Pfaffenhofen
"Heimat ist da, wo das Gefühl ist"

Zwei Generationen im Interview über Tradition, Brauchtum und das Zuhause

08.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:20 Uhr

Zwei Generationen vereint: Die 19-jährige Christina Huber aus Fürholzen tanzt mit dem 58-jährigen Vorsitzenden des Trachtenvereins Ilmtaler Pfaffenhofen, Hans Felbermeir. - Foto: Brenner

Pfaffenhofen (PK) Was bedeutet Tradition für die alte und die junge Generation? Wir wollten es wissen und haben uns für den neunten Teil unserer Serie "Bayern 2025" mit zwei Mitgliedern des Trachtenvereins Ilmtaler Pfaffenhofen zusammengesetzt. Der 58-jährige Vorsitzende Hans Felbermeir und die 19-jährige Zweite Schriftführerin Christina Huber sprechen im Interview über Werte, Familie und die Heimat.

Der Trachtenverein hat heuer 175 Mitglieder, 25 gehören zum Nachwuchs. Im kommenden Jahr feiert er sein 90-jähriges Bestehen.

 

Frau Huber, wieso machen Sie als 19-Jährige bei einem Trachtenverein mit?

Christina Huber: Ich bin schon als Siebenjährige mitgehupft und so in den Verein hineingewachsen. Es geht mir aber nicht nur um das Tanzen, sondern auch darum, die bayerische Sprache zu erhalten.

 

Und Sie, Herr Felbermeir?

Hans Felbermeir: Ich bin seit 1978 dabei und über meine damalige Freundin und jetzige Frau zum Verein gekommen. Seither hat sich kaum etwas geändert. Das Brauchtum - auch das kirchliche - wird weiterhin gut gepflegt. Zudem haben wir immer junge und alte Mitglieder. Wir haben unsere Kinder mit der Tragtasche mitgenommen, sodass sie den Trachtenverein von klein auf kannten.

 

Und er zum Teil ihrer Heimat wurde. Was bedeutet das eigentlich für Sie, Frau Huber - Heimat?

Huber: Heimat ist da, wo das Gefühl ist. Da, wo ich meine Freunde und meine Familie habe. Es geht um Traditionen, die beibehalten werden. Unser grüner Rock zum Beispiel beim Trachtenverein, der repräsentiert den Hopfen. Allerdings kann ich mir schon auch vorstellen, die Heimat für den Job zu verlassen. Aber nur für eine begrenzte Zeit, danach möchte ich aber zu meinen Wurzeln zurückkehren.

 

Würden Sie Ihre Heimat Raitbach verlassen, Herr Felbermeir?

Felbermeir: Auf keinen Fall. Ich brauche das Vogelpfeifen in der Früh und muss mich mit den Leuten in meinem Umfeld verstehen. Das Vertraute, das Ländliche, das mag ich. In meinem Beruf war ich in ganz Bayern unterwegs, und ich hab eigentlich immer geschaut, dass ich wieder möglichst schnell nach Hause komme.

 

Sind Sie stolz auf Ihre Heimat?

Felbermeir: Ja, auf jeden Fall. Warum auch nicht? Übertreiben muss man natürlich nicht. Es ist wichtig, tolerant gegenüber anderen zu sein.
 

Die Zuwanderung beeinflusst unsere Gesellschaft wie kaum zuvor. Sehen Sie das Brauchtum in Gefahr?

Felbermeir: Unser Verein hat da überhaupt kein Problem. Wir haben zum Beispiel mit afrikanischen Gruppen Auftritte im Wechsel gehabt. Das ist interessant, wenn man miteinander etwas macht. Ich habe da aber eine kleine Sorge. Die Fremden werden mehr, sie bringen ihr Brauchtum mit. Wir als Einheimische müssen schon aufpassen, dass das eigene Brauchtum nicht untergeht.

 

Frau Huber, wird Ihre Generation das Brauchtum erhalten?

Huber: Mir ist es schon sehr wichtig. Aber heutzutage wissen viele junge Menschen nicht mehr, was für traditionelle Feste es gibt und warum man sie feiert. Zur Kirche gehe ich selbst auch nicht regelmäßig. Das ist ein schwieriges Thema.

 

Wieso?

Huber: Es gibt keinen Druck, dass man in die Kirche gehen soll.

 

Hat Ihre Generation versäumt, Druck auszuüben, Herr Felbermeir?

Felbermeir: Früher war der sonntägliche Gottesdienst Pflicht. Heute ist man halt nicht mehr so streng. Wir haben bei uns allerdings schon geschaut, dass unsere Kinder regelmäßig mitgehen. Heute entscheiden sie das natürlich selbst. Für mich war es ein bisschen schwierig, dass der Kirchgang nicht mehr als Pflicht gesehen wurde. Aber das muss man akzeptieren.

 

Ist es so, dass unserer Gesellschaft generell die Werte verloren gehen?

Felbermeir: Teilweise schon. Bei uns im Verein ist es zum Beispiel schon wichtig, dass man auch Pflichten einhält. Die Tendenz geht aber doch allgemein dahin, dass wir uns immer mehr in eine Spaßgesellschaft verwandeln. Jeder geht dahin, wo er mehr Spaß vermutet, egal ob er bereits woanders zugesagt hat. Die Leute wollen sich schon gar nicht mehr festlegen.

 

Stimmt das, Frau Huber?

Huber: Viele fühlen sich tatsächlich nicht dafür verantwortlich, dass sie bestimmte Zeiten einhalten müssen. Es gibt so viele Angebote, da muss man sich heutzutage schon Prioritäten setzen.

 

Früher war es so, dass viele jungen Menschen traditionell schnell Familien gegründet haben. Ist das heute noch die Priorität?

Huber: Also mir ist es auch wichtig, dass ich meine Hobbys ausleben kann. Familie kann auch später noch kommen. So etwas kann man sowieso nicht planen. Wenn es passt, dann ist es gut, aber es ist kein Zwang.

 

Wie war das bei Ihnen, Herr Felbermeir?

Felbermeir: Für mich gab es schon als junger Mann das klare Ziel, so schnell wie möglich eine Familie zu gründen. Ich bekomme oft mit, dass Frauen und Männer heutzutage immer später Familien gründen. Ich kann das aber durchaus nachvollziehen. Die jungen Leute haben heute viel mehr Möglichkeiten.

 

Das Gespräch führte

Desirée Brenner.