Pfaffenhofen
Video: "Vermisse bei den FW eine klare Struktur"

Martin Rohrmann spricht vor der Landratsstichwahl über Corona, seine Ideen und das Verhältnis zum Gegner

23.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:41 Uhr
Martin Rohrmann will als Landrat Unternehmen bei der Bewältigung der Corona-Krise helfen. Bei den Freien Wählern vermisst er klare Positionen. −Foto: Wenisch

Pfaffenhofen - Martin Rohrmann (CSU) und Albert Gürtner (FW) stehen sich am Sonntag in der Stichwahl um den Landratsposten gegenüber. Wir haben den beiden Kontrahenten jeweils die gleichen Fragen gestellt - zum Corona-Krisenmanagement, möglichen Kreistagsmehrheiten und zum Verhältnis zu ihrem Gegner. Nach Gürtners Antworten folgen die Statements von Martin Rohrmann.

 

Herr Rohrmann, Corona ist derzeit das alles beherrschende Thema. Wie gehen Sie persönlich im Privaten mit der Krise um? Treffen Sie noch Freunde, haben Sie Hamsterkäufe getätigt, haben Sie immer ein Desinfektionsmittel griffbereit?

Martin Rohrmann: Gründliches Händewaschen ist selbstverständlich, ebenso wie Desinfektionsmittel, die herumstehen - aber nicht mehr. Mein Sohn hat mich gefragt, ob er Freunde treffen kann. Die Antwort ist natürlich nein. Man muss auf die Expertenmeinung hören. Das heißt Rückzug, keine Freunde treffen, Kontakte nur, wo es notwendig ist, etwa im beruflichen Bereich. Meine Kanzlei ist für den Parteiverkehr derzeit aber auch geschlossen. Die CSU war auch die erste Partei, die den Wahlkampf wegen des Coronavirus abgebrochen hatte. Es geht nicht nur um einen persönlich, sondern auch um den Schutz anderer Personen. Das ist ganz wichtig. Hamsterkäufe habe ich natürlich nicht getätigt, weder Klopapier noch etwas anderes. Die Grundversorgung wird sichergestellt sein. Einkaufen kann man weiter. Man sollte Vorsorge treffen, aber nicht hamstern. Viel wichtiger ist, im persönlichen Bereich auch andere zu animieren, zu Hause zu bleiben und auszuharren.

Konkurrent Gürtner über Corona, seine Ideen und das Verhältnis zum Gegner. Mehr dazu hier.

 

 

Was qualifiziert Sie als oberster Krisenmanager des Landkreises?

Rohrmann: In meinem Job als Anwalt bin ich Krisenmanager im Kleinen bei meinen Mandanten. Ich weiß, mit Krisen und persönlichen Schicksalen umzugehen. Ich habe nicht nur eine juristisch gute Lösung zu erbringen, ich muss auch Empathie zeigen gegenüber den Mandaten. Ich kenne die juristischen Strukturen im staatlichen Bereich wie im Kreisbereich. Ich bin durch meine Ehrenämter gewohnt, mit Leuten umzugehen und auch Vorbild zu sein. Ich bin gut vernetzt, nicht nur im Privaten, sondern auch im gesellschaftlichen Bereich, im sportlich-kulturellen Bereich und auch in der größeren Politik. Daher bin ich gerüstet, um als Krisenmanager fungieren zu können.

Corona belastet die öffentlichen Haushalte extrem. Auch an der Ilmtalklinik dürften durch ausgefallene Behandlungen massive Einnahmeeinbrüche drohen. Wie wollen Sie das finanzieren? Müssen Investitionen aufgeschoben werden?
Rohrmann: Wichtig ist, dass die Solidarität der Gemeinden gefragt ist und sie bei der Finanzierung mitwirken. Gesundheit ist das höchste Gut in der Bevölkerung. Und diese aufrecht zu erhalten, ist das oberste Gebot. Das heißt, dass eventuell auch Investitionen hintanstehen müssen, wenn die medizinische Versorgung sonst nicht aufrechterhalten werden kann. Das heißt auch, dass zusätzliche Landkreishaushaltsmittel unkompliziert freigegeben werden müssen, um die volle Handlungsfähigkeit der Ilmtalklinik jederzeit sicherstellen zu können. Es ist unheimlich wichtig, Fiebersprechstunden abzuhalten, die Fieberambulanz arbeitsfähig zu machen, um die gesamte Bevölkerung zu schützen. Ich glaube auch, dass die Solidarität der Bevölkerung groß ist. Den Zusammenhalt zu fördern, bei den Hauptakteuren, bei den Bürgermeistern, den Gemeinderäten, den gesellschaftlich wichtigen Personen, die das auch weitertragen können, ist ganz entscheidend. Es geht im Moment nicht vorrangig darum, Investitionen zu tätigen. Es ist durchaus eine Möglichkeit, Maßnahmen wie die Auslagerung des Bauhofs zu verschieben.

Wie wollen Sie der lokalen Wirtschaft helfen?
Rohrmann: Mit allem, was möglich ist. Zwar hat der Landkreis keine eignen Einnahmen, sondern ist von der Kreisumlage der Gemeinden abhängig. Es gibt aber Möglichkeiten, wie zum Beispiel der Landkreis Traunstein, der einen eigenen Rettungsschirm geschaffen hat. Wichtig ist, konkrete Hilfestellungen zu geben, wie Gewebetreibende zugesicherte, staatliche finanzielle Hilfen erhalten können. Aus Mandantengesprächen weiß ich, dass Hilfe und Unterstützung sehr nötig sein werden, zum Beispiel wie komme ich als Kleinbetrieb an die 5000 Euro der bayerischen Staatsregierung, wie ist das mit der Kurzarbeit. Auch die EU und die Bundesregierung haben große Rettungspakete aufgelegt. In Krisenzeiten muss das Landratsamt sich gewissermaßen als Lotse zwischen den verschiedenen Ämtern und Behörden, wie zum Beispiel Finanzamt, Arbeitsamt, Gemeinden, KUS erweisen. Genau so etwas wäre ein lokaler Rettungsschirm. Da muss das Landratsamt Hilfestellungen geben, wie die kleinen Betriebe, die unser Leben aufrechterhalten, an Gelder kommen.

