Pfaffenhofen
Ziemlich links

Bei der Diskussionsrunde der Landtagskandidaten im Hofbergsaal tat man sich gegenseitig nicht weh

08.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:40 Uhr
Diskutierten im Hofbergsaal über Wohnen, Bildung und ÖPNV: Johannes Becher (von links), Grüne, Albert Gürtner (FW), Markus Käser (SPD), Moderator Roland Dörfler vom DGB, Werner de la Motte Rouge (Die Linke) und Josef Schäch (FDP). −Foto: Paul

Pfaffenhofen (PK) Zu einer vom Kreisverband des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) organisierten Podiumsdiskussion über die Themen Wohnen, Bildung und Öffentlicher Personennahverkehr kamen am Sonntag im Pfaffenhofener Hofbergsaal die Landtagskandidaten von SPD, Freien Wählern, Grünen, FDP und Die Linke zusammen.

Kurzer Rückblick: Die Veranstaltung hatte im Vorfeld für Aufregung gesorgt, weil der Direktkandidat der AfD, Tobias Teich, nicht eingeladen worden war. Der DGB begründete das mit einem Beschluss sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene, wonach dieser Partei kein Forum auf Gewerkschaftsveranstaltungen geboten werden soll. Daraufhin hatte der CSU-Landtagsabgeordnete Karl Straub seine Teilnahme abgesagt - er wolle nicht mit dazu beitragen, die AfD auf diese Weise zum politischen Märtyrer zu machen, man müsse sich inhaltlich mit ihr auseinandernsetzen statt sie auszugrenzen.

FDP-Bewerber Josef Schäch äußerte Verständnis für Straubs Entscheidung, kam aber immerhin noch vorbei. Markus Käser (SPD) ätzte dagegen: "Schwach, schwächer, Straub. Er findet es nicht notwendig, für seine eigene Leistungsbilanz vor der Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen und entzieht sich der Kritik seiner Mitbewerber." Für den abwesenden Christsozialen stand dann trotzdem während der gesamten rund zweistündigen Veranstaltung auf dem Podium ein freier roter Sessel parat.

Immerhin waren damit zwei politische Kräfte nicht präsent, die nach den aktuellen Umfragen mehr als die Hälfte der bayerischen Wähler ausmachen. Einige mutmaßliche AfD-Sympathisanten im mit knapp 100 Zuhörern gefüllten Saal versuchten, den Ausschluss ihrer Partei zwar gleich zu Beginn zu thematisieren; das Ansinnen aber wurde vom Moderator, dem DGB-Kreisvorsitzenden Roland Dörfler, zurückgewiesen. Der DGB sei schließlich keine zur Neutralität verpflichtete staatliche Organisation und könne einladen (oder nicht) wen er wolle. Nach darauffolgenden noch lauteren Unmutsbekundungen der AfDler verwies Dörfler aufs Hausrecht - und es war Ruhe. Der nicht offiziell geladene AfD-Kandidat Tobias Teich saß zwischen seinen Anhängern, meldete sich aber nicht zu Wort.

Die Worte "Flüchtling" beziehungsweise "Asylbewerber" fielen dann auch kein einziges Mal an diesem Vormittag. Die Diskutanten selbst gingen auch sehr freundlich miteinander um, es wurde sich reihum geduzt und inhaltlich herrschte häufig große Übereinstimmung. Falsche Entscheidungen an den Schalthebeln der Macht konnten sie einander allerdings auch schlecht vorwerfen, schließlich befinden sie sich alle derzeit in Bayern noch in der Opposition.

Den Auftakt machte das Thema "Wohnen" - in der von Wohnungsmangel und explodierenden Mieten bestimmten Region 10 sicherlich auch besonders drängend. Als Ältester in der Runde durfte Josef Schäch eröffnen. "Staatlicher Wohnungsbau allein ist der falsche Weg", sagte der Liberale. Man müsse "dem freien Markt die Möglichkeit geben". Dass es an ausreichend bezahlbaren Wohnungen mangele, liegt laut Schäch auch an der seit Jahren wachsenden Zahl an baurechtlichen Vorschriften - beispielsweise bei der Dämmung oder beim Energiesparen - und an der immer höheren Grunderwerbssteuer der Kommunen. Und man müsse anders bauen, vor allem höher.

Albert Gürtner von den Freien Wähler verwies auf den Verkauf von 30000 Sozialwohnungen durch die bayerischen Staatsregierung vor einigen Jahren. Damit habe der Freistaat zwar gut zwei Milliarden Euro an Einnahmen erzielt, "eine schöne Summe auf den ersten Blick" - aber wenn man das mal runterrechne, dann habe die öffentliche Hand im Schnitt lediglich rund 70000 Euro pro Wohnung verdient. "Deutlich unter Wert" seien die Immobilien also verkauft wurden, schimpfte Gürtner, "damit die Staatsregierung ihren Haushalt sanieren kann".

