Rohrbach
Jung und Keck

Gratwanderung zwischen Vision und Realität: Neue Truppe der SPD legt im Rohrbacher Wahlkampf vor

29.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:14 Uhr
Erst die Präsentation, dann das persönliche Gespräch: Bürgermeisterkandidat Christian Keck (vorne links) warb nach dem Wahlkampfauftakt der Rohrbacher SPD weiter um Stimmen für sein Zukunftsprogramm mit dem Titel "Rohrbach 2038". −Foto: Ermert

Rohrbach - Der junge Keck hat im Rohrbacher Wahlkampf den Wirtssaal voll gemacht - und mit Ideen und Visionen ordentlich vorgelegt. Die neu formierte SPD-Mannschaft um ihren 24-jährigen Bürgermeisterkandidaten Christian Keck präsentierte sich am Dienstag selbstbewusst und nach vorne gewandt. "Rohrbach 2038" lautet das Programm, dessen Vorhaben zwar auf den aktuellen Gegebenheiten fußen, diese aber weit in die Zukunft fortführt.

Im Grunde genommen dreht sich fast alles um den 24-jährigen Hoffnungsträger. "Christian ist die Zukunft. Er hat so viel Energie dazugebracht", fasste Elvis Schwarzmair den Grund für neu entfachten Elan zusammen. Für die markigen Wahlkampfworte war Schwarzmair auch zuständig. Er begrüßte Kecks Mitbewerber mit einem Ratschlag: "Schaut euch was ab!" Und er zeigte sich verwundert: "Dass sich jetzt jeder mit Federn schmückt, die anderswo gewachsen sind - denn die treibende Kraft sitzt hier bei uns." Er spielte damit auf Christian Kecks Vater Peter an, der noch bis Mai im Rathaus die Zügel in der Hand hat. Einige Spitzen setzte Schwarzmair auch. "Wir brauchen keine Verwalter sondern Gestalter, die die Gemeinde in die Zukunft bringen - und die haben allesamt wir."

Bei der Kurzvorstellung der Gemeinderatskandidaten gab es Auffälligkeiten. Zum einen setzt sich die Liste aus vielen Neulingen zusammen. Neben Schwarzmair sitzen nur Hans Großhauser und Sabine Ruhfaß schon im Gremium. Das Themenspektrum ist breit gefächert: erneuerbare Energien, ÖPNV, Nachhaltigkeit, Jugendthemen, Seniorenzentrum, Incontri und Bürgerbeteiligung. Letztlich dreht sich aber doch alles um den jungen Frontmann. "Ich kenne Christian schon lange und will ihm helfen", brachte es Philipp Daniel auf den Punkt. Mario Wiethölter ergänzte: "Christian ist ein bissl jung, das stimmt - aber wir werden das als Team ausgleichen und alle zusammen anschieben. Damit wir das, was sein Papa angeschoben hat, gut in die Zukunft fortführen."

Was er vorhat oder sich vorstellen könnte, präsentierte Christian Keck danach ausführlich. Eine Frage, die viele umtreibt, stellte er sich vorab selbst: Warum tut er sich das an? Er ist doch noch so jung. Sicher würden ihm in der freien Wirtschaft etliche Türen offenstehen, antwortete der 24-Jährige. Aber er sei gerne daheim in Rohrbach. "Ich will da wirken, wo ich lebe und meinen Mittelpunkt sehe", fügte er an. Dass ihm die Vita und die Erfahrung für den Bürgermeisterjob fehlen, sei ihm klar. Aber er habe die Energie und das Herzblut, um sich in Themen reinzufuchsen. Als entscheidende Fähigkeiten, ein guter Bürgermeister zu werden, benannte er zwei weitere Eigenschaften, die er sich zuschreiben würde: einen Blick für das Machbare und den Mut zu Veränderungen.

So startete er mit Einblicken in sein "Rohrbach 2038"-Programm. Es beinhalte keine Experimente, aber Visionen, legte Keck los. Wer konkrete Maßnahmen erwartete, sah sich getäuscht. Keck vermied es bewusst, exakte Wege aufzuzeigen. "Ich weiß auch noch nicht, wie wir das genau angehen können. Aber wir werden Wege finden", versprach er. So umriss er jene Handlungsfelder, auf die es in seinen Augen ankommen wird, um Rohrbach und seine Ortsteile in die Zukunft zu führen. Seine sechs Schlagworte lauten handlungsfähig, nachhaltig, bürgernah, innovativ, lebenswert und identitätsstiftend. Sie wirken pauschal, dahinter steckt aber jeweils eine konkrete Ausgestaltung. So sind es zunächst nur Ziele, die Keck auflistet. "Den Weg dorthin müssen wir aber erst noch festlegen."