Kommen wir zu anderen Themen. Stichwort Digitalisierung: In der Wahlnacht haben sich massive Probleme gezeigt. Viele Gemeinde-Webseiten waren nicht erreichbar. Wie sieht Ihr Weg in die Zukunft aus? Kommt es nur darauf an, überall Glasfaser zu verlegen?
Rohrmann: Der Kreis muss unterstützen und vorantreiben, dass überall ein gleich gutes Netz entsteht, wohl wissend, dass die Versorgung der Bevölkerung mit mobilen Daten grundsätzlich mal Gemeindeaufgabe ist. Derzeit sind im Landratsamt 600 Verwaltungsprozesse am Laufen, von denen werden aber gerade einmal 25 digital umgesetzt. Es bringt nichts, wenn ich im Internet einen Antrag herunterladen und ausfüllen kann, den ich aber wieder analog ans Landratsamt schicken muss. Es bringt nichts, eine digitale Doppellösung zusätzlich zur analogen zu haben. Wenn dann brauche ich einen Gesamtprozess und der soll digital gestaltet werden. Bei der Umstellung muss man die Bevölkerung aber mitnehmen. Entscheidend ist, dass man auch Großunternehmen der Telekommunikationsbranche einbindet, dass diese auch auf dem Land für eine breite Versorgung mit digitalen Strukturen sorgen. Dazu kann der Landrat beitragen. Man merkt, wie wichtig, gerade in der Zeit der Corona-Krise, die Weiterentwicklung einer funktionierenden digitalen Infrastruktur ist. Mein Sohn würde sich derzeit ohne Handy und Internet verloren fühlen.

Die AfD ist erstmals in den Kreistag eingezogen. Wie wollen Sie mit der Partei umgehen? Ist eine Zusammenarbeit möglich?

Rohrmann: So lange die AfD nicht vom rechten Gedankengut und Parolen abweicht und insbesondere innerparteilich vom rechten Flügel Abstand nimmt, wird es keine Zusammenarbeit geben. Die vier Mandatsträger sind Mitglieder des Kreistags. Ich werde ihnen mit Höflichkeit begegnen, wie ich jedem Menschen mit Höflichkeit und Respekt begegne. Aber eine sonstige Zusammenarbeit oder Mitarbeit schließe ich aus.

Das Kreistagswahlergebnis ist sehr knapp. Mit welchen Gruppierungen wollen Sie eine Kooperation eingehen?

Rohrmann: Grundsätzlich hat die Wahl gezeigt, dass es ein bürgerliches Spektrum in der Mitte gibt, das breit gewählt worden ist mit der CSU, der Bürgerliste, den Freien Wählern - und auch der SPD und den Grünen. Das heißt, ich werde mit allen diesen Parteien reden, die Frage ist, ob sie dann auch mit mir reden wollen. Letztlich geht es um Politik, die in die Zukunft gerichtet ist. Deswegen werde ich selbstverständlich mit allen Parteien reden, um einen guten Kompromiss zu finden, zu den politischen Vorstellungen, die ich im Wahlkampf vorgestellt habe. Aber die Bürgerliste und die Freien Wähler sind sicher diejenigen, mit denen wir zuerst reden werden. Es sind aber auch andere Konstellationen möglich. Es geht um eine gute Wirtschaft, um die Erfüllung der Pflichtaufgaben, um eine stabile und sichere Zukunft im Kreis und eine gute Zusammenarbeit mit den Gemeinden. Andere wichtige Aspekte sind die Bewältigung der Klimakrise oder der ÖPNV, der auf neue Füße gestellt werden muss.

Der Wahlkampf war bisher sehr harmonisch zwischen den Landratsbewerbern. Wo sehen Sie die größten politischen Unterschiede zwischen sich und Ihrem Konkurrenten Albert Gürtner?

Rohrmann: Das Problem ist, dass die Freien Wähler, wenn man ihre Wahlprospekte angesehen hat, wenig griffig sind in ihren Aussagen, die sie getroffen haben. Sie halten sich alle Türen offen. Deswegen vermisse ich ein wenig eine klare Struktur, ein klares Bekenntnis, wofür sie denn stehen. So ist es sehr schwierig auszumachen, wo es denn Überschneidungen oder auch Unterschiede gibt. Wenn ich auf der Kreis-Webseite auf die zentrale Verbandswebseite in Bayern verweise, ist es recht schwierig, ob denn die einzelnen Mitglieder dahinterstehen oder nicht. Wir haben klare Ziele im Wahlkampf vorgegeben, bei den Freien Wählern ist das etwas schwierig. Man munkelt ja auch, dass sie eine Bunte Koalition auf Kreisebene anstreben. Es würde mich aber wundern, wenn es da nicht zu Schwierigkeiten mit einzelnen Mitgliedern der Freien Wähler kommen würde, die eher in ihrer Grundeinstellung CSU-nah, konservativ sind.

Was hat Ihnen Ihr Gegner persönlich voraus?

Rohrmann: (überlegt lange) Da fällt mir leider nichts ein. Der Albert ist ein netter Kerl und ich schätze ihn als Mensch, aber mir fällt nichts ein, was er mir voraushat - außer seinem Geburtsjahrgang.

Das Interview führten Daniel Wenisch und Patrick Ermert.