Ärger und Unverständnis überwiegen

Der heute beginnende Lokführerstreik bringt viele Bahnpendler auf die Palme

05.11.2014 | Stand 02.12.2020, 22:02 Uhr

Mit Infotafeln macht die Deutsche Bahn in Pfaffenhofen auf Einschränkungen wegen des Bahnstreiks aufmerksam. Laut Bahnangaben soll wenigstens ein Drittel der Züge fahren - Foto: Straßer

Pfaffenhofen (PK) Seit heute Nacht um 2 Uhr fallen deutschlandweit Züge aus: Fast 100 Stunden wollen die Lokführer streiken, das hat auch Auswirkungen auf Pendler und Reisende aus der Region. Die Reaktionen reichen von offenem Ärger bis hin zu Solidaritätsbekundungen.

Erst am Montagmorgen um 4 Uhr wollen die Lokführer die Arbeit wieder aufnehmen, wie die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ankündigt. Das heißt für Bahnreisende: Sie müssen sich auf Ersatzfahrpläne einstellen, Verspätungen, Zugausfälle und Schienenersatzverkehr sind die Folge. Wir haben uns bei Bahnpendlern im ganzen Landkreis umgehört, ob sie für den neuen Streik Verständnis haben und wie sie sich vorbereiten.

Jonas Straub aus Wolnzach ist Schüler am Apian-Gymnasium in Ingolstadt. Jeden Morgen fährt er von Rohrbach mit dem Zug zur Schule. Für heute hat sich seine Mama Gaby eine Art Notfallplan zurechtgelegt, denn: „Am Schalter am Bahnhof hat mir gestern niemand sagen können, ob der Zug fährt oder nicht, deshalb richte ich mich jetzt einfach darauf ein, dass ich die Kinder mit dem Auto nach Ingolstadt bringen muss.“ Denn dass Jonas und seine anderen Schulkameraden aus Wolnzach rechtzeitig im Klassenzimmer sitzen, ist heute besonders wichtig: Sie schreiben in der ersten Stunde eine Schulaufgabe. Für die erneuten Streiks der Lokführer und vor allem die zähen Informationen dazu – am Bahnhofschalter wurde sie auf aktuelle Nachrichten aus dem Internet verwiesen – bringt Gaby Straub wie übrigens auch andere Mütter aus der Wolnzacher Fahrgemeinschaft der Apianschüler nur wenig Verständnis auf: „Wir können doch nicht riskieren, dass unsere Kinder am Bahnhof stehen bleiben.“ Gottseidank sei es ihr möglich, die Kinder selbst chauffieren zu können. „Andere Eltern können das vielleicht nicht.“

Ähnlich geht es Petra Zeitler aus Ilmmünster. Ihre Kinder Theresa und Lukas müssen für ihre Ausbildung beide nach München. Beim zurückliegenden Streik der Lokführer sei für die beiden vor allem die Heimfahrt ein Problem gewesen. Abends sei kein Weiterkommen mehr möglich gewesen. Petra Zeitler holte ihren Nachwuchs schließlich in Garching ab. „Die Leidtragenden des Streiks sind die Kunden – dafür habe ich kein Verständnis mehr“, schimpft sie.

„Stinksauer“ zeigt sich auch Axel Meier aus Niederlauterbach. Er nutzt regelmäßig den Zug ab Rohrbach für seine Fahrt zum Arbeitsplatz in München, die neuen Streiks machen ihn wütend: „Das ist eine große, große Sauerei, die Gewerkschaften arbeiten hier allesamt kontraproduktiv zu Lasten von uns Pendlern.“ Von daheim aus arbeiten, mit dem Auto ins Büro fahren oder aber das Risiko eingehen, sich doch in einen der Züge aus dem Notfallfahrplan zu setzen – das sind seine Optionen für die Streikzeit.

Ähnlich richtet sich der Wolnzacher Joachim Spiegel ein. Der Historiker ist an sich eigentlich überzeugter Bahnnutzer, fährt seit vielen Jahren regelmäßig von Rohrbach nach München. Heute aber eher nicht: „Ich werde wahrscheinlich von Zuhause aus arbeiten“, erzählt er.

