Wolnzach
Neues Viroid zentrales Thema

29.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:22 Uhr
Wie die Ernte abläuft, davon machten sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und die Gäste der Hopfenrundfahrt ein Bild auf dem Gut Barthhof bei Wolnzach. Betriebsleiter Florian Bogensberger (rechts) stellte seinen Betrieb vor, der großteils Aromasorten anbaut und deshalb bereits am Mittwoch mit der Ernte begonnen hat. −Foto: Rebl

Wolnzach (WZ) Klimawandel, Schutz der Umweltressourcen, praktikabler Pflanzenschutz - der Hopfenbau als kleine Sonderkultur steht vor enormen Herausforderungen. Das haben die Fachleute der Branche bei der gestrigen Hopfenrundfahrt einhellig betont. Bei Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) als Ehrengast der Rundfahrt sind sie mit ihren Nöten auf offene Ohren gestoßen. "Ich stehe hinter eurer Arbeit", sagte der stellvertretende Ministerpräsident. "Ich werde alles tun, damit es den Hopfenbau auch weiterhin so gibt."

Von allen Problemen, die die Pflanzer haben, stand das aktuellste zunächst im Vordergrund: der neue Schaderreger, das sogenannte "Citrus Bark Cracking Viroid", das - wie in den vergangenen Tagen bekannt wurde - Ende Juli zum ersten Mal in Hopfengärten in der Hallertau nachgewiesen wurde (PK berichtete). Dass es sich um eine "sehr besorgniserregende Situation" handelt, das bestätigte Adolf Schapfl als Präsident des Deutschen Hopfenpflanzerverbandes, zur Panik sieht er jedoch keinen Grund. Bis dato seien an den zwei bestätigten Standorten südlich von Geisenfeld nur geringe Flächen befallen, die die Pflanzer im Ertrag nicht zu spüren bekämen. Man müsse klaren Kopf bewahren, bis weitere Erkenntnisse und Empfehlungen der Landesanstalt für Landwirtschaft vorliegen. Durch das Viroid - das betonte Schapfl - bestehe keine Gefahr für die menschliche Gesundheit und für den Verbraucher. "Biertrinker brauchen auch keine Angst haben, dass sie auf Bier aus der Hallertau verzichten müssen."

Die Unbedenklichkeit des Viroids für den Menschen bestätigte Peter Doleschel als Leiter des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Es komme ganz natürlich in Zitrusfrüchten vor. "Es ist Pech, dass der Hopfen eine Pflanze ist, in der sich das Viroid ausbreiten kann", so Doleschel. Es bewirkt eine reduzierte Wuchskraft, der Schaden besteht zunächst in einem geringeren Ertrag, später kann die Pflanze absterben. "Es gibt keine Gefahr für Mensch, Tier oder Umwelt", so Doleschel. Den Schaden hätten betroffene Betriebe durch Verlust von Ernteflächen und die nötige Anbaupause von mehreren Jahren auf der betroffenen Fläche. Für die diesjährige Ernte gab Doleschel aber Entwarnung: Sie sei nicht gefährdet, weil das Ausmaß des Schadens nicht ins Gewicht fällt und der Befall mit dem Viroid keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit des Ernteguts hat.

Vielmehr erwarten die Pflanzer eine gute Durchschnittsernte. Die offizielle Schätzung geht für die Hallertau von 39400 Tonnen aus - rund acht Prozent mehr als im Vorjahr. Auf Bundesebene erwartet man 458048 Tonnen, ein Plus von rund neun Prozent gegenüber 2018. Die Bestände lassen laut Schapfl eine gute Qualität erwarten. In der Summe sieht man laut Peter Hintermeier vom Deutschen Hopfenwirtschaftsverband einer Welthopfenernte mit einem Hektarertrag entgegen, der leicht über dem langjährigen Durchschnittsertrag über alle Sorten liegen dürfte. Was man noch nicht wisse, seien die Alphawerte. "Diese haben noch einen erheblichen Einfluss auf das zur Verfügung stehende Angebot", so Hintermeier.

Vor allem der Klimawandel und die steigenden Anforderungen beim Schutz der Umweltressourcen machen den Pflanzern zu schaffen. "Ohne Bewässerung wird es künftig nicht gehen", sprach Hubert Aiwanger einen der Schwerpunkte an, die man gesamtpolitisch angehen müsse. Denkbar wären in seinen Augen Rückhaltebecken dort, wo ein Eingreifen ins Grundwasser nicht möglich ist. Gleichzeitig könnte Wasser aus Platzregen oder der Schneeschmelze genutzt werden. Position bezog Aiwanger auch zur Düngeverordnung: Dass die Pflanzer ab 2020 Rebhäckselgut nicht mehr als Ernterückstand auf den Hopfengarten zurückführen dürfen, sei für ihn "nicht nachvollziehbar". "So etwas können nur Theoretiker erfinden", sagte Aiwanger unter Applaus.

Um den Hopfenbau fit für die Zukunft zu machen, bietet die Hopfenforschung verschiedene Lösungsansätze an, wie die Gäste der Rundfahrt später im Hopfenforschungszentrum in Hüll erfuhren. Dort wurden Forschungs- und Züchtungsprojekte vorgestellt. Johannes Stampfl erläuterte den Einsatz wassersparender Tröpfchenbewässerungssysteme mit Fertigation (Ausbringung von Pflanzennährstoffen mit dem Wasser), Elisabeth Seigner stellte die neuen Hüller Aroma- und Hochalphasorten vor, die in den vergangenen Sommern ihre hervorragende Klimatoleranz bewiesen hätten. Anton Lutz präsentierte das "jüngste Kind" aus Hüll: Die neue Aromasorte "Diamant" ist ertragreich und hat zugleich das hochfeine Aromaprofil der alten Landsorte. Das konnten die Besucher in dem von der Versuchsbrauerei St. Johann gebrauten "Diamant"-Bier anschließend selbst überprüfen.

Letzte Station war die Hopfenernte: Auf dem Barthhof der Familie Bogensberger versuchte sich Hubert Aiwanger im Einhängen der Hopfenreben und zeigte sich interessiert an der Erntetechnik. Schließlich sei - auch wenn er das selbst nicht mehr erlebt hat - auch auf seinem eigenen Hof einst einmal Hopfen angebaut worden.

 

Protest gegen Eschelbacher Hähnchenmast

Am Rande der Hopfenrundfahrt nutzten fünf Umweltschützer   den Besuch von Staatsminister Hubert Aiwanger in Wolnzach,  um gegen die Hähnchenmastanlage in Eschelbach zu demonstrieren. Tatsächlich suchte Aiwanger das Gespräch mit den Aktivisten: Das Eheppaar Munz, das zur Demo aufgerufen hatte, die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken, Eva Bulling-Schröter, sowie zwei weitere Mitstreiterinnen des Bund Naturschutz freuten sich über ein gut zehnminütiges, ernsthaftes  Gespräch mit dem FW-Politiker und Staatsminister. Da sie nach der Ankunft der Gäste der Hopfenrundfahrt  allerdings direkt auf dem Gehsteig am  Hopfenmuseum standen – und nicht, wie vom Pfaffenhofener Landratsamt genehmigt, auf der gegenüberliegenden Straßenseite – griff die Polizei  ein und zwei Beamte begleiteten die Aktivisten zurück auf den Demo-Platz vor der evangelischen Kirche.

Katrin Rebl