Geisenfeld
In Sachen Leader von Jämijärvi lernen

Geisenfelds Partnergemeinde gehörte zu den Pionieren - Die Projektsekretärin im GZ-Interview

28.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:47 Uhr
Anlässlich ihres jüngsten Besuches in Jämijärvi wurde die Gruppe aus Geisenfeld von Leader-Projektsekretärin Leena Saloniemi begleitet - wie hier zu einer Führung auf einem Torfgewinnungsbetrieb. −Foto: Zurek

Geisenfeld (GZ Der dritte Teil unserer Serie über Geisenfelds Partnerstadt Jämijärvi ist dem Thema "Leader" gewidmet.

Denn dieser europäischen Förderinitiative ist letztlich die grenzübergreifende, kommunale Zusammenarbeit beider Gemeinden zu danken (siehe Kasten unten). Anlässlich der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde vor einigen Wochen hatte die Delegation aus Geisenfeld verschiedene Projekte der finnischen Kommune in Augenschein genommen - immer mit dabei: Leena Saloniemi als kompetente Begleiterin. Nun stand die Leader-Projektsektretärin der Geisenfelder Zeitung bei einem Interview Rede und Antwort.

Seit wann genau ist Jämijärvi in den Leader-Prozess involviert?
Leena Saloniemi: Seit Finnland 1995 Mitglied in der europäischen Union ist, gab es Bestrebungen zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Wir hier in der Region waren richtige Pioniere. Unsere LAG Nord-Satakunta war Mitglied des ersten Leader II-Programmes, das zwischen 1996 und 1999 in Finnland mit 22 LAGs realisiert wurde. Als das Förderprogramm Leader+ aufgelegt wurde, hat unsere LAG schon ziemlich effektiv gearbeitet.

Wie ist die LAGs strukturell aufgebaut?
Saloniemi: Unsere LAGs ist ein eingetragener Verein und besteht aus zehn Kommunen mit insgesamt rund 41000 Einwohnern. Sieben der Gemeinden - darunter auch Jämijärvi - gehören zur Region Satakunta. Drei weitere sind Teil der Region Pirkanmaa.
Welche der Projekte betreffen das Urlaubsgebiet Jämi und die Gemeinde Jämijärvi ?
Saloniemi: Insgesamt sind bereits über 1000 verschiedene, kleine Projekte realisiert worden, aktuell arbeiten wir an 200 weiteren. Einige der Projekte haben größere Auswirkungen als andere, manche betreffen das Marketing und die Werbung, andere sind der Versuch, neue Veranstaltungen zu etablieren oder kleinere Ideen umzusetzen. Es gibt eine Statistik von 2000 bis 2017, die ausweist, dass allein im Jämi-Gebiet (die Ferienhaussiedlung, in der die Besucher aus Geisenfeld untergebracht waren, Anm. der Redaktion) 23 von Leader mit knapp 550000 Euro geförderte Projekte umgesetzt wurden. Auch in den Skitunnel und das Glasfasernetzwerk (gesonderter Bericht folgt) flossen teilweise europäische Gelder, aber weil es sich dabei um sehr große Vorhaben handelt, kam die Förderung nicht aus Leader-Töpfen. Die aktuelle Strategie konzentriert sich auf die Stärkung des Unternehmertums im Sinne nachhaltiger Entwicklungen wie der sogenannten "grünen" und "blauen" Ökonomie und auf die Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements (für lebendige Gemeinden).

Leader-Gelder fließen ja nur, wenn auch Eigenmittel eingebracht werden. Wer sind in Jämijärvi die Projektträger?
Saloniemi: Wir haben lokale Organisationen und Firmen, die als Träger fungieren, aber auch unsere Gemeinde bringt sich immer wieder ein.