Der Geisenfelder Hubertus Grabmair, der in der Personalabteilung einer Versicherung in München arbeitet, findet das Streikrecht prinzipiell wichtig, für die „Machtspielchen“ der GDL-Oberen fehle ihm jedoch jedes Verständnis. „Das ist schon ärgerlich“, sagt der 29-Jährige, der an normalen Tagen um 4.51 mit dem Zug von Rohrbach nach München und gegen 16 Uhr wieder nach Hause fährt. Während des Streiks wird er wohl aufs Auto umsteigen und sich dabei „auf längere Staus einstellen, zumindest bei der Rückfahrt“. Sollte sich die Situation hier als besonders schlimm herausstellen, hat er einen „Notfallplan“, der schon beim jüngsten Lockführerstreik zum Einsatz kam: „Mit der U-Bahn bis Garching-Hochbrück, und von da abholen lassen.“

Pfaffenhofens Dritter Bürgermeister Roland Dörfler (Grüne) hat zum Streik eine ambivalente Meinung. Das liegt daran, dass er einerseits selbst mit der Bahn nach Nürnberg pendelt, andererseits aber hochrangiger Gewerkschafter bei der Agentur für Arbeit ist. In dieser Rolle zeigt er Verständnis für die Lokführer: „Viele der Forderungen sind berechtigt“, sagt Dörfler. Das versuche er sogar Mitreisenden, die mit ihm auf verspätete Züge warten, zu erklären. „Ich versuche, den Groll abzufangen.“ Gelingen dürfte ihm das nicht immer, und aus Bahnfahrersicht versteht er den Ärger der Mitreisenden: „Es nervt ohne Ende.“ Statt normal eindreiviertel Stunden habe er beim bisher letzten Streik vier Stunden gebraucht. Als ein Problem sieht er, dass die GDL nur die Berufsgruppe der Lokführer vertrete, nicht aber die anderen Bahnangestellten wie Rangierer oder das Zugpersonal. „Das kreide ich der GDL an.“

Dörflers Stadtratskollege Michael Kaindl (CSU) hat da weniger Verständnis. „Der Schaden für die Allgemeinheit ist immens“, sagt er. Er muss in der Früh nach Ingolstadt und begegnet dem Streik mit einer Portion Fatalismus: „Ich probier’s einfach mal um 6 Uhr, sonst radel ich halt wieder heim und fahre mit dem Auto.“

Die Geisenfelderin Claudia Müller hofft, dass sie dem Streik zeitlich ausweichen kann. Eigentlich müsste sie heute ins Büro nach München, „aber vielleicht kann ich Überstunden abbauen“, erzählt die 50-Jährige, die als Teilzeitkraft im Sekretariat einer Wirtschaftskanzlei tätig ist. Falls sie aber in die Arbeit muss, will die Geisenfelderin, die normalerweise den Regionalzug um 7.23 Uhr ab Rohrbach nimmt, mit dem Auto fahren – „halt dann sehr frühzeitig“. Auf das „Lotteriespiel“, ob ein Zug fährt oder nicht, kann sie sich nicht einlassen. Vier Tage Streik findet Claudia Müller „schon krass“: „So ein rücksichtloses Verhalten können sich wirklich nur ein paar wenige Branchen leisten.“

Dieser Meinung schließt sich auch Natalie Reinhardt an. Die Schülerin ist jeden Tag auf den Regionalzug um 7 Uhr von Pfaffenhofen nach Ingolstadt angewiesen. Oft genug stünde sie am Bahnsteig des Ingolstädter Hauptbahnhofs und warte vergeblich auf einen Zug – oder wenigstes einen Bus, der sie in Richtung Heimat bringt. „Ein so großer Streik ist nicht nur eine nervliche Belastung, sondern auch eine finanzielle“, kritisiert die 18-Jährige. Schließlich koste ihr Monatsticket viel Geld.

Ähnlich denkt Maximilian Wildgruber über den Ausstand. Den viertägigen Streik der Lokführer findet er übertrieben. „Und ich glaube, da spreche ich im Namen aller Bahnnutzer.“ Der 17-jährige Zerspannungsmechaniker, der von Reichertshausen nach München pendelt, überlegt schon länger, vom Zug auf eine Autofahrgemeinschaft umzusteigen – nicht nur wegen der Zugausfälle, sondern auch wegen des für Auszubildende hohen Fahrkartenpreises.

Deutlich gelassener sieht Manfred Danner aus Ilmmünster den heute beginnenden Streik. Aus gutem Grund: Er pendelt zwar auch, aber nicht mit der Bahn. Der 51-Jährige fährt schon seit mehreren Jahren mit dem Auto zu seinem Arbeitgeber nach Landshut und „die Autobahnen im Raum München sind sowieso ständig überfüllt“. Da müsse man auch schon mal den Weg über die Landstraße in Kauf nehmen, um wenigstens abends der „Rushhour“ zu entgehen.