Rohrbach
Lieber agil als linear

Maja und Phillipe Fortuné stellen in ihrem "Innolab Holledau" die Arbeitswelt ein klein wenig auf den Kopf

05.09.2018 | Stand 23.09.2023, 3:59 Uhr
Maja und Phillipe Fortuné betreiben als Change-Berater das "Innolab Holledau" vom Rohrbacher Gewerbegebiet aus. −Foto: privat

Rohrbach (PK) Der wissenschaftliche Ansatz hinter der Arbeit von Maja und Phillipe Fortuné ist kompliziert. Das Ergebnis, das die beiden mit ihrem "Innolab Holledau" vom Rohrbacher Gewerbegebiet aus erzielen wollen, leuchtet aber jedem ein: Sie wollen die altbekannte Arbeitswelt ein klein wenig auf den Kopf stellen - und damit ein gutes Stück besser machen.

Schon mal was von "New Work" gehört? Wenn überhaupt, so verbinden die meisten damit ein Start-up-Unternehmen mit einem durchgehend jungen Team, das weitaus mehr Zeit am Arbeitsplatz als daheim oder mit Freunden verbringt. Und das daher den hochengagierten Tag am Firmenlaptop gerne mal bei einem Smoothie am Kickertisch unterbricht oder am frühen Abend zwecks Teambuilding gemeinsam zur After-Work-Party in die angesagte Bar in der City aufbricht. Nun, Smoothies mag nicht jeder. Mit den Partys sieht es in Rohrbach seit jeher schlecht aus - und von angesagten Bars fehlt in der Gegend ohnehin jede Spur. "Und auch ein Single-Bike an der Wand macht eine Firma noch lange nicht innovativ", räumt Phillipe Fortuné ein. Anscheinend ist "New Work" also dann doch nicht das, was einem die Fantasie (oder auch die eine oder andere Fernsehsendung) so vorgaukelt. "Mit Innovation am Arbeitsplatz meinen wir ganz was anderes", versichert der 42-Jährige daher.

Fortuné stammt aus Königsfeld. Er hat in Pfaffenhofen sein Abitur gemacht und danach Politikwissenschaften studiert. Von früher ist sein Name im Landkreis vielen Partygängern ein Begriff - weil er ihnen als DJ so manchen Abend musikalisch versüßt hat. Das Auflegen hat er natürlich immer noch drauf. Aber seit er die aus Ingolstadt stammende Maja geheiratet hat, gehen die beiden beruflich einen ganz anderen Weg. Sie sehen sich als Change-Berater - und versuchen Firmen aller Art einen neuen Blick auf die internen Abläufe zu geben. "Damit sie über agile Methoden neue Ideen entwickeln - und damit die Mitarbeiter sich wertgeschätzt und gebraucht fühlen, damit sie Spaß an ihrer Arbeit haben. Und auf diese Weise auch bessere Ergebnisse für die Firma erzielen", fasst Maja die Ziele zusammen.

Das Prinzip einer Change-Beratung ist nicht ganz einfach zu verstehen. Viele alteingesessene Firmen setzen auf bewährte Methoden. Der Arbeitsplatz ist starr, die Aufgaben sind es auch. Raum und Platz für Kreativität sind bei einem klassischen Job häufig nur spärlich zu finden. "Und wer nicht gefragt wird, wer nicht zum Denken angeregt wird, der bringt auch wenig Innovatives zustande", meint Phillipe.

Daher versuchen die beiden, ihre Kunden weg vom Bewährten, hin zum einem "neuen Denken" zu bringen. "Die alten Methoden sind linear", erklärt Maja. Und Philipp malt dazu einen Punkt A auf die Leinwand und führt einen direkten Pfeil zu Punkt B. "Aber die Welt ist komplexer geworden - und die Probleme sind es auch", wirft er ein. Somit ist der direkte Weg versperrt. Es braucht Umwege. Über diverse Zwischenstationen gehe es heutzutage zum Ziel, fügt er an. Mit der linearen Herangehens-weise gebe es keinen Blumentopf mehr zu gewinnen. "Wir setzen auf sogenannte agile Methoden", bringt es Maja auf den Punkt. Und der Weg dorthin ist alles andere als konventionell. Das "Innolab" der Fortunés ist nämlich ziemlich reduziert. Es bietet vor allem eines: sehr viel Platz. Grenzen gibt es kaum für die Teams mit bis zu 20 Mann, die bei den beiden einen Workshop buchen. Ein paar Stehtische, Hocker - und einige Baukästen stehen herum. Darin sind Materialien, die eher an einen Kindergeburtstag als an einen professionellen Firmenworkshop erinnern. Legosteine, Knete, Malstifte, Holz und Säge sind darin. "Wenn wir agil denken, ist es gar nicht schlecht, auch etwas zu tun", erklärt Phillipe. Wenn die Teilnehmer auf innovative Weise neue Ideen ausbrüten, dürfen sie diese - quasi als Modell - auch gleich ganz real schaffen. "Das sieht wie Basteln aus. Und das ist es ja auch. Aber durch die Bastelei verfestigen sich neue Einfälle, werden konkret - und außerdem macht das Denken auf diese Weise viel mehr Spaß."

Was das mit den angeblichen Billardtischen im Aufenthaltsbereich zu tun hat, die auf "New Work" setzende Firmen für ihre Mitarbeiter vorhalten? Gar nichts. Und wo die ganzen jungen Mitarbeiter sind, die tagein, tagaus sowie fast rund um die Uhr lieber vor dem Firmen-PC an neuen Ideen brüten statt sich daheim vor dem Fernseher zu langweilen? "Da lach ich doch. Jeder braucht nach der Arbeit auch seine Freizeit. Will bei seiner Familie sein. Bei der Frau, dem Mann, dem Kind. Und will irgendwas tun, das ihm Spaß macht, aber nur ja nicht an die Arbeit denken", sagt Maja Fortuné. "New Work" scheint also doch keine völlige Vereinnahmung des Individuums durch die Firma zu sein. "Es geht vielmehr darum, dass junge Menschen mehr Spaß an der Arbeit bekommen, sich wohl fühlen - und auf diese Weise noch produktiver werden", versichert der 42-Jährige.

Der akute Fachkräftemangel in der Region belaste die Wirtschaft. Abhilfe können die Firmen nur schaffen, indem sie ihren Mitarbeitern neben ordentlicher Bezahlung auch ein gutes Arbeitsklima bieten. Und das habe nicht viel mit Kickern, Partys oder coolen Bars zu tun, sondern vielmehr mit Wertschätzung, einem guten Arbeitsumfeld und dem Gefühl, wirklich gebraucht zu werden und etwas zum Fortkommen der Firma beitragen zu können. "Um da mitzuhelfen, sind wir als Innolab da", fasst Maja Fortuné zusammen. Dann packt sie nochmal an, räumt die Tische beiseite, das "Spielzeug" in die Container und klappt den Laptop zu. Das Innolab ist bereit für große Taten. Aber davor geht's für das Ehepaar gemeinsam ab nach Hause. "Weil so wichtig die Arbeit auch ist, unsere Freizeit ist uns trotzdem heilig", sagt die 38-Jährige.

Patrick Ermert