Hochregallager geholt hat. Und schon wieder könnten die Hochzeitsglocken läuten - Kleinteile und Palettenware sind miteinander verheiratet worden. Ab in die Kiste, Adressaufkleber drauf - und los geht's mit DHL, UPS, DPD und wie die Paketversender alle heißen.

Rund 40 Mitarbeiter sorgen hier für reibungslose Abläufe, darunter sieben Auszubildende. "Wir brauchen Facharbeiter", sagt Michael Hauzenberger, "und weil die selten sind, bilden wir sie selbst aus." Wer also bei Panasonic in Pfaffenhofen eine Lehrstelle bekommt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch übernommen. Zumal an diesem Standort nicht nur in Technik investiert wird, sondern auch in Menschen. Denn Sinn der digitalisierten Abläufe ist es nicht, Personal einzusparen, sondern Fehlerquellen auszumerzen, betont Hauzenberger. Um drei, vielleicht sogar fünf Mitarbeiter soll in den kommenden Jahren die Belegschaft wachsen. Und das jährlich. "Erst der Mensch, dann das Produkt", das war dem Panasonic-Gründer Matsushita schon vor 100 Jahren wichtig. Diese Einstellung gehört zur Firmenkultur: Als Hauzenberger vor ein paar Jahren zur Belegschaft stieß, staunte er über einen Brief seines Arbeitgebers: Der gratulierte ihm nicht nur zum Geburtstag, es gab auch ein Geschenk: einen halben Urlaubstag.