Pfaffenhofen
AfD sieht sich nicht als Ein-Thema-Partei

Tobias Teich ist Direktkandidat der Rechtskonservativen für den Landtag - Ein Besuch am Infostand

12.09.2018 | Stand 25.10.2023, 10:31 Uhr
Tobias Teich, der Landtags-Direktkandidat der AfD (rechts) wird im Wahlkampf unterstützt vom Bundestagsabgeordneten Johannes Huber (hinten, im hellblauen Hemd). −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) "Mich können sie ruhig fotografieren", sagt der Mann im FC-Bayern-Pulli, "meine Kollegen wissen, dass ich die AfD wähle." Der Wochenmarkt-Besucher sieht sich einem gewissen Erklärungszwang ausgesetzt: Er steht am Infostand der Alternative für Deutschland, wo Tobias Teich, der Direktkandidat für den Landtag, mit Prospekten und Aufnahmeanträgen auf Passanten wartet.

Teich, 34, Geisenfelder, gelernter Kaufmann, Vater einer vierjährigen Tochter und stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbands Freising-Pfaffenhofen, ist auf Wahlkampf-Tour. Er will mit den Menschen reden, ihnen zuhören, das sei seine Wahlkampf-Strategie. Obwohl er auf der Landesliste der AfD-Kandidaten auf Platz 30 rangiert, seine Partei aber in Umfragen bei rund 13 Prozent liegt, hält er es nicht für ausgeschlossen, ins Maximilianeum einzuziehen. Damit seine Chance steigt, begleitet ihn an diesem Wochenende Johannes Huber. Der Bundestagsabgeordnete ist quasi sein Chef: In den Sitzungswochen arbeitet Teich ihm in Berlin als Referent zu. Die beiden verbindet nicht nur die AfD-Mitgliedschaft, sondern auch die geballte Ablehnung, die ihnen häufig entgegenschlägt. Huber nahm auf Druck der Scheyrer Benediktiner nicht am Promi-Hopfenzupfen teil, Teich wurde vom DGB zu einer Polit-Diskussionsrunde im Pfaffenhofener Hofbergsaal erst gar nicht eingeladen. Wie fühlt man sich als Enfant terrible, als jemand, mit dem andere nichts zu tun haben wollen? "Es berührt mich nicht mehr so wie früher", sagt der Kandidat, "wer mich kennt, der weiß, dass ich kein Unmensch bin."

In Geisenfeld kennt man ihn: Da ist er aufgewachsen, zur Realschule gegangen, und da ist er auch politisch sozialisiert worden. Weil seine Eltern SPD-Wähler seien, der Vater sogar Mitglied ist, hat er damals den SPD-Ortsverein "themenbezogen" unterstützt, etwa, als es um die Geisenfelder Ortsumgehung ging. Wie wird so jemand AfD-Anhänger? Teich ist Mitglied der ersten Stunde, noch vor der Bundestagswahl 2013 trat er der Partei bei.

Sein politisches Interesse, erklärt er, sei 2000 erwacht. Das war das Jahr, als Jörg Haider, ehemaliger Vorsitzender der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) mit der konservativen ÖVP eine Koalitionsregierung schmiedete. 14 Staaten reagierten darauf mit diplomatischen Sanktionen gegen Österreich. Für Teich ein absolutes Unding: Alles, was ihm in der Schule über Demokratie erzählt worden war, sei hier über den Haufen geworfen worden. "Da setzten sich andere Staaten über ein demokratisches Wählervotum hinweg." Dass diese Maßnahmen durch Befürchtungen ausgelöst wurden, fremdenfeindliche und rassistische Aussagen führender FPÖ-Funktionäre könnten die Regierungspolitik beeinflussen, ist für Teich kein Argument.

Das Ereignis hat ihn politisch geprägt. Ganz oben auf seiner politischen Agenda steht: Das Volk soll das Sagen haben. Das hat es zwar schon durch die Wahlen, aber er will die repräsentative um eine "direkte" Demokratie ergänzen durch verbindliche Volksentscheide. Und deshalb beantwortet er die Frage, welche politische Leistung ihn in den letzten Jahren am meisten beeindruckt hat, mit dem Brexit. Für ihn das Ergebnis einer Fehlentwicklung von Anfang an: Über den Beitritt zur EU hätte die Bevölkerung abstimmen müssen. Jetzt laufe alles auf einen europäischen "Zentralstaat" hinaus nach dem Muster der USA, der "Vereinigten Staaten". Aber ist Volkes Meinung immer die Richtige? Verstehen die Leute Zusammenhänge, die so komplex sind, dass sie nicht einfach mit Ja oder Nein beantwortet werden können? "Man muss das erklären", sagt Teich, "auf Info-Veranstaltungen, in Talk-Shows, in der Zeitung."

