Pfaffenhofen
"Mensch vor Gewinn"

Der Hausarzt und ÖDP-Kreisrat nimmt die Gesundheitsversorgung im Landkreis unter die Lupe

06.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:25 Uhr
Stefan Skoruppa zeigte bei seinem Vortrag auf, wie es um das Gesundheitswesen im Landkreis bestellt ist. −Foto: Zurek

Pfaffenhofen - Wie kann die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum sichergestellt werden? Auf Einladung der ÖDP präsentierte der Allgemeinmediziner Stefan Skoruppa eine Reihe von Lösungsansätzen und sparte nicht an Kritik, was staatliche Bemühungen betrifft. Dass vor allem die Zukunft der Ilmtalklinik viele Bürger umtreibt, zeigte die anschließende Diskussion.

Man habe sich im Wahlkampf bewusst für einen Sachvortrag entschieden, mit dessen Thematik die "Makrothemen im Landkreis" (sprich: der Zuzug und einer immer älter werdende Gesellschaft) verwoben seien, so der ÖDP-Kreisvorsitzende Richard Fischer vor über 40 Zuhörern - darunter Vertreter der Ilmtalklinik und der Ärzteschaft sowie der politischen Konkurrenz - am Mittwoch im Hofbergsaal. Es gelte, für eine wachsende Zahl an Menschen die medizinische Versorgung sicherzustellen und diese weiterhin "persönlich zu halten".

Stefan Skoruppa, Hausarzt und ÖDP-Kreisrat aus Jetzendorf, ging in seinem Vortrag zunächst mit einer Vielzahl von Statistiken auf die Ist-Situation ein, wonach der Landkreis Pfaffenhofen in so manchem Bereich unter dem bayerischen Durchschnitt liegt. So lag die Zahl der Vertragsärzte pro 100000 Einwohner 2018 bei 62 (Bayern: 71,3 - Tendenz allerdings fallend), das Durchschnittsalter der niedergelassenen Ärzte sei mit 55 Jahren hoch, die der Klinikbetten pro 1000 Einwohner mit zwei hingegen niedrig (Bayern: 5,9). Bundesweit sinke die Zahl der Kliniken, die kommunalen Krankenhäuser schrieben teils hohe Defizite - die Ilmtalklinik liegt mit knapp fünf Millionen Euro eher im unteren Bereich (Kösching sieben Millionen, Regiomed Coburg 2018 sogar 25,1 Millionen).

Laut kassenärztlicher Vereinigung ist man im Landkreis derzeit in Sachen Hausärzte noch "zu 110 Prozent versorgt". Angesichts eines Arbeitsaufkommens von 50 bis 60 Stunden pro Woche entschieden sich jedoch immer mehr Ärzte, als Angestellte (mit 40 Stunden oder in Teilzeit) zu arbeiten und zögen Ballungsräume dem Land vor. Einerseits steige also der Bedarf an Ärzten, zugleich werde es aber für jene, die in den Ruhestand gehen, schwierig einen Nachfolger zu finden.

Der Hausarzt lenke als "Steuerkapitän" die Patienten in die richtige Richtung und entlaste damit die Fachärzte. Doch was tun, wenn es zu wenig Hausärzte gibt? Konkrete Lösungsansätze sind für den Kreisrat eine verstärkte Kooperation des Landkreises mit medizinischen Fakultäten sowie mit dem Bayerischen Hausärzteverband (wo es schon "zukunftsfähige Konzepte" gebe). Kommunen könnten zudem öffentliche Gebäude zu Arztpraxen und Arztwohnungen ausbauen und mit einer zweckgebundenen Vermietung zu "erschwinglichen Preisen" junge Ärzte an den Ort binden. Zur Anwerbung von Fachkräften auch in der Pflege schlägt Skoruppa eine Jobbörse an der Ilmtalklinik vor, eine Art Gesundheitstage, organisiert mit Unterstützung des KUS. Die Einführung einer verpflichtenden Praktikumswoche in einer ambulanten Praxis für neue Assistenzärzte der Ilmtalklinik könne darüber hinaus ein "besseres Zusammenwachsen" ambulanter und stationärer Versorgung fördern.

Falls für eine Praxis auf dem Land kein Nachfolger gefunden werde, müsse man "unbedingt vermeiden", dass die Arztsitze von Kapitalgesellschaften aufgekauft werden, mahnte der Mediziner weiter. Sein Vorschlag: Erwerb durch den Landkreis und Einbringung in ein kommunales medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), jedoch keinesfalls in Konkurrenz zu den verbleibenden niedergelassenen Ärzten. Skoruppa fordert überdies die enge Abstimmung der Kommunalpolitik mit dem ärztlichen Kreisverband und die "Verbesserung der Kommunikation innerhalb der Ärzteschaft" damit ambulante und stationäre Akteure "an einem Strang ziehen".

Für die Zuhörer stand vor allem der Erhalt der Ilmtalklinik in kommunaler Hand im Fokus. Skoruppa sah hier eine gesicherte Grundversorgung als Hauptaufgabe an - Kosten könne man vor allem durch effizient gestaltete Abläufe sparen. Zur Querfinanzierung sollten "ein paar Spezialgebiete" hinzukommen.

Kritische Stimmen monierten ein insgesamt zu ineffizientes Gesundheitssystem und warnten vor der Verbandelung mit Kapitalgesellschaften. Die Forderung nach einer leistungsgerechteren Bezahlung für Pflegekräfte erntete mehrfach Widerspruch ("Eine Verkäuferin verdient weniger").

Einig war man sich indes, dass "Mensch vor Gewinn" gehen müsse. Wenn man schon der wirtschaftsstärkste Landkreis mit der geringsten Kreisumlage sei, solle einem das Kreiskrankenhaus ein Defizit von 40 Euro pro Kopf (im Zweifel sogar mehr) "wert sein", hatte etwa Andreas Herschmann als SPD-Landratskandidat postuliert. Josef Postel (FDP) mahnte indes, man müsse "realistisch bleiben" und brachte als bedenkenswertes Modell die dänischen Polikliniken ins Spiel.

PK

Maggie Zurek