So startete Keck seinen Streifzug bei der Wasserversorgung, wobei er das Wort "Millionengrab" in den Mund nahm - allerdings nur im Zusammenhang, dass es keines werden dürfe. "Wir werden uns da nicht schnell anschließen, sondern gut abwägen und dann entscheiden", meinte er. Inwiefern der Gemeinde hier allerdings noch eine Wahl bleibt angesichts von drei Bohrungen und dem gefassten Beschluss einen neuen Hochbehälter zu bauen, blieb offen.

Keck vermied es auch, über einen Standort für das gemeinsame Feuerwehrhaus für Gambach, Rohr, Waal und Ossenzhausen zu reden. Aber er will das Vorhaben durchziehen. Die Feuerwehr und die katholische Kirche sind ohnehin die beiden Felder, in denen der 24-jährige in seiner Freizeit jetzt schon kräftig involviert ist. Beruflich hat er mit dem Glasfaserausbau zu tun - und natürlich liegt auch hier ein Schwerpunkt seiner Visionen.

Aber damit war lange noch nicht Schluss. Den Stellplatz für den Rettungswagen will Keck zu einer 24-Stunden-Wache ausbauen. Ein Ausbau der ärztlichen Versorgung oder ein Müll-Abholservice für Senioren schweben ihm ebenso vor wie ein Rohrbacher Wochenmarkt, plastikfreies Einkaufen, die Direktvermarktung von regional erzeugten Lebensmitteln und ein Ausbau der erneuerbaren Energien. "Eine Bürger-Biogasanlage oder ein Heizkraftwerk könnte ich mir gut vorstellen", sagte er.

Der SPD-Hoffnungsträger hat Pfaffenhofen zudem als Erfolgsmodell ausgemacht - und wandelt auf Thomas Herkers Spuren. So will Keck auch Rohrbach zu einer Mitmachgemeinde ausbauen. "Die Projektgruppen brauchen mehr Wucht", meinte er. Ein Livestream aus dem Gemeinderat gehört für ihn ebenso dazu wie ein Bürgermeister-Blog und ein höheres Budget für die Öffentlichkeitsarbeit oder ein Job-Portal auf der Gemeindehomepage.

Büros für Start-ups schweben ihm im leer stehenden Bahnhofsgebäude vor. "Dann würde sich dort auch bald wieder ein Café ansiedeln", meint er. Das passt auch zusammen mit dem Wunsch, eine Kneipe oder ein American-Diner in der Dorfmitte anzusiedeln. Mit dem erhofften Biergarten im Zentrum oder einem Sitzungs- und Trauungssaal im Schlossgarten würden sich erheblich mehr Möglichkeiten für junge Leute bieten, fügte er an. Und Kecks Visionen gehen weiter: Eine Aufwertung des Flutkanals um eine Liegewiese würde ihm ebenso gefallen wie eine Öffnung des Sportgeländes für den Breitensport. "Das könnte man überplanen, einen Skaterplatz oder ein Beachvolleyballfeld anlegen, damit da nicht nur Fußball gespielt werden kann."

Platz für Kleingewerbe sieht der 24-Jährige in Bruckbach, wozu Keck das dortige Gewerbegebiet kleiner parzellieren möchte. Das Ruftaxi für Senioren möchte er um ein Angebot für Jugendliche ausweiten. Und sogar für die Häuslebauer hat Keck eine Vision übrig. Platz für Tiny Houses will er schaffen - und den Flächennutzungsplan überarbeiten. "Damit moderates Wachstum in den Ortsteilen möglich ist", führte er aus und regte eine Zukunftswerkstatt für jedes Dorf an.

Genug Arbeit also für die nächsten 18 Jahre. Bremsen könnten ihn womöglich die finanziellen Zwänge. Wohl auch daher schränkte der 24-Jährige das Gesagte ein. "Ich will euch nicht das Blaue vom Himmel versprechen. Es muss finanziell auch möglich sein."
 

Patrick Ermert