Der Grüne Johannes Becher - er tritt im Nachbarwahlkreis Freising an und war in Vertretung seines Pfaffenhofener Parteifreunds Willi Reim gekommen, der gerade Urlaub macht - entgegnete Josef Schäch: "Den freien Markt haben wir doch!" Als er im vergangenen Jahr in der Domstadt nach einer neuen Wohnung suchte, da seien 55 Interessenten zur Besichtigung gekommen. "Die Kommune muss aktiv werden, wir können es eben genau nicht dem freien Markt überlassen."

Werner de la Motte Rouge von der Linken befand, dass die Mietpreisbremse noch längst nicht so wirke, wie man sich das gewünscht habe und dass diese verschärft werden sollte. Außerdem verwies er auf die österreichische Hauptstadt Wien, die derzeit einen ebensolchen Boom erlebe wie München. Trotzdem herrschten dort bei weitem nicht solche Mietpreise wie in der bayerischen Metropole. Dass liegt nach Ansicht des Linken daran, dass die Kommune eben viel aktiver ist beim sozialen Wohnungsbau.

Markus Käser befand, die Staatsregierung solle sich Artikel 106 der bayerischen Verfassung zu Gemüte führen, wonach jeder Bürger Anspruch auf angemessenen Wohnraum habe. Dass es besonders in Oberbayern an Wohnungen mangele, sei aber auch Zeichen einer "falschen Strukturpolitik". Anderswo im Freistaat bluteteten Regionen aus und stünden Immobilien leer oder verfielen. Und die Infrastruktur werde vernachlässigt. "Wir können bauen, bauen, bauen - aber das bringt es nicht. Wir brauchen eine Wachstumsbegrenzung", forderte Käser.

Gleichwohl nutzte der Sozialdemokrat die Gelegenheit, auf die von ihm mit initiierte neue Pfaffenhofener Wohnungsgenossenschaft zu verweisen, die langfristig preisgünstige Mietwohnungen schaffen werde. Einen Zuhörer, mutmaßlich aus der Baubranche, veranlasste das zum wütenden Zwischenruf, wer denn die neuen Genossenschaftswohnungen bauen werde, doch wohl die Firma Hechinger. "Es gab noch keine Ausschreibung", erwiderte Käser.

Im Vergleich zum vorangegangenen Punkt geriet das Thema Bildung kürzer. Die Übereinstimmung zwischen den Diskutanten war hier auch sehr hoch. Dass Bildungsangebote möglichst kostenfrei sein sollten und auch ein stärkeres finanzielles Engagement des Freistaats notwendig sei; dass das Gymnasium nicht der allein selig machende Weg in ein erfolgreiches Berufsleben ist, auf den Kindern ein hoher Leistungsdruck laste und andere Ausbildungswege größerer Wertschätzung bedürfen; dass der Lehrermangel in der "menschenverachtenden" - oft befristeten - Einstellungspraxis des Freistaats begründet ist: all das kam so oder ähnlich von den fünf Bewerbern.

Und auch beim ÖPNV herrschte nicht wirklich ein erkennbarer Dissens. Ausgebaut werden müsse er, nicht zuletzt auch aus Umweltschutzgründen. Die Umrüstung auf emmissionsfreie Antriebsmodelle - Gas, Elektro - sollte schneller erfolgen, langfristig Carsharing vor dem Privatauto rangieren. Und die Kommune beziehungsweise der Freistaat müsse eben auch die dadurch entstehenden Defizite tragen. Genau wie Schüler sollten auch Azubis und Studenten Busse und Bahnen kostenfrei nutzen dürfen.

Wortmeldungen aus dem Publikum gab es zwar, sie hielten sich aber quantitativ wie hinsichtlich der Länge im Rahmen. Und auch Pöbeleien unterblieben. Mehrfach kam die nicht von der Hand zu weisende Frage auf, wovon die Herren auf dem Podium ihre Vorschläge zu bezahlen gedächten. Wer eine Forderung erhebe, der solle künftig bitte gleich einen Finanzierungsplan mit vorlegen, hieß es. Doch das Argument wollten die Politiker übereinstimmend nicht gelten lassen. Dafür gäbe es schließlich die Verwaltung.

Markus Käser meinte zwischendurch mal spöttisch, er danke dafür, es seien wohl "alle in der Runde gute Sozialdemokraten". Und lag damit gar nicht so falsch. Außer ihm selbst saßen da tatsächlich nur ein noch etwas linkerer, aber noch nicht extremer Sozi, einer mit einem stärkeren ökologischen Anstrich und einer, der den ländlichen Raum etwas stärker beachtet. Selbst Josef Schäch, der als Unternehmer und Freidemokrat ja eine marktwirtschaftliche Argumentation hätte erwarten lassen, gab sich ziemlich linksliberal.

Andre Paul