Pfaffenhofen
Partnerschaft mit Tarnów auf der Kippe

Erste Forderungen nach einem Ende der Beziehungen - Landrat Gürtner will Brief an seinen polnischen Amtskollegen schreiben

12.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:11 Uhr
Fahnentausch 2002: Der damalige Landrat Rudi Engelhard (rechts) schwenkt die deutlich kleinere Fahne des Partnerlandkreises Tarnów. Engelhard wurde zum Ehrenbürger des polnischen Landkreises ernannt. Die Pfaffenhofener Landkreisfahne hält der damalige Landrat von Tarnów, Michal Wojtkiewicz, dem der Pfaffenhofener Kreistag 2015 die Goldene Ehrenmedaille verliehen hat. Wegen der Äußerungen des jetzigen Landrats von Tarnow, Roman Lucarz, bezüglich Schwulen und Lesben sowie einer umstrittenen "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" ist die Fortsetzung der Partnerschaft fraglich. −Foto: Archiv/PK

Pfaffenhofen - Die Entwicklungen in Pfaffenhofens Partnerlandkreis Tarnów haben hierzulande erste Reaktionen ausgelöst. Landrat Albert Gürtner (FW) will einen Brief an seinen polnischen Amtskollegen Roman Lucarz schreiben. SPD-Kreisvorsitzender Markus Käser und die Grünen-Kreisvorsitzende Kerstin Schnapp wollen die Partnerschaft auf Eis legen. Das fordert auch Norbert März, Gründer des Netzwerks "Queer Pfaffenhofen".

 

Tarnów hatte vergangenes Jahr unter anderem die umstrittene "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" beschlossen und Landrat Lucarz hatte sich mehrfach zu dem Thema geäußer. Unter anderem sagte er in einem Interview, Passivität in der Lesben- und Schwulenfrage sei "schweigende Zustimmung zu etwas Krankhaftem".

Pfaffenhofens Landrat reagierte angesichts der Entwicklungen erst einmal zurückhaltend: "Ich will da jetzt nichts überstürzen", so Gürtner. Zunächst wolle er die Sache intern mit den Fraktionsvorsitzenden besprechen, auch auf der Agenda der nächsten nicht-öffentlichen Kreistagssitzung stehe es. Das Thema gebe es ja bereits länger, so Gürtner weiter. "Persönlich finde ich es natürlich nicht gut, was da passiert." Aber man müsse viele Partnerschaften aufkündigen, wenn man Bürgerrechte als Argument anführe. Dennoch will Gürtner nun reagieren: "Ich werde einen Brief an den Landrat von Tarnów schreiben." Dieser werde zwar nett, aber auch deutlich sein.

Außerdem werde Altlandrat Rudi Engelhard (CSU) demnächst nach Tarów reisen, "ihm werde ich das Thema auch mit auf den Weg geben". Engelhard unterzeichnete 2001 während seiner Amtszeit den Partnerschaftsvertrag. "Das Angebot ist damals von Polen gekommen", sagt er gegenüber unserer Zeitung. Es sei ein Zeichen der Versöhnung gewesen, schließlich habe die Waffen-SS während des Zweiten Weltkriegs Massenmord an den Tarnówern begangen. Seine Ehrenbürgerschaft sei ihm sogar verliehen worden, obwohl es damals Proteste von polnischen Rechtsradikalen gegeben habe. In den vergangenen Jahren habe es jedes Jahr einen Austausch mit Schülergruppen gegeben, zudem habe der Landkreis Pfaffenhofen seinen polnischen Partner unter anderem bei der Entwicklung der örtlichen Feuerwehr und beim Hochwasserschutz unterstützt. Aus Tarnów kämen zudem viele Erntehelfer zum Spargelstechen in den Landkreis. Die Schwulen- und Lesbenfrage sei bei seinen zahlreichen Besuchen nie thematisiert worden, so Engelhard. Er würde so etwas auch nie öffentlich thematisieren, "denn sie wollen von Deutschen nicht beleert werden". Im persönlichen Gespräch allerdings werde er die Sache auf jeden Fall ansprechen, "da kann man viel erörtern". Generell sei es falsch, die Partnerschaft wegen unterschiedlicher Meinungen in dem Thema aufzugeben, so der Altlandrat. "Ausgrenzung ist eine Katastrophe."