Und wie steht es mit der Erfolgsbilanz?
Saloniemi: Gute Projekte sind solche, die zum Selbstläufer werden und weitere nach sich ziehen. Davon gibt es einige. Aber Erfolg und Misserfolg eines Projektes zu beurteilen ist nicht ganz so einfach. Der Erfolg steht und fällt - wie beim Glasfasernetzwerk immer mit der Frage, ob es gelingt, damit Innovationen zu realisieren und die Wirtschaftskraft zu stärken. Denn nur wenn die Menschen auf dem Land weiter ein Auskommen haben und Jobs finden, werden sie bleiben und alles andere wird sich zum Guten fügen. Bisher ist es uns dank Leader gelungen, einige neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Haben Sie ein persönliches Lieblingsprojekt?
Saloniemi: Diese Frage zu beantworten ist richtig schwer. Ich liebe alles, was mit Kultur zu tun hat und bin aktiv in der Gruppe, die das lokale Erbe der Region bewahren möchte. Deshalb liegen mir besonders solche Aktivitäten am Herzen, bei denen wir gemeinsam etwas zum Wohle aller bewegen - sei es in der Weiterbildung, bei neuen Freizeit-Aktivitäten, oder beim Renovieren von Gebäuden in der ländlichen Umgebung. Gerade wird das Gemeinschafts-Zentrum saniert. Über alle Projekte hinweg gibt mir eine Sache sehr viel: Ich sehe bei meiner Arbeit so viele enthusiastische Menschen bei uns , die sich für das Wohlergehen ihres Vereins und ihrer Gemeinde einbringen - mit sehr viel Energie und Begeisterung. Ihr Lohn dafür: Sie finden neue Freunde, es ergeben sich Synergieeffekte. Wie jetzt auch die Freundschaft zu Geisenfeld.

Das Gespräch führte Maggie Zurek.
 Mit Leader fing die Städtefreundschaft anEine der im Rahmen der europäischen Leader-Initiative entwickelten Ideen ist die Nutzung finnischen Hopfens zur Herstellung heimischen Bieres. Und genau die führte einige Vertreter der LAG Nord Satakunta in die Hallertau. Mithilfe der Fachleute in Hüll und Experten wie dem Geisenfelder Franz Seidl strebten sie die virusfreie Vermehrung einer bei ihnen heimischen Wildhopfenart an – denn mitteleuropäische Sorten wachsen im hohen Norden wegen der extremen Lichtverhältnisse nicht. Die einstige Abteistadt gefiel den Gästen aus dem hohen Norden so gut, dass sie gerne mehr darüber erfahren wollten. Bei einer spontan organisierten Stadtführung springt der Funke zwischen Gästen und „Guides“ über, man ist sich sympathisch – und das nicht nur wegen der Affinität zum Bier (nicht von ungefähr steht das finnische Wort „humalassa“ für Trunkenheit und bedeutet wörtlich übersetzt in etwa „im Bier schwimmen“). 
Noch am gleichen Tag werden im Geisenfelder Hof erste Pläne für weitere Treffen geschmiedet, von denen zwei noch im gleichen Jahr realisiert werden und denen viele weitere folgen. Zunächst privater, dann  – noch unter Bürgermeister Josef Alter  – auch offizieller Natur. Und wieder ist hier „Leader“ ein Thema. Denn die fünf Gemeinden Geisenfeld, Rohrbach, Wolnzach, Au in der Hallertau und Rudelzhausen bewerben sich 2003 als „LAG Mittlere Hallertau“ um Fördermittel. Zu den umfangreichen Vorhaben im dicken Bewerbungsordner gehörte dabei auch das internationale Kooperationsprojekt mit der LAG Nord Satakunta. Zwar scheiterte die LAG mit ihrem Gesamtkonzept (in der Wertung der Jury landete man unter elf Mitstreitern auf Platz sechs – Leader Förderung gab es aber nur für die fünf Erstplatzierten), davon ließ sich die stetig wachsende Zahl an Mitstreitern für eine Städtepartnerschaft aber nicht entmutigen.
Das Hopfenprojekt lief, wie Leena Saloniemi verrät, anfangs „ziemlich gut“. 15 Landwirte beteiligten sich am Anbau, aber leider hätten sich Mikro-Brauereien nicht in der gewünschten Zahl etabliert, so dass derzeit nur noch eine kleine Anbaufläche übrig geblieben ist.