Pfaffenhofen
Die Zeit läuft

Bei der ersten Landratsdebatte kämpfen die Kandidaten weniger gegeneinander als gegen die Uhr

21.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:08 Uhr
Die sieben Landratskandidaten bei der Diskussionsrunde von ProWirtschaft: Albert Gürtner, Andreas Herschmann, Karl Huber, Thomas Neudert, Martin Rohrmann, Kerstin Schnapp und Claus Staudhammer. −Foto: Wenisch

Pfaffenhofen - Am Schluss haben alle die Zeit im Griff. 20 oder gar 30 Sekunden zeigt der Countdown nach den abschließenden Statements noch an. In weniger als eine halben Minute haben es die Kandidaten also geschafft, darzulegen, weshalb sie sich als geeigneten Bewerber für das Amt des Landrats sehen.

 


In der vorangegangenen Fragerunde ist das Zeitmanagement dagegen noch ziemlich chaotisch. Reihenweise werden die Kandidaten nach einer Minute Redezeit vom Publikum per Applaus vom Mikrofon vertrieben. Einzig SPD-Kandidat Andreas Herschmann gelingt es problemlos, innerhalb der vorgegebenen 60 Sekunden seine Botschaften an den Unternehmer zu bringen.

Und so fordert er im Festsaal des Pfaffenhofener Rathauses bei der Diskussionsrunde des Vereins ProWirtschaft zur Kommunalwahl unter anderem einen Ausbildungscampus samt Azubi-Wohnheimen und Umsiedlung der Berufsschule. Als möglichen Standort bringt er das Trabrennbahn-Gelände in Pfaffenhofen ins Spiel. Zudem will er mehr Räumlichkeiten für Co-Working, ein eigenes Existenzgründerzentrum, das statt Geld nach Ingolstadt zu transferieren die Köpfe im Landkreis halten soll, oder die Gründung von Regionalwerken, die sich um den Glasfaserausbau kümmern oder für die Landwirtschaft Agrarroboter bereitstellen.

Die Forderung nach Verbesserungen für Azubis und mehr Start-up-Förderung werden nach und nach auch von anderen Kandidaten vorgebracht, ansonsten sind konkrete Vorschläge und Maßnahmen an diesem Abend eher Mangelware. Der ProWirtschaft-Vorsitzende Martin Bornemann ruft die Kandidaten zu Beginn der Veranstaltung auf, einen Standpunkt zu beziehen und auf den Punkt zu kommen. Um das zu symbolisieren, ist auf der Bühne ein beiger, runder Teppich ausgelegt, auf den die Kandidaten treten, wenn sie eine Frage beantworten.

Nur seinen Zweck erfüllt der Punkt selten, was sicher auch daran liegt, das das Format keine wirkliche Diskussion zwischen den Kandidaten zulässt. Jeder bekommt die gleiche Frage zu einem regionalen Wirtschaftsthema und darf dann darauf antworten. Fünf Runden geht das so, anschließend verteilen sich die Kandidaten im Saal, um an Stehtischen eine halbe Stunde lang das direkte Gespräch mit den anwesenden Unternehmern zu suchen, bevor es ein einminütiges Abschlussstatement gibt. Und so kommt es auch zu keinen direkten Angriffen, Konfrontationen oder Streit. Die Positionen der Kandidaten - egal welcher Partei - sind dadurch nur schwer unterscheidbar.

Einig sind sich die Kandidaten im zu etwa zwei Dritteln gefüllten Rathaussaal beispielsweise, dass der Landkreis derzeit zwar in vielen Belangen spitze sei, aber in den kommenden Jahren große Veränderungen anstünden. Digitalisierung, Ansiedlung von Unternehmen, Fachkräftemangel, Breitband- und Mobilfunkausbau, ÖPNV-Verbindungen im Landkreis, überall müsse angepackt werden, sind sich die Bewerber - mit einigen unterschiedlichen Akzentuierungen - einig.

