Wolnzach
Kurvenduelle auf der Laufbahn

Nach dem Zweiten Weltkrieg strömten Tausende zu Sandbahnrennen in das Wolnzacher Sportstadion

12.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:11 Uhr
Wo sonst die Fußballfans jubelten, saßen zu den Wolnzacher Sandbahnrennen in den Jahren 1950 bis 1952 tausende Rennsportbegeisterte, darunter der damalige Landrat Edler von Koch (links). −Foto: Wolnzach-Chronik

Wolnzach - Die Hallertauer Messe in Wolnzach, die ab 1949 den wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg markierte, gilt als Ursprung des Hallertauer Volksfestes. Doch noch bei einer weiteren Attraktion kamen damals Tausende zusammen: zu drei Sandbahnrennen, bei denen sich die damalige Rennsportelite heiße Kurvenduelle auf der Laufbahn im Sportstadion an der Ingolstädter Straße lieferte. Die Rennen haben Spuren hinterlassen, auch wenn das damalige Sportstadion heute längst Wohngebiet ist. Der Ehrenvorsitzende des Motorsportclubs Wolnzach, Johann "Chane" Werner, erinnert sich.

Früher säumten die Birken heiße Duelle der Fußballer des TSV Wolnzach, der "Rot-Weißen", ein, waren stumme Zeugen vieler Schulsportfeste. Mit dem Bau der Wolnzacher Sportanlage Anfang der 1980er Jahre an der heutigen Anton-Dost-Straße fand das alte Stadion an der Ingolstädter Straße sein Ende. Die Birkenbäume, die es seinerzeit einsäumten, stehen aber heute noch. "Chane" Werner weiß auch, wann sie gepflanzt wurden: "Das war damals zur Messe, als da draußen die Sandbahnrennen stattfanden." Zwölf Jahre alt war der heutige Ehrenvorsitzende des MSC Wolnzach, schon damals begeistert von allem, was Motoren hat. "Das war ja auch die Zeit, wo das groß im Kommen war", weiß er noch gut, wie es ihn als Bub hinauszog ins Stadion, wie er sich unter Tausenden von Zuschauern auf die Böschung zwängte, von der man einen perfekten Blick auf das Rund hatte. Die 400-Meter-Bahn, auf der ansonsten die Wolnzacher Sportelite ihre Läufe austrug, war von den Organisatoren des Motorsportclubs in eine Sandbahn für Motorräder umgewandelt worden. Wie es da staubte, wenn die Rennfahrer in die Kurven gingen, dass die Brocken nur so flogen. Albin Siegl, Rudi Biederer, Karl Kiendtl, Josef Hofmeister, Fritz Dirtl, Barthel Wiesbeck - klingende Namen der Rennsportszene der damaligen Zeit. Sie gaben alles auf der Wolnzacher Bahn, die Schauplatz für drei Rennen war und sich großer Beliebtheit erfreute.

"Damals gab es ja nicht viel, deshalb strömten die Leute zu solchen Veranstaltungen", sagt Adolf Demmel. Er ist heute der Vorsitzende des MSC Wolnzach, hat in dieser Funktion die Nachfolge von Chane Werner angetreten. Er war damals freilich noch nicht dabei bei diesen Rennen, kennt aber ihre Geschichten und weiß, sie einzuordnen. Denn Demmel hat mit dem MSC und Seite an Seite mit "Chane" Werner auch schon zahlreiche Rennsportevents organisiert, nicht mehr in Wolnzach, sondern auf der Zeilhofbahn bei Nandlstadt. Deren legendärer Rennzeitpunkt, der 15. August, ist übrigens auch eine Art Spur der Wolnzacher Sandbahnrennen, denn: Im Jahr 1952 konnte der eigentliche Renntermin im Mai zur Hallertauer Messe nicht eingehalten werden und wurde wegen einer Terminüberschneidung mit Olching verschoben - auf eben jenen 15. August.

Demmel ist heute voller Hochachtung für das, was damals auf die Beine gestellt wurde. "Das war eine Riesensache", weiß er. Aber er weiß auch, dass vieles damals ganz anders war als heute: die Begeisterungsfähigkeit der Menschen, die damals in Massen kamen, wenn etwas geboten war. Anders war aber auch das Drumherum, "Chane" Werner beschreibt das so: "Ein Rennen heute so aufzuziehen wie damals, auf einer Laufbahn, das wäre heute ja gar nicht möglich". Eine immense Organisation steckt heute hinter den Rennen, viel Arbeit, viel Planung, viel Geld, mit dem der Veranstalter in der Regel in die Vorleistung gehen muss. "Und wir hatten schon den Fall, dass es am Morgen des Renntages dann geregnet hat und wir alles absagen mussten", so Demmel. Der MSC bleibt dann auf seinen Ausgaben sitzen, weil Versicherungen, Gebühren für Genehmigungen, Kosten für Absperrungen und Zäune vorab bezahlt werden müssen. Und selbst wenn das Rennen stattfinden konnte, wurde es oft eng in der Vereinskasse, weil die immensen Ausgaben längst nicht mehr durch Eintrittsgelder eingenommen werden konnten.

In Folge fand 2017 zum bisher letztes Mal ein Rennen auf der Zeilhofbahn statt, doch der MSC bot Alternativen: 2018 ein US-Trike- und Car-Treffen und im vergangenen Jahr ein Rasenmäherbulldogtreffen. Auch für diesen 15. August hatte man das geplant, musste coronabedingt jedoch absagen "Ob die Veranstaltung im September abgehalten werden kann, hängt einzig und allein von den Vorgaben der Politik ab", sagt MSC-Vorsitzender Adolf Demmel. "Denn die Planungen, Verpflichtungen und die Anträge für Genehmigungen und Reservierungen müssen spätestens Mitte Juli beginnen."

Damals, in den Anfängen der Wolnzacher Rennen vor 70 Jahren, gab es noch sehr viel weniger Bürokratie. "Chane" Werner, der in seiner Zeit als MSC-Vorsitzender auch zahlreiche Rennen organisiert hat, denkt deshalb sehr gerne zurück an diese Anfänge. Auch, wenn seine lebendigste Erinnerungen daran mit dem eigentlichen Rennverlauf gar nichts zu tun hat: "Bei einem Rennen ist ganz in der Nähe ein Jet der Amerikaner abgestürzt", weiß er noch gut. "Das Geräusch werde ich nicht vergessen."

WZ