Pfaffenhofen
Die Kunst als Selbstverständliches

Große Musiker vor kleinem Publikum in der Stadtpfarrkirche

12.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Könner am Werk: Klaus Mertens (links) und Gerhard Weinberger lockten trotzdem nur wenige Besucher in die Stadtpfarrkirche. - Foto: Erdle

Pfaffenhofen (PK) Vor der ernüchternden Kulisse von bestenfalls 50 Besuchern haben die Rathauskonzerte einen beeindruckenden Abschluss gefunden, als Klaus Mertens und Gerhard Weinberger in der Stadtpfarrkirche vorführten, wie kunstvoll-subtil sich auf höchstem Niveau musizieren lässt.

Vorauszuschicken ist, dass der Rezensent nichts gegen Hansi Hinterseer hat, der regelmäßig etwa die Ingolstädter Saturn-Arena füllt. Gerne würde der Kritiker von einem ähnlich überfüllten Konzertabend berichten, wo doch mit Klaus Mertens, seit über 35 Jahren herausragender Bass-Bariton insbesondere auf dem Felde der barocken Musik, und Gerhard Weinberger, seit dem Gewinn beim ARD-Wettbewerb 1971 eine feste Größe in der internationalen Organistenlandschaft, zwei ausgewiesene Könner aufgeboten waren. Der eine hat Bachs komplettes Orgelwerk, der andere sämtliche Basspartien in den Bach-Kantaten im Repertoire und auf CD aufgenommen. Und bevor Klaus Mertens in den folgenden Wochen mit Ton Koopman und dem Amsterdam Baroque Orchestra Bachs Passionen etwa in Versailles, Verona und Amsterdam aufführt, ist es gelungen, ihn (der auch in Professor Weinbergers Abschiedskonzert an der Detmolder Musikhochschule mit Bachs h-Moll-Messe mitgewirkt hat) nach Pfaffenhofen zu engagieren. Immerhin knapp 50 Zuhörer fanden sich ein und erlebten ein in seiner Innigkeit und Noblesse bezwingendes Konzert. "Nobel" ist in der Tat das Wort, das Klaus Mertens Bariton am besten beschreibt - eine Stimme von wärmstem Timbre, stets tonschön bei deutlichster Artikulation und gestalterischer Klarheit, nirgends forciert und ohne marktschreierische Effekte, zu plastischem Ausdruck wie großem Stimmklang fähig. Eine wahrlich beglückende Hörerfahrung.

Hervorgehoben seien die Miniaturen aus dem Bach-Schemelli-Gesangbuch, ebenso einfühlsam begleitet von Gerhard Weinberger, die wahrlich nicht als "Donnerworte" erklangen, sondern als echter Trost in Liedform. Auch der Wechsel von den Strophen zum fröhlichen Halleluja-Refrain in einer frühbarocken Kantate von Alessandro Grandi überzeugt hier durch feine Nuancierung viel stärker als es durch vordergründiges Fortissimo möglich wäre. Gestalteten die beiden Künstler den ersten, barocken Teil im Altarraum und mit der Truhenorgel, wechselten sie für die zweite Konzerthälfte mit vornehmlich spätromantischer Literatur auf die Orgelempore. Gerhard Weinberger nutzte die klanglichen Möglichkeiten der Sandtner-Orgel für Bachs in vieler Hinsicht große c-Moll-Passacaglia BWV 582 auf das Eindrucksvollste; es gelang ihm bei aller komplexen Gestaltung der insgesamt 21 Variationen und bei allem Reichtum an innerem Gehalt die beeindruckenden Steigerungen und Stockungen der Passacaglia für den Zuhörer als nachvollziehbar-erfassbar, sozusagen ganz "organisch", darzustellen. Zu den Höhepunkten zählten Max Regers zwei geistliche Lieder op. 105, deren enormen, fast impressionistischen Farbreichtum Mertens und Weinberger mit einem Höchstmaß an Nuancierung füllten. Mit ebenso fein wie stimmstark gestalteten Auszügen aus Dvoráks "Biblischen Lieder" in der tschechischen "Sprechmelodie" des Originals endete ein vergleichsweise intimer, aber deshalb um nichts weniger beeindruckender Abend, in der Tat ein Höhepunkt der Saison 2017/18.

Stell Dir vor, es ist Konzert und keiner geht hin: Wenn selbst mit europaweit renommierten Künstlern in Pfaffenhofen nicht ein ansatzweise gefülltes Haus zu erreichen ist, sollte man in die Organisation von Rathauskonzert-Zusatzkonzerten keinen weiteren Aufwand mehr investieren und das nächste Mal wahrscheinlich besser drei Freikarten für Hansi Hinterseer verlosen.