Nummer eins auf Teichs Prioritätenliste ist natürlich das Thema Flüchtlinge, die Migrationspolitik und die innere Sicherheit. Er illustriert das anhand eines Erlebnisses: Mit einer Delegation habe er das am 1. August eröffnete Ankerzentrum in Manching besucht. Dort seien sie von einem "schwarzen Herrn" angesprochen worden, ob die Besucher ihm helfen könnten. Er habe keinen Pass. Wie sich herausstellte, war dieser in Italien registrierte Flüchtling nach Deutschland gereist, zurückgeschickt worden und jetzt wieder eingereist. Irgendwann unterwegs haben die Behörden offenbar den Pass eingezogen. Teichs Forderung: Die Verträge, nach denen Flüchtlinge in das Land zurückgeschickt werden, in dem sie registriert worden sind, müssen eingehalten werden. Und: Die nationalen Grenzen müssen geschützt werden - "der Bundesgrenzschutz hat früher funktioniert".

Mit einer gewissen Genugtuung registriert der Landtags-Kandidat, dass die CSU AfD-Forderungen aufgreife. Dass die Christsozialen sie konsequent umsetzen, bezweifelt er. Und deshalb kann er sich "derzeit" auch nicht vorstellen, dass seine Partei, sollte die CSU die im Oktober die absolute Mehrheit verlieren, mit den Christsozialen eine Koalition eingehen würde. Die CSU ließe sich von Stimmungen im Wählervolk leiten, würde heute A und morgen B sagen. Aber ist es nicht genau das, was der AfD nachgesagt wird: populistische Politik um jeden Preis? "Populismus", sagt Teich, "ist kein schlechter Begriff. Er bedeutet: Ich höre mir an, was die Menschen sagen." Um es dann 1:1 umzusetzen? "Wir können natürlich nicht ungeprüft alles übernehmen, aber wir sollten gemeinsam intelligente Lösungen suchen."

Was ihn ärgert: "Wir sind keine Ein-Thema-Partei, auf die uns die Medien gern reduzieren." Unterstützung für junge Familien beim Eigenheimbau oder kostenlose Kitas seien ihm wichtig, der Umweltschutz, die Nachhaltigkeit bei der Energiewende. Ihn stört, dass durch den Länderfinanzausgleich Berlin in der Lage sei, kostenlose Kita-Plätze anzubieten. Haben Sie bei dem Thema nicht eine Schnittmenge mit der Bayernpartei, Herr Teich? "Wir verstehen uns, aber wir wollen kein unabhängiges Bayern."

Wenn der Landtags-Kandidat vom politischen Gegner redet, dann spricht er von den "Alt-Parteien": die Alternative für Deutschland gegen die Etablierten, die , die allesamt nach links gerutscht seien und "ihre Ideale verkauft haben zugunsten einer Beliebigkeit". Auffallend oft erwähnt Teich den CSU-Übervater Franz Josef Strauß, für seine Anhänger ein Symbol der Unbeugsamkeit. Die Beliebigkeit in der Parteienlandschaft, das erfahre er in der Diskussion auf der Straße immer wieder, mache die Menschen politikverdrossen. Das Credo der Parteien und Wahlforscher, "Wahlen werden in der Mitte gewonnen", habe sie untereinander austauschbar gemacht.

Was den 34-Jährigen am meisten frustriert, "ist die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen". Anstatt sich mit Argumenten auseinanderzusetzen, werde versucht, "den anderen in eine Ecke zu schieben". Seine Partei habe keine völkische Agenda. "Niemand von uns vertritt Positionen aus der NSDAP. Wir sehen jegliche Form von Extremismus als höchst problematisch an."

Gefragt, was seine Stärke seien, antwortet Teich: "Meine Diskussionsbereitschaft. Ich bin bereit, mit jedem zu reden. Und meine soziale Kompetenz: Was kannst du mir von dir sagen, wo ich dir helfen kann. Und meine Unverbiegsamkeit. Ich bin ein Freund der klaren Sprache." Der AfD-Mann zitiert seinen Großvater. Der habe ihm mit auf den Lebensweg gegeben: "Tue recht und fürchte niemand."
 

Albert Herchenbach