Pfaffenhofen
Die politische Kirchturmuhr

Warum viele Kommunen immer noch für die Wartung zahlen

13.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:13 Uhr

Die Turmuhr der Kirche in Pörnbach wird regelmäßig gewartet. Die Kosten übernimmt die Gemeinde – als freiwillige Leistung. - Foto: Romlewski

Pfaffenhofen/Pörnbach (PK) Das Ziffernblatt säubern, schief hängende Zeiger richten – viele Kommunen zahlen Jahr für Jahr die Wartung der Kirchturmuhren. Das Kuriose: Die Kirche beruft sich dabei auf eine uralte Gemeindeordnung aus dem 19. Jahrhundert – die so längst nicht mehr gilt.

Eigentlich ging es nur um eine Formalie: In Pörnbach macht die Firma pleite, die sich bislang um die Wartung der Kirchturmuhr gekümmert hat. Die Pfarrkirchenstiftung St. Johannes holt daher ein neues Angebot ein und schickt es an die Diözese Augsburg. Deren Finanzkammer teilt daraufhin mit, dafür sei die Gemeinde Pörnbach zuständig – und verweist auf eine Gemeindeordnung von 1869. Die Kirchturmuhr sei eine öffentliche Uhr und ihr Unterhalt eine „Pflichtaufgabe der politischen Gemeinde“, argumentiert die Diözese. „Dies ist im Grundsatz bis heute unverändert geblieben.“

Das wollte Bürgermeister Alois Ilmberger (Dorfgemeinschaft) so nicht stehen lassen. „Die Diözese meinte, es bestünde ein Rechtsanspruch“, sagt Ilmberger. „Das stammt aus einer Zeit, als die Leute noch keine Armbanduhren hatten und die Kirchturmuhr im Dorf oft der einzige Zeitmesser war.“

Unbestritten ist, dass Kirchtürme jahrhundertelang öffentliche Funktionen hatten, die über das rein Sakrale hinausgingen. Die Glocken läuteten nicht nur zum Gottesdienst, sondern auch wenn ein Feuer ausgebrochen war oder ein feindlicher Angriff drohte. Es gab also neben dem „sakralen Läuten“ immer auch das „öffentlich-rechtliche Läuten“. Auch die Turmuhren dienten bis ins 19. Jahrhundert öffentlichen Zwecken: In Zeiten, in denen jede Stadt ihre eigene Zeitrechnung hatte, bestimmten sie den Lebensrhythmus der Bewohner.

Doch das ist schon lange vorbei. In Zeiten von Armbanduhr und Handy ist niemand mehr auf die Kirchturmuhr angewiesen. Und rechtlich gesehen sind die Kommunen nicht mehr zum Erhalt der Uhren verpflichtet. „Eine Unterhaltungspflicht kann zwar im Einzelfall aus Gründen der Baulast oder aufgrund vertraglicher Festlegungen bestehen. Sofern dies nicht der Fall ist, handelt es sich allenfalls um eine freiwillige Aufgabe“, stellt das bayerische Innenministerium klar. „Mit der Gemeindeordnung hat das aber nichts zu tun“, ergänzt ein Sprecher des Kultusministeriums.

Pörnbach will sich deswegen aber nicht mit der Kirche streiten. Schließlich geht es nur um 75 Euro im Jahr, die die Gemeinde bislang sowieso immer gezahlt hat. „Das Ganze ist nur eine Formalie, weil die alte Firma pleitegegangen ist. Bei der Summe brauchen wir gar nicht reden“, sagt Alois Ilmberger. Außerdem gehört die Kirche ja auch zum Dorf dazu, erklärt Gemeinderat Johannes Hofner (Wählergemeinschaft Puch).

So wie Pörnbach halten es viele Kommunen. „Wegen der besonderen Funktion für das Ortsbild hat sich im Bereich unserer Diözese bislang kein Fall ergeben, in dem sich eine politische Gemeinde an der Instandsetzung des Kirchturmes nicht interessiert gezeigt hätte“, heißt es etwas sperrig bei der Diözese Augsburg. „Wir sehen ein öffentliches Interesse“, bestätigt etwa die Sprecherin der Stadt Pfaffenhofen, Elisabeth Steinbüchler. In Pfaffenhofen sind die Kosten ohnehin überschaubar: Im vergangenen Jahr zahlte die Stadt zwei Rechnungen: 200 Euro für die Kirchturmuhr in Tegernbach und 300 Euro für Ehrenberg. Für die anderen Kirchen haben wir keine Rechnungen bekommen“, sagt Sprecherin Steinbüchler. Entweder werden die übrigen Uhren nicht regelmäßig gewartet oder die Kirche hat die Kosten selbst getragen. Bei den Kirchturmuhren in städtischem Besitz ist die Lage ohnehin klar: Für die Stadtpfarrkirche und die Kirchen in Walkersbach, Förnbach und Niederscheyern muss die Stadt Pfaffenhofen aufkommen.

Je größer eine Kommune, desto teurer kann es werden: Ingolstadt etwa gibt jedes Jahr 16 000 bis 17 000 Euro für die Wartung von 23 Turmuhren aus, von denen nur die an der Spitalkirche in städtischem Besitz ist. „Gewohnheitsrecht“ sei das, so Stadtsprecher Gerd Treffer.

Nicht alle Kommunen haben allerdings immer klaglos gezahlt: Der Stadt München wurden Wartung und Reparaturen in den 1990er Jahren zu teuer. Man wollte sparen. Die Kirche sollte für die – umgerechnet – 150 000 Euro einen Kostenausgleich zahlen, forderte der Stadtrat. Münchens Pfarrer waren empört, die Politik ruderte zurück. Heute gibt München für die Wartung der 119 Kirchturmuhren und anderer öffentlicher Uhren 50 000 Euro im Jahr aus. Nur wenn besondere Reparaturen anfallen, muss sich die Kirche beteiligen.