Noch teurer als befürchtet

Gemeinden und Landkreise sind bei Bauprojekten immer öfter mit horrenden Ausschreibungsergebnissen konfrontiert. Angebote liegen schon mal um zwei Drittel höher als in der Kostenberechnung geschätzt - das hat schon zu vorübergehenden Baustopps geführt. <DK-Autor> <?ZS> <?ZA> <?ZuVor "-9dp">Von Severin Straßer<?ZE></DK-Autor>

01.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:23 Uhr
Baustopp: Der Bau des neuen Pfaffenhofener Wertstoffhofs (oben) verzögert sich wegen der teuren Angebote. Auch bei der Sanierung des Schyren-Gymnasiums (unten rechts) werden einige Gewerke viel teurer als geplant. Das war bei der Realschulsanierung (unten links) vor zehn Jahren noch anders. −Foto: Fotos: Lodermeyer/Straßer

Gemeinden und Landkreise sind bei Bauprojekten immer öfter mit horrenden Ausschreibungsergebnissen konfrontiert. Angebote liegen schon mal um zwei Drittel höher als in der Kostenberechnung geschätzt - das hat schon zu vorübergehenden Baustopps geführt.

Pfaffenhofen (PK) Der Fall des Pfaffenhofener Wertstoffhofs lässt aufhorchen: Wegen unwirtschaftlicher Ausschreibungsergebnisse für die Außen- und Verkehrsanlagen sowie für die Rohbauarbeiten hat der Werkausschuss des Abfallwirtschaftsbetriebs den Bau auf unbestimmte Zeit verschoben. Ursprünglich hatte der Werkausschuss im vergangenen Jahr aufgrund der Kostenberechnung einen Ausgabenrahmen von 1,82 Millionen Euro für den Neubau genehmigt, anhand der ersten Angebote ist mit einer Kostensteigerung um 357000 Euro zu rechnen. Und das ist kein Einzelfall. Immer öfter haben kommunale Auftraggeber mit enormen Schwankungen bei den Ausschreibungsergebnissen zu tun. Schuld sei vor allem die starke Konjunktur.

DAS LANDRATSAMT

Die Verantwortlichen im Pfaffenhofener Landratsamt haben gute Beispiele auf Lager, was den Vergleich von Ausschreibungsergebnissen angeht. Aktuell läuft die Sanierung des Schyrengymnasiums - und bei der Ausschreibung von einzelnen Gewerken kam es zu bösen Überraschungen. Beispiel Flachdach: In der aktuellen Kostenberechnung waren diese Arbeiten mit 274000 Euro veranschlagt. Das einzige Angebot nach der Ausschreibung belief sich auf 434000 Euro. 58 Prozent über der Berechnung. Auch der Preis für die Fenster liegt um etwa 100000 Euro über der Berechnung. Bei der Sanierung der Realschule vor zehn Jahren war das noch ganz anders. "Ausreißer in dieser Größenordnung hat es früher nicht gegeben", sagt Kreiskämmerer Walter Reisinger. Trotzdem hat der Landkreis den Unternehmer letztlich beauftragt. Bei Schlüsselgewerken sei man oft in ein zeitliches Korsett gezwungen, andere Arbeiten würden einfach zu lange liegenbleiben, wenn es zu einer neuen Ausschreibungsrunde käme. "Die Ausreißer machen uns das Leben schwer", sagt Reisinger. Bei der Realschulsanierung waren die Angebote mal um fünf Prozent über oder unter der Berechnung.

Der Grund für den Wandel ist schnell ausgemacht: Die brummende Konjunktur. "Es werden einfach viele Bauleistungen nachgefragt", sagt Landratsamtssprecher Karl Huber. Im Hochbau ist es besonders schwierig, weil viel im Wohnungsbau passiert. "Und die Nachfrage nach Wohngebieten bestimmt dann das öffentliche Handeln." Denn wenn viele Menschen in eine Kommune ziehen, muss die Infrastruktur Schritt halten. Es braucht Kindergärten und- krippen, Schulen müssen auf den neusten Stand gebracht und saniert werden, dass Radwegenetz soll besser werden. "Die nächste Welle ist dann der soziale Wohnungsbau", sagt Huber. Es sieht also nicht so aus, als ob die Bauunternehmen künftig ihre Auftragsbücher weniger voll haben werden.

DIE KOMMUNEN

Gerade bei Bauleistungen hat auch die Stadt Pfaffenhofen schlechte Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit gemacht. Als Beispiel nennt Stadtbaumeister Gerald Baumann ein aktuelles Straßenbauprojekt. Die Kostenberechnung lag bei 250000 Euro, das günstigste Angebot: 370000 Euro. "Der Markt ist abgegrast", sagt Baumann. "Wenn überhaupt einer anbietet, setzt er so hoch an, dass es sich richtig rentiert. Aber es gibt Sachen, die kannst du halt nicht schieben." Warten auf einen günstigen Zeitraum ist also oft schwierig.

