Pfaffenhofen
"Judengasse" kehrt nach 85 Jahren zurück

Die Stadt Pfaffenhofen ergänzt Straßenschilder in der Innenstadt um historische Namen

17.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:09 Uhr
Historischer Straßenname: Manfred Erhardt von den Stadtwerken montiert ein Schild, das daran erinnert, dass die Ingolstädter Straße einst Rosengasse hieß. −Foto: Stadtverwaltung Pfaffenhofen

Pfaffenhofen - Alte Pfaffenhofener Straßennamen, die trotz teils Jahrhunderte altem Gebrauch verschwunden sind, sollen wieder sichtbar werden: Die Stadt erinnert mit zusätzlichen Straßenschildern an die historischen Bezeichnungen in der Innenstadt, die teils Anfang des 20. Jahrhunderts, teils während der NS-Zeit verschwunden sind.

Die amtlichen Straßennamen bleiben dabei unverändert, die Beschilderung wird lediglich um die historischen Namen ergänzt - beispielsweise die Löwenstraße am östlichen Ende um ein Schild mit der Aufschrift "ehemals Judengasse", um auf die Spuren jüdischen Lebens in der Stadt zu verweisen. Laut Stadtverwaltung wurden die ersten Schilder seit vergangener Woche montiert.

Die Initiative dazu geht zurück auf den Heimatforscher und ÖDP-Stadtrat Reinhard Haiplik: Dieser hatte vor anderthalb Jahren die zumindest informelle Rückbesinnung auf einstige Straßenname gefordert, um "die wenigen verbleibenden Spuren, die in vergangene Jahrhunderte weisen, zu bewahren" und "Erinnerungen an Verlorenes wieder wachzurütteln". Der Stadtrat folgte dem Antrag damals einstimmig - und nun wird er umgesetzt. Ein Gremium bestehend aus Haiplik als damaligem Referenten für Heimatpflege, dem dreiköpfigen Ältestenrat des Stadtrats sowie dem damaligen Kulturreferenten Steffen Kopetzky hatte das Konzept für die zusätzliche historische Beschilderung ausgearbeitet.

Am eindringlichsten betraf Haipliks Forderung die besagte Löwenstraße, deren Abschnitte in ihrer wechselhaften Geschichte bis zu fünf Namen hatten. Der Hauptteil zwischen Ingolstädter Straße und Frauenstraße hieß von Alters her eigentlich Judengasse und war der angestammte Ort des Pfaffenhofener Viehmarktes. Der Ursprung des Namens ist unbekannt, denn Hinweise auf dort lebende jüdische Bevölkerung finden sich laut Stadtarchivar Andreas Sauer in den historischen Quellen nicht. Der Name Judengasse fiel jedenfalls der NS-Zeit zum Opfer: Die Nazis benannten die Innenstadtstraße, wohl auch weil dort zwei hochrangige örtliche NSDAP-Funktionäre lebten, im Jahr 1935 in Schlageterstraße um - zu Ehren des Freikorps-Kämpfer Albert Leo Schlageter (1894 bis 1923), der von den Nationalsozialisten als "erster Soldat des Dritten Reiches" fast schon kultisch verehrt wurde. Es war nicht die einzige Umbenennung unter den Nationalsozialisten vor 85 Jahren: Die Stadtverwaltung unter NSDAP-Bürgermeister Otto Bauer hatte mehrere ideologisch getriebene Umbenennungen von Straßen und Plätzen beschlossen, die Größen der nationalsozialistischen Bewegung huldigen sollten. Der Hauptplatz wurde zum Adolf-Hitler-Platz und im Bereich des Schlachthofes wurden die Straßen nach Oskar Körner und Dietrich Eckart benannt, zwei Hitler-Anhängern der ersten Stunde.

Abgesehen davon wurden laut Stadtarchiv nahezu alle heute gebräuchlichen Straßenbezeichnungen Pfaffenhofens im 20. Jahrhundert vergeben. Insbesondere seit 1927, als laut Sauer das zuvor geltende Nummernsystem durch Straßen mit Hausnummern abgelöst wurde, sowie nach 1950, als im Zuge des Wachstums der Stadt zahlreiche neue Straßen entstanden. Und wie der städtische Historiker weiß, reichen einige der alten, abgeschafften Straßenbezeichnungen über Jahrhunderte zurück und sind zum Teil in spätmittelalterlichen Urkunden nachgewiesen. Prominentes Beispiel ist die Rosengasse (heute Ingolstädter Straße), deren historischer Name laut Heimatforscher Haiplik als Hinweis auf "verrufene Örtlichkeiten" zu verstehen ist.

Neben Juden- und Rosengasse gibt es nun außerdem ergänzende Straßenschilder für die "Webergasse" (heute Auenstraße), die "Kirchengasse" (Scheyerer Straße) und den "Promenadenweg" (Schulstraße). An den Stellen, wo sich früher das Scheyerer Tor, das Münchener Tor und das Ingolstädter Tor befanden, sollen künftig ebenfalls Tafeln an die historischen Gebäude erinnern. Der Hauptplatz wird allerdings keinen Hinweis auf den Namen Adolf-Hitler-Platz bekommen, sondern ein ergänzendes Schild für den noch älteren Namen "Paradeplatz". Wobei sich manche Pfaffenhofener erinnern dürften: Noch bis in die späten 1980er Jahre trug ein Gebäude am Hauptplatz ein Hausnummern-Schild mit dem nationalsozialistischen Namen.

"Die Stadt Pfaffenhofen ist sich ihrer vielfältigen Geschichte bewusst", sagt Bürgermeister Thomas Herker (SPD) laut städtischer Mitteilung zu den neuen Schildern. "Die Erklärung von Straßennamen und ihrer Bedeutung ist ein wertvoller Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Stadthistorie. " Und es ist nicht die erste Ergänzung der Straßennamen: Schon ab 2002 hatte die Stadt Zusatzschilder zu Straßenbezeichnungen anbringen lassen, die auf eine für Pfaffenhofen bedeutende Persönlichkeit zurückgehen - beispielsweise an der Professor-Stock-Straße. Kurze Angaben zu Leben und Tätigkeit erklären dem Interessierten diese Straßennamen. Im Fall des genannten Beispiels war der Namenspatron Hanns Stock (1908 bis 1966) übrigens ein seinerzeit bedeutender Archäologe.

PK