SPD-Kreisvorsitzender Käser hingegen ist sich sicher: "Der Landkreis muss und wird sich positionieren", schreibt er in einem sozialen Netzwerk. "Diese unsägliche und letztlich ungelebte Partnerschaft basiert auf alten Jagdfreundschaften des Altlandrats." Dem widerspricht Engelhard scharf: "Das ist der Gipfel des Schwachsinns", sagt er. "Ich war genau einmal in 20 Jahren in Polen auf der Jagd."

Jagd hin oder her - für Käser überwiegen momentan die Gründe gegen die Partnerschaft: "Wir können keine Partnerschaft mit Organisationen pflegen, in der Menschen allein auf Grund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung unter dem Vorwand kulturell-religiöser Identität erniedrigt und diskriminiert werden." Er werde deshalb im Gespräch mit Landrat und Fraktionssprechern vorschlagen, die Partnerschaft bis auf Weiteres auf Eis zu legen. Schließlich wären auch keine Geschäfte gefährdet, da es bei dieser Partnerschaft überhaupt "keine klaren Entwicklungsziele" gebe, so Käser gegenüber unserer Zeitung.

Auch die Grünen-Kreisvorsitzende Kerstin Schnapp meldete sich zu Wort, sie denkt in eine ähnliche Richtung: Die Partnerschaft sei einst entstanden, weil man den europäischen Gedanken ausbauen wollte, "aber diesen sehe ich nun massiv in Gefahr". Auch Schnapp möchte die Partnerschaft am liebsten auf Eis legen. Generell reagiere man jetzt "vielleicht schon etwas zu spät", da die Entwicklung schon länger andauere. Trotzdem müsse man nun "klare Kante" zeigen, "wir dürfen die Partnerschaft jetzt nicht einfach ohne ein Statement auslaufen lassen". Trotzdem könne man darüber reden, wie man im Austausch mit der Opposition im Landkreis Tarnów bleiben könne.

Den Austausch mit LGBT-Netzwerken in Polen sucht nun auch Norbert März, Gründer des Netzwerks "Queer Pfaffenhofen". Für März, der 2017 mit seinem Lebenspartner Andreas Sigl-März nach Einführung der Ehe für alle als erstes homosexuelles Paar in Pfaffenhofen den Bund der Ehe einging, ist es schwer zu ertragen, "wenn der Wahnsinn durch unseren Partnerlandkreis galoppiert". Die Resolution habe zwar keinerlei rechtliche Wirkung, "doch sie führt zur Stigmatisierung eines Bevölkerungsteils". Landkreispartnerschaften basierten auf der Achtung der Menschen- und Persönlichkeitsrechte, "und wenn das nicht funktioniert, dann sollte man wie in jeder Partnerschaft, egal ob homo oder hetero, über Scheidung nachdenken und in die Zukunft blicken, und nicht zurück ins Mittelalter," so März.

Am Freitagabend sollte eine Videokonferenz zwischen LGBT-Aktiven aus Pfaffenhofen und Tarnow stattfinden, kündigte SPD-Kreisvorsitzender Käser gestern Vormittag an. Dabei gehe es darum, "zu erfahren, was genau vor Ort eigentlich problematisch ist und wie wir womöglich helfen können".

Die Pfaffenhofener Kreisräte werden sich jedenfalls demnächst mit dem Thema befassen. Die seit 2001 bestehende Partnerschaft mit Tarnów läuft nämlich Anfang Juli aus, so das Landratsamt. "Die vertragliche Vereinbarung würde theoretisch durch Zeitablauf enden", heißt es. "Da der Wille zum partnerschaftlichen Austausch mit Tarnów jedoch in der Kreistagssitzung vom 23. Juli 2001 gefasst wurde, sollte der Kreistag auch über die Fortsetzung oder Beendigung der Partnerschaft beraten und abstimmen."

PK