CSU-Kandidat Martin Rohrmann wirbt vor allem dafür, dass das Landratsamt den Unternehmen und Bürgern Rechtssicherheit bieten müsse. "Die Verwaltung darf kein Hindernis sein für weitere Investitionen", sagt er und will sich für eine wirtschaftsfreundliche Gesetzesauslegung einsetzen. Zudem müsse man dafür sorgen, dass die Menschen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Arbeitsplatz kommen. Freie-Wähler-Kreischef Albert Gürtner spricht sich insbesondere für eine verbesserte Förderung an den Schulen im Landkreis aus. Viele Kinder blieben auf der Strecke und müssten fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Ihm schwebt eine engere Verzahnung von Unternehmen und Schulen vor, etwa durch mehr Praktika. Zudem ruft er die Unternehmen auf, eine Flexibilisierung der Jobs durch Heimarbeitsplätze zu ermöglichen. Die Voraussetzungen müsse aber die Politik mit schnellem Internet schaffen. Er könne sich zudem Handwerkszentren im Norden und Süden des Landkreises vorstellen, sagt Gürtner.

Für die Grüne Kerstin Schnapp ist der ÖPNV "das Topthema". Natürlich müsse ein Nahverkehrsplan für den gesamten Landkreis erstellt werden, aber bis dahin könnten ja schon einmal Busverbindungen zu den Bahnhöfen eingerichtet werden. Bislang sei ein Ausbau an der CSU gescheitert. Darüber hinaus gelte es, die berufliche Weiterbildung zu stärken. Dass jemand 40 Jahre lang im gleichen Beruf bleibe, das werde es künftig nicht mehr geben.

Für einen Ausbau der Busanbindung an den Münchner Flughafen wirbt FDP-Landratskandidat Thomas Neudert. Zudem müsse die lokale Wirtschaft gestärkt werden, indem sie bei geplanten Erweiterungen jede Unterstützung bekomme. Existenzgründungen will er unterstützen, indem im Landkreis-Norden in Zusammenarbeit mit Ingolstadt ein Gründerzentrum angesiedelt wird. Zudem will er Planspiele und wirtschaftsnahe Seminare in den Schulen vorantreiben, um den Mut zu Unternehmensgründungen zu fördern.

Für AfD-Kandidat Claus Staudhammer müssen vor allem die Rahmenbedingungen und die Attraktivität des Landkreises weiter verbessert werden, um Fachkräfte im Landkreis zu halten. Dazu gehörte etwa eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung durch die Sicherung der Ilmtalklinik. Veränderungen der Arbeitswelt im Landkreis will er zuerst einmal analysieren, um gezielt Investitionen zu fördern. Für Azubis und sozial Schwache will er günstigen Wohnraum über eine zu gründende Kreiswohnbaugesellschaft schaffen.

Auch der Kandidat der Bürgerliste, Karl Huber, betont: "Der Schlüssel ist, dass wir den Fachkräften Wohnraum zur Verfügung stellen." Er will eine konzertierte Aktion von Landkreis, Gemeinden und Unternehmen, die Wohnungen für ihre Angestellten bauen sollen. Für die Ansiedlung von Unternehmen will er ein Kompetenzteam aus verschiedenen Experten zusammenstellen und beim ÖPNV auf vernetzte Rufbussysteme zwischen den Gemeinden setzen.

Wie er sich den Landkreis in Zukunft vorstellt, das gibt bei der Veranstaltung Noch-Landrat Martin Wolf (CSU) seinen potenziellen Nachfolgern mit auf den Weg. Statt einer komplett mit Gewerbe und Wohngebieten zugebauten Region wünscht er sich den Erhalt landwirtschaftlicher Strukturen, von Natur- und Naherholungsgebieten. Hier die Interessen der 19 Bürgermeister zusammenzubringen, gibt er den Kandidaten als Herausforderung mit auf den Weg.

PK

 

Daniel Wenisch