Pfaffenhofen
Musik bewegt - in jedem Alter

Kostenlose Mitsingkonzerte in Seniorenheimen stoßen auf viel positive Resonanz

12.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:13 Uhr
Äußerst erfolgreich sind die Mitsingkonzerte in den Seniorenheimen. Dass Musik in jedem Alter bewegt, das dürfen Musikschulleiter Michael Herrmann und VolxGesang-Geschäftsführerin Nicole Wagner auf und neben der Bühne immer wieder erfahren. −Foto: VolxGesang gGmbH

Pfaffenhofen - Sie lebe in ihrer eigenen Welt, spreche kaum noch. "Aber wenn ich mit ihr singe oder auf dem Klavier spiele, lächelt sie oder wippt im Takt mit. Das tut uns beiden gut." So äußerte sich Herbert Grönemeyer im Mai 2017 über seine damals 90-jährige, an Alzheimer erkrankte Mutter. "Und dass es da jemanden gibt, der in Seniorenheime geht und dort Musik macht, das fanden wir einfach wunderbar." So wunderbar, dass sich der in Berlin lebende Bochumer, einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Musiker aller Zeiten, aufmachte in die oberbayerische Provinz, genauer gesagt nach Pfaffenhofen ins intakt Musikinstitut, um die von der dortigen gemeinnützigen Musikschule zusammen mit der VolxGesang gGmbH aus München veranstalteten Mitsingkonzerte für Senioren mit dem Förderpreis seiner "Musik bewegt"-Stiftung auszuzeichnen: "Das entspricht genau der Idee, die wir mit unserer Initiative vertreten", so "Herbie" in seiner Laudatio, denn "Musik bewegt, in jedem Alter".

Diese Erfahrung darf auch ein jedes Mal auf's Neue einer der Hauptprotagonisten der mittlerweile auf bayerischen Bühnen äußerst beliebten Mitsingkonzerte VolxGesang machen, der Pfaffenhofener Musikschulleiter Michael Herrmann. Das Prinzip der grundsätzlich kostenlosen SeniorenGesang-Konzerte entspricht dabei ziemlich genau dem "Public Singing", mit dem man unter anderem zwei Mal im Monat den Münchner Schlachthof ausverkauft: Ein professioneller Vorsänger - eben Michael Herrmann - gibt auf der Bühne den Ton an und begleitet die Stücke instrumental am Klavier. Die Liedtexte werden gut lesbar auf eine Leinwand projiziert, wofür VolxGesang-Geschäftsführerin und -Organisatorin Nicole Wagner aus München verantwortlich zeichnet. Und das Publikum singt mit. Wobei es kein zu laut und auch kein zu falsch gibt. Oberste VolxGesang-Regel! Dass für die Senioren speziell altbekannte Volkslieder, Gassenhauer und Evergreens ausgewählt werden, versteht sich. Nicht etwa Chart-Hits oder Rockklassiker, wie bei den üblichen VolxGesängen. Dafür eher "Kein schöner Land" oder die "Capri-Fischer"; aber auch Gassenhauer von Elvis Presley oder Freddy Quinn kämen bestens an. Über 50 dieser Konzerte hat Herrmann bereits gespielt, alleine 20 davon im Raum Pfaffenhofen; vor allem in den Seniorenheimen Vitalis und St. Franziskus, wo er zuletzt im Dezember zu Gast war. Doch schon zu seiner Studienzeit, vor gut 20 Jahren, besuchte er ohne jeglichen Eigennutz immer mal wieder Seniorenheime, mit Keyboard und kleinen Textheftchen im Gepäck, um gemeinsam mit den Bewohnern zu singen. Und die Resonanz auf seine Mitsingkonzerte war und ist allerorten überwältigend: Von Senioren, von Pflegepersonal und Heimleitung, und auch von den Angehörigen. Derart, dass bereits neue Konzert-Zyklen für das kommende Jahr geplant sind. Und ja, "Musik bewegt", davon kann Herrmann wahrhaft sein Lied singen: "Jeder, der nur irgendwie kann, versucht dabei zu sein, auch mit Rollator oder Rollstuhl," so der Musikpädagoge. Trotz so mancher Bewegungseinschränkungen werde da versucht, den Rhythmus mitzuklatschen oder zu -klopfen. "Ganz Sportliche wagen sogar manchmal ein Tänzchen", freut sich auch Nicole Wagner, die Leiterin der gemeinnützigen Gesellschaft und "Frau hinter den Kulissen" beim VolxGesang über das positive Feedback auf ihre Seniorenheim-Veranstaltungen. "Viele, sogar demente Senioren, können manche Texte noch auswendig mitsingen, ?tauen' regelrecht auf. Und oft haben die alten Damen und Herren dann auch Tränen in den Augen, wenn dabei Erinnerungen hochkommen," erzählt Herrmann Es werde ihm auch oft vom Pflegepersonal berichtet, wie nachhaltig positiv sich sein Mitsingkonzert zuletzt auf den ein oder anderen Heiminsassen ausgewirkt hätte, der noch tagelang davon geschwärmt habe. Oder auch vom ersten Lächeln seit langer Zeit, am Abend vor dem Zu-Bett-gehen, ist dann die Rede.

Solche Geschichten sehe er als große Geschenke, die er von Senioren sozusagen zurückbekomme für sein Engagement - und die man ohnehin nicht in Geld aufwiegen könne. Applaus ist eben des Künstlers Brot. Weshalb er auch nie irgendeine Gage nehmen würde für seine Auftritte in den Seniorenheimen. Zwar hätte sich diese für Heime kostenlose Konzertreihe in den letzten Jahren bestens etabliert, dennoch könne sie nur auf finanziell solider Grundlage auch in Zukunft gestemmt werden. Wofür es lediglich Zuschüsse von Sponsoren gebe, "den Rest der Kosten tragen wir selbst", so Nicole Wagner. Sponsor der aktuellen Reihe ist die Deutsche Postcode Lotterie; doch sei man ständig auf der Suche nach neuen beziehungsweise weiteren Geldgebern, die sich auf diese Art sozial engagieren und Gutes tun wollen. Und mit Musik, das ist für Herrmann klar, "kann man so viel Gutes tun." Dazu brauche er nur in die glücklichen Gesichter seiner betagten Zuhörerschaft sehen. Bis zum Schlussakkord.

kc