Pfaffenhofen
86-Jähriger tot, 90-Jähriger vor Gericht

Unfall auf einem Gehweg in Manching: Pkw-Fahrer weist Schuld von sich

04.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:07 Uhr

Pfaffenhofen/Manching (PK) Ist ein 90-jähriger Pkw-Fahrer schuld am Tod eines 86-jährigen Radlers? Oder ist der ihm ins Auto gefahren? Und starb der betagte Mann an den Folgen des Sturzes oder an einer Lungenentzündung? Die Staatsanwaltschaft wirft dem 90-Jährigen fahrlässige Tötung vor.

Bei dem Prozess, der momentan am Pfaffenhofener Amtsgericht läuft, geht es um einen verhängnisvollen Zusammenstoß am 11. April vergangenen Jahres: Gegen 11 Uhr bog der Rentner mit seinem Wagen in Manching auf der Bergstraße rechts in ein Grundstück ab. Dabei, so die Anklage, übersah er den Radfahrer, der verbotswidrig in der gleichen Richtung auf dem Gehweg unterwegs war. Es kam zum Zusammenstoß, der 86-Jährige stürzte vom Rad, schlug mit dem Kopf auf den Asphalt auf und erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Vier Wochen später starb er. Der Tod des Radfahrers, sagt die Staatsanwaltschaft, sei kausal auf den Verkehrsunfall zurückzuführen. Die Verletzungen seien "todesursächlich" gewesen, so die Anklage.

Das Amtsgericht schickte dem Rentner einen Strafbefehl über 3600 Euro und verhängte ein Fahrverbot von einem Monat. Dagegen legte der 90-Jährige Einspruch ein: Nicht er sei schuld, sondern der Radfahrer. Sein Pkw habe gestanden, der Radler sei ihm reingefahren. Walter T. (alle Namen geändert) hat sichtlich Mühe, der Verhandlung akustisch zu folgen. Für ihn redet sein Anwalt Klaus Wittmann, der den Zeugen dieses Unfalls gleich auf eine Schwachstelle in seiner Aussage aufmerksam macht. Martin F., 32, ist Hausmeister und hatte an der Grundstückseinfahrt Pause gemacht, als er den Unfall bemerkte. Gerade mal drei Meter sei er vom Geschehen entfernt gewesen. Damals bei der Vernehmung durch die Polizei hatte er zu Protokoll gegeben, den Unfall beobachtet zu haben: Walter T. sei langsam nach rechts abgebogen und hätte dann den Radfahrer umgefahren. Ob er denn die ganze Zeit den Straßenverkehr beobachtet habe, fragt Anwalt Wittmann. Nein, sagt der Zeuge eineinhalb Jahre später, er habe erst bei dem Aufprallgeräusch hochgeschaut.

Dann hätte er ja gar nicht sehen können, so der Verteidiger, wie es zum Unfall gekommen ist. Der Verteidiger fordert, das Verfahren einzustellen. Die Staatsanwältin lehnt das bei der Schwere des Delikts ab.

Das Gericht hat eine Rechtmedizinerin als Gutachterin geladen. Detailliert schildert sie den Befund der Obduktion, auch den Krankheitsverlauf. Dass Walter T. möglicherweise im Krankenhaus an einem Schlaganfall starb, schließt sie aus. "Das Herz war für dieses Alter erstaunlich unauffällig, er hätte sicher länger gelebt als bis zum Todeszeitpunkt." Schon kurz nach dem Unfall sei der 86-Jährige an einer schweren Lungenentzündung erkrankt, ein typischer Befund bei solchen Kopfverletzungen. Mit verschiedenen Antibiotika versuchten die Ärzte, die Entzündung in den Griff zu bekommen, bis der Sohn des Unfallopfers entschied: Die Ärzte sollen die Medikamente absetzen und die lebensverlängernden Maßnahmen bei seinem Vater, der zwischenzeitlich künstlich beatmet wurde, einstellen. Aber auch die Schädelverletzungen hätten, sagt die Gutachterin, sicher zum Tod geführt, aber er hätte noch weiterleben können.

Was bedeutet: Walter T. starb am 7. Mai nicht an seinen Kopfverletzungen, sondern an Lungenentzündung. Dann hätte sich der 90-Jährige allenfalls der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht - wenn er denn überhaupt den Unfall verursacht haben sollte.

Amtsrichterin Nicola Schwend hat die Verhandlung unterbrochen, beim nächsten Termin soll ein weiterer Zeuge zum Unfallhergang vernommen werden.