Wolnzach
Mit "EasyPisi" gut im Geschäft

Für windelfreie Babys haben zwei Wolnzacher ein spezielles Pipi-Töpfchen entwickelt

28.04.2021 | Stand 25.10.2023, 10:22 Uhr
Stolz hinter der Töpfchen-Parade: Ignaz und Lena Schels (von links) mit Sohn David und Julian Tresowski zeigen die EasyPisi-Töpfchen. Sie unterscheiden sich von anderen Abhaltetöpfchen durch den hochgezogenen Rand, der ein Danebenlaufen verhindern soll. −Foto: Herchenbach

Wolnzach - Der Name ist Programm: Mit ihrem "EasyPisi" haben die beiden Wolnzacher Ignaz Schels und Julian Tresowski offensichtlich eine Marktlücke geschlossen: Der hochgezogene Rand unterscheidet das von ihnen entwickelte Abhaltetöpfchen für Babys von anderen Produkten auf dem Markt - und die vorsichtig kalkulierte Erstauflage von 1000 Stück war schon in zwei Monaten ausverkauft. Jetzt wird fleißig nachproduziert.

 

Liebe Mütter, liebe Väter, bevor Sie weiterlesen: Sie haben nichts falsch gemacht! Ihr Kind hat keinen irreparablen psychischen Schaden erlitten, bloß weil Sie es in seinen ersten zwei, drei Lebensjahren in eine Windel gesteckt haben. Das würden die Entwickler von EasyPisi auch niemals behaupten. Allenfalls könnten sie argumentieren: Hätte die Evolution es gewollt, dass Babys für ihr Geschäft eine Windel brauchen, dann würden sie damit zur Welt kommen. Und deshalb haben zwei junge Wolnzacher ein Töpfchen entwickelt, in das schon Neugeborene ganz easy Pisi machen können, ohne, dass was danebengeht.

Dass dadurch statistisch bis zum Trockenwerden 6000 Windeln gespart werden, dass der Abfallberg in Deutschland um vier Tonnen Restmüll abgespeckt wird, ist dabei nur ein willkommener Nebenaspekt. Viel wichtiger ist es für die jungen Eltern Lena und Ignaz Schels, dass ihre beiden Kinder David, acht Monate, und Simon, zwei Jahre, natürlich aufwachsen. Windeln widersprechen dem. "Kinder", sagt die junge Mutter, "wollen wie alle Lebewesen auch sich selbst und ihr Umfeld sauber halten." Kein Tier verunreinige mit seinen Exkrementen sein Revier. Und deshalb sei es widernatürlich, Babys zu zwingen, ihr Geschäft in Windeln zu verrichten. Der seit Jahren erbittert geführte Glaubenskrieg unter Müttern, ob Stoffwindeln für das Kind besser sind als Papierwindeln, hat eine weitere Variante gefunden: gar keine Windeln. Mütter, die dem anhängen, sind der Meinung, dass ihre so eingepackten Kinder konditioniert werden. Ideologische Schützenhilfe bekommen sie unter anderem von Jean Liedloff, einer inzwischen verstorbenen US-amerikanischen Autorin und Therapeutin, die auf einer Expedition das indigene Volk der Yequana in Venezuela erforscht hat. Darüber hat sie ein Buch geschrieben: "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück - Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit." Windeln gehören für sie zu den Glückskillern.

Lena Schels und ihr Mann sind engagierte Eltern. Für sie stand schon in der ersten Schwangerschaft fest: Der Popo unseres Kindes bleibt jederzeit sauber. Dass Kinder auch ohne Windeln auskommen können, ist keine neue Entdeckung. "In China", sagt Lena Schels, "gibt's schon seit vielen Jahren sogenannte Asia-Töpfchen, über denen schon Neugeborene abgehalten werden können. Üblich seien im Reich der Mitte auch "Schnellfeuerhosen" für kleine Kinder, die im Schritt einen Reißverschluss haben.

Das Asia-Töpfchen hat sie ausprobiert, es habe allerdings den Nachteil, dass bei Buben das kleine Geschäft leicht über den Rand laufen könne. Damit war die Idee des EasyPisi-Töpfchens mit hochgezogener Pipiwand geboren, die Julian Tresowski, der beste Freund von Ignaz Schels, umsetzte. Die beiden kennen sich von klein auf, sie waren in Wolnzach Nachbarn. Tresowski ist Produktdesigner. Er hat in mehreren Versuchen mit dem 3-D-Drucker Prototypen produziert und diese immer weiter verbessert - zur Begeisterung der Mutter von David und Simon.

Nun ist die Frage durchaus berechtigt, warum es ein Töpfchen braucht, wenn man das Kind doch auch abhalten kann. "Aber das ist anstrengend", sagen die Eltern. Da stehe man zehn Minuten in der Hocke, und wenn man Pech hat, ohne sichtbares Ergebnis. Das Töpfchen dagegen kann man sich bequem zwischen die Beine klemmen und das Kind bequem in den Armen halten. Klingt easy, setzt aber voraus, dass Mutter und Vater wissen, wann denn ihr Kind seine Verdauung abgeben möchte. "Das erkennt man", sagen Lena und Ignaz Schels. Zum Beispiel am typisch glasigen Blick. Oder am immer wiederkehrenden Rhythmus, etwa nach den Mahlzeiten. Außerdem gebe David ein Zeichen. "Dann klopft er mit der Hand gegen meinen Arm." Baby-Signale seien das, die man interpretieren kann.

Ziemlich schnell waren sich die beiden Freunde Schels und Tresowski darüber klar, dass ihre Entwicklung auch andere Eltern begeistern könnte. Die 20000 Euro, die ein deutscher Produzent für die Herstellung der Form haben wollte, kamen durch Crowd-Funding zusammen, Spenden aus dem Kreis Gleichgesinnter, und durch großzügige Finanzierungshilfe der Verwandtschaft. Die Erstauflage von vorsichtig kalkulierten 1000 Stück, staunten die beiden Freunde, war innerhalb von zwei Monaten ausverkauft, jetzt werden weitere 4000 aus Recyclingmaterial im Spritzgussverfahren hergestellt.

"Im Sommer", freut sich Schels, "sind wir in der Gewinnzone." Dann soll das Töpfchen seinen Siegeszug weltweit antreten, nach Europa seien auch die USA "ein interessanter Markt", glaubt Tresowski. Auf dem Gartentisch haben die Entwickler alle Töpfchen nebeneinander aufgestellt, die Prototypen aus dem Drucker und die finalen Töpfchen in Türkis, Dunkelgrün und Orange. Nicht in Hellblau und Rosa? "Den Fehler hätten wir beinahe gemacht", sagt Schels. Das sei aber ein absolutes No-Go für die EasyPisi-Zielgruppe - hier seien neutrale Farben gefragt.

WZ

Albert Herchenbach