Der Trick, Kostenberechnungen aufzublähen, um den Unterschied zwischen Berechnung und Ausschreibungsergebnis nicht zu groß werden zu lassen, funktioniert auch nicht. Das Problem: Das Honorar der Planer richtet sich nach der Kostenberechnung", erklärt Günter Prokisch, Sachgebietsleiter Hochbau. "Es gibt strenge Spielregeln für die Kostenermittlung. Der Markt hat momentan große Ausreißer."

Die gute Konjunktur führt laut Bernd Jungmeier von der Fachstelle Vergabe dazu, dass einfach weniger Firmen Angebote abgeben. Und das treibt die Preise. Manche Firmen setzen absichtlich hoch an. "Wenn sie es kriegen ist es gut, wenn nicht, macht es ihnen auch nichts", sagt Prokisch. Laut Baumann kann eine Kommune eigentlich nur eins machen: Auf moderates Wachstum setzen. "Den Wahnsinn nicht mitmachen. Wir können nicht die Wohnungsprobleme der Münchner lösen." Nur so komme man mit der Infrastruktur einigermaßen hinterher. Wenn es mit den Kostensteigerungen aber trotzdem so weitergeht, bleiben dennoch nur zwei Möglichkeiten. "Entweder wir machen weniger Projekte, oder die Stadt muss mehr Geld ausgeben", sagt er.

DER PLANER

Ingenieurbüros wie das von Wilhelm Wipfler sind meist für die Kostenberechnungen zuständig. "Ideal bei einer Berechnung ist, wenn man den Mittelwert der drei oder vier günstigsten Bieter trifft", erklärt er. Das Ziel sei es bei der Kostenberechnung den Preis zu ermitteln, der dann tatsächlich herauskommt. Für übergroße Unterschiede zwischen Berechnung und Ausschreibungsergebnissen führt Wipfler zwei Gründe an. "Entweder hat ein Unternehmen kein ernsthaftes Interesse und verlangt Fantasiepreise oder die Kostenberechnung ist nicht ganz vollständig."

DIE UNTERNEHMEN

Einer, der beide Seiten kennt, ist Max Hechinger. Er führte jahrzehntelang das gleichnamige Bauunternehmen, war Kreishandwerksmeister und sitzt im Pfaffenhofener Stadtrat sowie im Kreistag. Hohe Preise führt er darauf zurück, dass die Bauunternehmen viele Auflagen zu erfüllen hätten, auch die Lohntarife hätten in den vergangene Jahren deutliche Sprünge gemacht. Aber der Hauptgrund seien einfach die vielen Aufträge von privater Seite. "Ausgelastet ist schon zu wenig. Der richtige Begriff ist überlastet", sagt er. Da lohne es sich für viele Unternehmen schlichtweg nicht, an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen. "Ein Angebot zu machen ist viel Aufwand."

Ein anderer Pfaffenhofener Bauunternehmer, der namentlich nicht genannt werden will, kritisiert aber auch die Ausschreibungspraxis der Kommunen. "Oft verschwindet ein Projekt jahrelang in der Schublade. Und wenn es dann wieder rausgeholt wird, wird eine alte Kostenschätzung benutzt." Das will Schweitenkirchens Bürgermeister Albert Vogler gar nicht abstreiten. "Dass es manchmal alte Schätzungen sind, stimmt auf alle Fälle auch." Aber dass das günstigste Angebot um 92 Prozent über der Berechnung liegt, wie bei einem Kanalbauprojekt in Schweitenkirchen geschehen, erscheint ihm dann doch ein bisschen krass. "So alt ist eine Berechnung von 2016 auch wieder nicht."

DER BAUTRÄGER

Ein Bauträger wie Hans Irchenhauser hat es beim Bau leichter als die öffentliche Hand. "Ich muss ja nicht jedesmal ausschreiben, ich arbeite mit meinen Handwerkern seit 20 Jahren zusammen", sagt er. "Nach ein paar Jahren wird halt wieder um ein paar Prozent angehoben." Was er allerdings nicht versteht, ist, dass bei staatlichen Aufträgen nicht stärker auf die Kosten geachtet wird. "Beim Staat denken sich die Architekten oft besondere Sachen aus." Abschreckend für viele Firmen, glaubt er. "Entweder sie haben Angst, was verkehrt machen zu können oder sie verlangen einfach einen sehr hohen Preis." Ein Argument, das die Verantwortlichen des Pfaffenhofener Bauamts nicht gelten lassen. "In der öffentlichen Hand ist das Portfolio anders", sagt Prokisch. "Es sollen schließlich nicht alle Kindergärten gleich ausschauen." Auch für Baumann hinkt der Vergleich. "Schönheit kostet was, und Bauträger bauen nicht schön. Und die Stadt ist bemüht, Qualität am Bau zu liefern."

Severin Straßer