Pfaffenhofen
"Das Wasser ist der Terrorist der Atmosphäre"

TV-Moderator und Physik-Professor Harald Lesch philosophiert im Stockerhof über die Energiewende

16.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:07 Uhr

Profi aus Leidenschaft: Harald Lesch sorgte mit seinem Vortrag für den Höhepunkt der Energie-für-alle-Wochen - Foto: Paul

Pfaffenhofen (PK) Gute Professoren wissen: Bei Vorlesungen in den späten Abendstunden müssen sie den Studenten aufgrund der natürlich bedingten Ermattungserscheinungen einen hohen Unterhaltungswert bieten – der im Idealfall reziprok zur Komplexität des präsentierten Sachverhalts steht.

Harald Lesch, ZDF-Moderator („Terra X“, „Abenteuer Forschung“) und seit fast 20 Jahren Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Astrophysik an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, beherrscht diese Kunst mit Bravour: Nicht nur, dass ihm sein Publikum bei den Energie-für-alle-Wochen im vollbesetzten Stockerhof mit höchster Konzentration folgte. Immer wieder schlugen sich die Zuhörer auf die Schenkel vor Lachen. Der ganze Saal applaudierte. Erfreulich: Der 54-Jährige kommt ohne Power-Point-Präsentation aus – er bestreitet den knapp einstündigen Ritt durch die Welt der Technik allein dank seiner rhetorischen Begabung.

Diese Veranstaltung mit dem eher allgemein gehaltenen Titel „Bemerkungen zur Energiewende“ war definitiv der bisher amüsanteste und für Laien auch am besten verständlichste Teil innerhalb der Energie-für-alle-Woche des Pfaffenhofener Energie- und Solarvereins. Es ist ja auch nicht so, dass Lesch das Objekt seiner Ausführungen simplifiziert. Nein. Nur sieht er es, anders als viele seiner Berufskollegen, nicht als Ausweis von wissenschaftlicher Reputation an, von möglichst wenigen, intellektuell privilegierten Leuten verstanden zu werden.

Obendrein kommt ihm seine akademische Doppelbegabung zugute: Harald Lesch lehrt neben Physik auch Philosophie. Natur und Technik beziehungsweise Seele und Geist – das sind für ihn nur zwei Seiten einer Medaille. „Wir handeln als Gesellschaft in technologischer Hinsicht ja so was von irrational: Wir investieren teure Ingenieursleistung, nur damit die Luxusautos für einige wenige Leute immer besser werden, damit der obere Teil des Außenspiegels anders beheizt wird als der untere – anstatt endlich neue, energiesparendere Modelle für die breite Masse der Bevölkerung zu entwickeln.“

Physik – das ist ja die Welt der unbelebten Materie. Dem lernenden Menschen, das haben Leschs Kollegen aus der Pädagogik und Didaktik herausgefunden, erschließen sich aber Zusammenhänge eher, wenn man sie personalisiert und in einen aktuellen Kontext setzt. Bei Professor Lesch heißt das dann beispielsweise: „Das Wasser ist der Terrorist der Atmosphäre.“ Auf der Welt gibt es mehr Starkregen, so der Professor, das könne nun wirklich keiner mehr leugnen. „Und wann verdampft Wasser? Wenn es wärmer wird!“ Dem Wasser sei es „völlig egal, wo sie politisch stehen – ob Kommunist oder Kapitalist: Es verhält sich, wie es die Naturgesetze verlangen. Es verdunstet. Die Natur ist da erbarmungslos.“

Gute Professoren nehmen das Auditorium übrigens auch nicht als homogene Masse wahr, sondern reagieren auf spontane Vorfälle, bauen sie ein in ihren Vortrag. Als plötzlich das Mikro aufgrund einer technischen Störung kurzzeitig den Dienst verweigert, ruft Lesch in den Saal: „Ist jemand von der NSA da? Ja? Dann stellen Sie den Vortrag bitte ins Netz.“

Aber auch wenn Leschs Ausführungen sehr humorvoll gerieten – eine ernste Botschaft treibt den Professor durchaus um. Auch er ist ein entschiedener Befürworter der Energiewende. „Nur weil die Briten und einige Vollpfosten in anderen Ländern gerade wieder neue Atomkraftwerke bauen, müssen wir es ihnen ja nicht nachmachen“, appelliert er leidenschaftlich an seine Zuhörer. „Wir stehen bei den alternativen Energien vor einer Vielzahl von Technologien, die längst vorhanden sind, die muss man nicht mehr erfinden.“