Nishinomiya
Zwischen Tradition und Moderne

EIN WINTER IN JAPAN (12): Abschied vom Land der Extreme

11.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:13 Uhr

Nishinomiya (PK) Wenn ich in den fast fünf Monaten etwas gelernt habe, dann das: Japan ist ein Land der Extreme. Entweder ganz hoch oder ganz unten. Entweder überteuert oder total billig. Entweder weltoffen oder extrem in sich gekehrt. Mittendrin, das ist eher selten.

Oft frage ich mich: Was ist eigentlich aus Japan bekannt? Meistens fällt der erste Gedanke auf Animes, die japanischen Zeichentrickfilme. In Japan gibt es sogar die Kampagne "Cool Japan", um über Animes bei mehr Leuten das Interesse an Japan zu wecken. Doch immer wenn ich Japaner gefragt habe, ob sie zum Beispiel Animes mögen, antwortete über die Hälfte mit "Nein". Aber Animes liefern einen einfachen Zugang zur japanischen Kultur.

So habe auch ich angefangen. Und langsam fängt diese Kultur an, sich mit der traditionellen zu vermischen und mittlerweile kann meiner Meinung nach nicht mehr von traditioneller und moderner Kultur sprechen. Alles ist ein Teil Japans geworden. Als ich beispielsweise in Tokyo war, bin ich zu dem Anime-Zentrum Japans gefahren: Akihabara. Tausende Menschen, riesige Wolkenkratzer, blinkende Lichter, bunte Figuren und laute Musik.

Nur wenige Minuten von dieser Station entfernt: Ein traditioneller Schrein mit kleinen Gassen und Straßenmärkten, auf denen es nur so wuselt. Menschenmassen gibt es überall, vor allem in den Großstädten. Aber durch den Einsatz von beispielsweise automatischen Bahnticket-Kontrollmaschinen spart man sich viel Personal. Dafür stellt man dann eine Person, die ein Schild hält, abends fünf Stunden lang vor ein Geschäft, um Kunden hereinzulocken. Bei einem Ausflug aufs Land - das absolute Gegenteil. Hunderte Meter weit keine Menschenseele zu sehen, außer vielleicht ein Rentner, der sich wundert, was so ein junges Ding wie ich hier will. Der Unterschied zwischen Großstädten und ländlichen Gebieten: enorm. Meine Erfahrung mit Japanern ist, dass sie allgemein sehr höflich, aber gegenüber Ausländern doch etwas distanziert sind. Doch kaum waren Japaner einmal selbst im Ausland, sind sie wie ausgewechselt. Alle Studenten, die einmal Austauschstudenten waren und die ich getroffen habe, passten nicht mehr ganz in das Japan-Schema "distanziert - ruhig - anonym". Sie waren auffällig. Sie hatten einen kritischeren Blick auf verschiedene Dinge, sagten, wenn ihnen etwas nicht passte und vor allem: Sie liebten es, mich zu umarmen. Das war ich gar nicht gewohnt, so viel Körperkontakt von Japanern. Und das in Japan, dem Land der Verbeugung. Doch einen Japaner, der noch nicht im Ausland war und trotzdem sagte, was ihm nicht gefällt - den habe ich nie getroffen.

Aber nicht nur Menschen sind extrem in Japan, sondern auch das Wetter. Bei meinen Reisen quer durch Japan habe ich alles gesehen: Drei Tage durchgehend Regen, gefolgt von strahlendem Sonnenschein, Schneestürme mit minus 13 Grad und am darauf folgenden Tag wieder fünf Grad plus, am Morgen extreme Windböen und am Abend herrliches Grillwetter. Einfach nur irre! Ich bin froh, dass ich nicht im Sommer nach Japan gegangen bin. 40 Grad im Schatten abwechselnd mit strömenden Regen - das hätte ich nicht ausgehalten.

Abschließend nach meinem Auslandssemester kann ich sagen: Ich bereue nichts. Ich hatte hier eine wunderbare Zeit, habe viele neue Menschen getroffen und wurde mit einer völlig anderen, sehr extremen Kultur konfrontiert, welche momentan selbst nicht weiß, ob sie eher traditionell oder modern ist. Aber ich kann sagen: Ich liebe dieses Land und freue mich schon auf das nächste Mal, wenn ich dorthin reise.